Zsch. psychosom. Med 45, 260-278, 1999. (Auszugsweise, Kommentar)
 

"Wenn der Vater fehlt. Epidemiologische Befunde zur Bedeutung früher Abwesenheit des Vaters für die psychische Gesundheit im späteren Leben"

Von Matthias Franz, Klaus Lieberz, Norbert Schmitz (Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)
und Heinz Schepank (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim)

                                                                             Zusammenfassung

Angesichts der wachsenden Zahl von Einelterfamilien wird die Bedeutung der Abwesenheit des Vaters während der kindlichen Entwicklungsjahre für die im späteren Leben bestehende psychische/psychosomatische Beeinträchtigung untersucht. Auf der Datengrundlage der Mannheimer Kohortenstudie zur Epidemiologie psychogener Erkrankungen wurden Extremgruppenvergleiche günstiger und ungünstiger Langzeitverläufe durchgeführt. Innerhalb eines Regressionsmodells wurde außerdem für die gesamte Verlaufsstichprobe (mittleres Untersuchungsintervall 11 Jahre, N=301) die verlaufsprädiktive Bedeutung psychometrischer, klinischer und frühkindlicher Variablen untersucht. Sowohl im Extremgruppenvergleich als auch innerhalb des Regressionsmodells bestand - wie für klinische und psychometrische Variablen - ein eigenständiger, statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen einer Abwesenheit des Vaters (> sechs Monate in den ersten sechs Lebensjahren) und der psychogenen Beeinträchtigung im späteren Leben. Dies ließ sich sogar für die 73 der 125 älteren Probanden des Geburtsjahrganges 1935, bei welchen der Vater in den ersten sechs Lebensjahren fehlte, nachweisen. Die mögliche
sozialpolitische Bedeutung dieser Befunde wird methodenkritisch diskutiert.
 

   Einleitung

Es wird auf die große und wachsende Zahl von Kindern die in Einelternfamilen aufwachsen hingewiesen. 148000 minderjährige Kinder waren 1996 von der Ehescheidung ihrer Eltern betroffen (Der Deutlichkeit halber werden wörtliche Zitate kursiv dargestellt.):
In einer 1997 im Rahmen der Schuleignungsuntersuchung in Düsseldorf durchgeführten eigenen Untersuchung betrug der Anteil der in Einelterfamilien aufwachsenden Kinder innerhalb eines Jahrgangs ca. 17%. In Deutschland wuchsen laut Daten des Mikrozensus 1996 ca. 1,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Einelterfamilien (in ca. 85% der Fälle bei den Müttern) auf.

Der Vater als prägender männlicher Partner ist heute über weite Bereiche der frühkindlicben Entwicklung nur wenig präsent. In Kindergärten und Grundschulen sind Kinder überwiegend mit weiblichen Bezugspersonen zusammen. Vielen in ihrem Rollenbild und Selbstverständnis verunsicherten Männern ist darüber hinaus offensichtlich nicht klar, wie wichtig gerade ihre spürbare Gegenwart für eine gesunde Entwicklung ihrer Kinder ist. ....
Aus psychoanalytischer Sicht besitzt demgegenüber die Präsenz und Zuwendung des Vaters für die kindliche Entwicklung und die psychische Gesundheit im späteren Erwachsenenleben eine entscheidende Bedeutung (Schwidder, 1972; Abelin, 1971, 1975; Rotmann, 1978; Burgner, 1985; Tuttman, 1986; Lohr et al., 1989). Der Vater ermöglicht bereits sehr früh die begleitete und notwendige Individuation des Kindes aus der umfassenden Beziehung zur Mutter hinein in eine Welt vielfältig abgestufter Beziehungsmöglichkeiten. Seine positive emotionale Zuwendung fördert außerdem die Entwicklung einer selbstbewußten und stabilen sexuellen Identität des Kindes. Diese Zusammenhänge werden heute zunehmend durch Befunde klinischer und epidemiologischer Untersuchungen anhand großer Untersuchungsstichproben bestätigt. [Auf die Bedeutung des Vaters für die Individuation des Kindes innerhalb der Dreieckbeziehung Kind-Mutter-Vater weist z.B. auch Figdor in "Kinder aus geschiedenen Ehen" eindringlich hin.]

Auf der Basis der Mannheimer Kohortenstudie zur Epidemiologie psychogener Erkrankungen werden nachfolgend Daten zum Zusammenhang zwischen väterlicher Präsenz während der kindlichen Entwicklungsjahre und psychogener Beeinträchtigung im späteren Erwachsenenalter vorgestellt. In der Ergebnisdarstellung heben wir besonders auf die Probanden des Geburtsjahrganges 1935 ab, da der Effekt des fehlenden Vaters in dieser ältesten Jahrgangskohorte unserer Untersuchung vor allem aufgrund der Kriegsereignisse besonders häufig zum Tragen kam und deshalb innerhalb unserer Studie bei diesen Probanden untersuchbar war.

Methodik

Eine Kohortenstudie ist eine empirisch-statistische Untersuchungsmethode bei der eine Gruppe von Menschen (eine Kohorte) mit einem gemeinsamen statistischen Merkmal (hier Vaterabwesenheit) über einen meist längeren Zeitraum (hier 11 Jahre) beobachtet wird, hier zur Epidemiologie (d.h. Häufigkeit und Verteilung) psychogener Erkrankungen innerhalb der Bevölkerung:
Innerhalb der Mannheimer Kohortenstudie (Schepank, 1987, 1990; Franz et al., 1994, 1998) wird mit dem Begriff der
psychogenen Erkrankungen die Gruppe der vorwiegend psychosozial beeinflußten Störungen (Psychoneurosen,
Persönlichkeitsstörungen, Belastungsreaktionen, somatoforme Erkrankungen, somato-psychosomatische Erkrankungen) bezeichnet. Die gemeinsame verlaufsbeeinflussende Verwurzelung dieser Störungen in der psychosozialen Biographie des Einzelnen, aber auch die bekannte und ausgeprägte Tendenz zur Verlaufsvariabilität, zum Symptomwandel bzw. zur Komorbidität im Verlauf, rechtfertigt es, diese Krankheitsbilder zur Gesamtgruppe der psychogenen Erkrankungen zusammenzufassen.

Die primäre Untersuchungsstichprobe besteht aus 600 deutschen Erwachsenen der Jahrgänge 1935, 1945 und 1955 (je 100 Männer und Frauen), welche aus der Stadtbevölkerung Mannheims zufällig ausgewählt worden waren. Drei Jahre später konnten 528 (88%) dieser Probanden nachuntersucht werden (t2, Schepank, 1990). ..Zwischen 1991 und 1994 wurde die bislang letzte Folgeuntersuchung des Spontanverlaufes der psychogenen Beeinträchtigung innerhalb der Stichprobe mit 301 Probanden (50,2%) durchgeführt (t3).

Es folgt eine detaillierte, sehr technische Beschreibung der statistischen Methodik und wie die psychische Beeinträchtigung gemessen wurde auf die wir hier nicht eingehen können, sondern auf die Originalarbeit verweisen müssen..
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In einem weiteren Untersuchungsschritt wurde dann speziell eine länger als sechs Monate andauernde Abwesenheit des Vaters während der ersten sechs Lebensjahre - unabhängig von deren Verursachung - als Kriterium einer Gruppenbildung (Vater vorhanden/nicht vorhanden) zugrundegelegt. Der Zusammenhang der frühen Abwesenheit des Vaters mit der im späteren Erwachsenenleben bestehenden psychogenen Beeinträchtigung wurde unter besonderer Berücksichtigung der heute ca. 65jährigen, ältesten Probanden der Mannheimer Stichprobe varianzanalytisch untersucht. Insgesamt 126 (65 Männer, 64 Frauen) Probanden des Geburtsjahrganges 1935 konnten sowohl zu t1 wie auch zu t3 untersucht werden.

                                                                              Ergebnisse.

sind in Form von Grafiken und Tabellen dargestellt. Daraus ergibt sich , dass ein signifikanter statistischer (nicht kausaler) Zusammenhang zwischen Vaterlosigkeit während der prägungssensitiven Entwicklungsjahre und späterer psychogener Beeinträchtigung besteht, wobei Frauen zunächst (t1) wesentlich stärker beeinträchtigt waren

                                                                             Diskussion
Wesentlicher und zentraler Befund der vorgelegten Untersuchung ist der statistisch bedeutsame und im Verlauf sogar noch deutlicher werdende Zusammenhang zwischen Anwesenheit bzw. Fehlen des Vaters in den prägungssensiblen ersten sechs kindlichen Entwicklungsjahren und der im späteren Leben bestehenden psychogenen Beeinträchtigung. Diese Bedeutung des Vaters zeigte sich zunächst in einem verlaufsorientierten Extremgruppenvergleich innerhalb einer epidemiologischen Stichprobe. Sowohl in der Gruppe primär chronisch Erkrankter als auch in der Gruppe zunehmend dekompensierender Probanden fanden sich Hinweise auf eine gestörte oder konflikthafte Vaterbeziehung bzw. ein Fehlen des Vaters in den ersten Lebensjahren. In der Gruppe der primär chronisch schwer beeinträchtigten Probanden (C -) bestand auch ein Zusammenhang mit einer gestörten Mutterbeziehung. Aufgrund der von uns gewählten Dichotomisierung [d.h. Aufspaltung in zwei gegensätzliche Gruppen] der Variable ,,Belastungsfaktoren i.A.v. 0-6" (vorhanden versus nicht vorhanden) waren frühkindliche traumatische Belastungen in der Gruppe C - lediglich trendmäßig häufiger nachweisbar. (Nach der von Lieberz et al. (1998) vorgenommenen Dichotomisierung dieser Variable in extrem versus geringer belastete Probanden befanden sich statistisch signifikant mehr extrem Belastete im Verlaufstyp C-.)
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Wie zu erwarten, bestand der stärkste Zusammenhang jedoch zwischen der psychischen/psychosomatischen Beeinträchtigung zum Zeitpunkt t1 und t3. D.h. ein schlechter Langzeitverlauf wurde durch ein schlechtes Ausgangsniveau maßgeblich prädiziert. ...

Darüber hinaus waren während der Kindheit bestehende psychosoziale Belastungen innerhalb unseres Regressionsmodells statistisch bedeutsam mit der späteren psychischen/psychosomatischen Beeinträchtigung im Erwachsenenalter assoziiert. Dieser Zusammenhang ist auch in anderen Untersuchungen gut belegt (Lieberz u. Schwarz, 1987; Werner, 1989; Pribor et al., 1993; (Craig et al., 1993; Kubicka et al., 1995; Egle u. Nickel, 1998).

Wiederum war speziell das Fehlen des Vaters in den ersten sechs Lebensjahren (> 6 Monate) im Sinne einer Prädiktorvariable der psychogenen Beeinträchtigung statistisch bedeutsam. Auch das relative Risiko, als Fall einer psychogenen Erkrankung klassifiziert zu werden, war für die Probanden, welche in der Frühkindheit nicht über einen Vater verfügten, zu beiden Untersuchungszeitpunkten signifikant erhöht.
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Infolge des zweiten Weltkrieges war in unserer Verlaufsstichprobe (N = 301) bei einem großen Anteil (n=122) der Probanden der Vater in den frühen Entwicklungsjahren abwesend. Es handelt sich hier überwiegend nicht um durch Tod bedingte Abwesenheit. In zwanzig Fällen war der Vater während der ersten sechs Lebensjahre des Probanden verstorben (von den 125 Angehörigen des Jahrganges 1935 betraf dies vier der 73 Probanden, bei welchen der Vater fehlte). Aufgrund dieses tragischen ,,historischen Artefaktes" waren wir überhaupt erst in der Lage, den Effekt des fehlenden Vaters auf die psychogene Beeinträchtigung im Erwachsenenalter aufzufinden.

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Das Fehlen des Vaters in den frühen Entwicklungsjahren stellt per se selbstverständlich keinen direkt monokausal gerichteten Einflußfaktor auf die psychogene Beeinträchtigung im späteren Erwachsenenleben dar (Breier et al., 1988). Unter bestimmten Umständen, beispielsweise im Fall einer sehr konflikthaften Eltembeziehung, kann die Abwesenheit des Vaters sogar von Vorteil für die weitere Entwicklung sein (Tress, 1986). Eine überdurchschnittlich hohe psychogene Beeinträchtigung resultiert letztlich aus dem Zusammenwirken zahlreicher Variablen wie z.B. Persönlichkeitsmerkmalen, sozialer Unterstützung, chronischen Belastungen, erbgenetischen Einflüssen und eben frühkindlichen Belastungen. Eine Trennung vom Vater über einen längeren Zeitraum scheint dann im Sinne einer Risikoerhöhung wirksam zu werden, wenn dieser Verlust im Umfeld des Kindes nicht ausreichend kompensiert werden kann (Reister, 1995).
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Die biographische Reichweite der Abwesenheit des Vaters und seiner fehlenden Unterstützung der Mutter bei dem Versuch, eine sichere Bindung zum Kind herzustellen, wird möglicherweise bis heute unterschätzt und sollte prospektiv in breiter angelegten Untersuchungen in kriegstraumatisierten Populationen oder anderen Risikopopulationen untersucht werden. Eine weitere Untersuchung dieser Zusammenhänge erscheint auch angesichts zunehmender Scheidungsraten und der wachsenden Zahl von Einelterfamilien als wichtig.

Angesichts der hier vorgestellten Befunde zur Bedeutung des Vaters in der Frühkindheit, der großen Häufigkeit und des ungünstigen Spontanverlaufs psychogener Störungen erhält die Tatsache des Anwachsens der Gruppe alleinerziehender Mütter in unserer Gesellschaft eine besondere sozialpolitische Brisanz. Der Sozialstatus alleinerziehender Mütter ist weit unterdurchschnitt lich, ihr Armutsrisiko hoch. Resultate zahlreicher Studien sprechen dafür, daß Kinder Alleinerziehender ein erhöhtes Risiko haben, im späteren Leben - bis ins höhere Lebensalter - an psychischen/psychosomatischen Störungen oder Beziehungsschwierigkeiten zu leiden. Insbesondere bei depressiv erkrankten Personen, Angsterkrankungen oder bei aggressiv-impulsnah agierenden männlichen Jugendlichen und Erwachsenen wurde von verschiedenen Untersuchern ein in den kindlichen Entwicklungsjahren abwesender Vater beschrieben (Santrock, 1972; Matusseh u. May, 1981; Adams et al., 1982; Roy, 1985; Rickel u. Langner, 1985; Hodges et al., 1991; Forsman, 1989; Werner, 1989; Schepank, 1987, 1990; Lieberz, 1990; Bron et al., 1991; Robinson u. Platt, 1993; Butterworth, 1994; Berdondini u. Smith, 1996; Tousignant et al., 1993; Kivela et al,, 1996; Applewhite u. Mays, 1996; Winter et al., 1997).

Für alleinerziehende Mütter ist es schwerer, ihren Kindern zeitlich und emotional zur Verfügung zu stehen. Oft sind sie aufgrund zahlreicher Belastungen selber hilfsbedürftig oder müssen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die soziale Ablehnung und der Verlust sozialer Beziehungen sind wichtige Ursachen psychischer Belastungen und Ängste bei Alleinerziehenden. Es kann angenommen werden, daß Alleinerziehende sich ihren Kindern deshalb häufig nur mit relativ hoher emotionaler Anspannung zuwenden können. In einer in Düsseldorf durchgeführten Untersuchung gaben 21% der befragten Alleinerziehenden an, daß sie Kinder aus einer gescheiterten Partnerbeziehung als eine Belastung in einer neuen Partnerschaft erleben würden (Stadt Düsseldorf, 1989). Eine solche Beziehungskonstellation ist für das Kind sehr wahrscheinlich mit der Erfahrung latenter Ablehnung und daraus resultierenden Entwicklungsrisiken (Matejcek, 1991) verbunden. Die Überforderung des einen und das Fehlen des anderen Elternteils stellen entwicklungstypische Unterstützungs- und Identifikationsbedürfnisse des Kindes systematisch in Frage. Dies bedeutet nicht, daß jede alleinerziehende Mutter, jedes Kind einer Einelternfamihe zwangsläufig psychisch/psychosomatisch erkrankt. Das Erkrankungsrisiko ist in dieser Gruppe jedoch überdurchschnittlich hoch. Die möglichen sozialen und gesundheitspolitischen Konsequenzen dieser Zusammenhänge erscheinen als bedeutsam.

                                                                              Literatur

Es folgt ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis.

Kommentar:
Wir halten die vorliegende Arbeit für wichtig. Dass es, wie im Focus Interview erwähnt, auch politischen Widerstand dagegen gab, unterstreicht dass ein wichtiges, sensibles Thema offen angesprochen wurde. Besonders wichtig ist aber, dass hier quantitativ, d.h. messbar-statistisch untersucht wird, was wir aus einzelnen Fallgeschichten, z.B. Berichten aus dem Gerichtssaal, über eine ,,schwierige Kindheit", Heimaufenthalte, etc., alle kennen. Dieser spezielle Aspekt (erhöhte Kriminalität, mit erschreckenden Statistiken) wird hier nicht behandelt, ausser vermutlich in der Bemerkung (S. 24) über die ,,aggressiv-impulsnah agierenden männlichen Jugendlichen und Erwachsenen" bei denen von verschiedenen Untersuchern ein in den kindlichen Entwicklungsjahren abwesender Vater beschrieben wurde. Dramatisch genug sind aber die hier gemachten quantitativen Feststellungen über ein signifikant erhöhtes Risiko (selbstverständlich nicht eines kausalen, zwingenden Zusammenhangs) psychischer/psychomatischer Störungen wie depressive Erkrankungen, Angsterkrankungen, Beziehungsstörungen und sonstiger psychosozial beeinflußter Beeinträchtigungen, und das noch im späten Erwachsenenalter.

Es ist aber hier wohl auch angebracht auf die Einschränkungen dieser Arbeit hinzuweisen. Obwohl sie sicher, worauf ausdrücklich hingewiesen wird, für das wachsende Problem durch Trennung/Scheidung geschaffener Einelternfamilien relevant ist, untersucht sie nicht speziell diesen Aspekt. Vaterlosigkeit durch Kriegsereignisse, die hier das Auffinden entsprechender Kohorten ermöglichte, bleibt hoffentlich bei uns wenigstens auf Dauer ein tragisches, ,,historisches Artefakt". Dass sich durch zwanghafte längere Abwesenheit oder Todesfall geschaffene Einelternfamilien sehr wesentlich von durch Trennung/Scheidung geschaffenen Einelternfamilien unterscheiden können ist anzunehmen und verdiente eine breiteren Darstellung/Untersuchung. Es macht sicher einen erheblichen Unterschied ob ein Kind zwar unter schwierigsten materiellen Umständen von einer "Trümmerfrau" aufgezogen wurde, die aber ziemlich sicher auch noch versuchte, dem Kind ein positives Vaterbild und eine Beziehung zu dessen verbliebener Verwandschaft zu erhalten, oder ob dem Kind ein extrem negatives Bild des abwesenden (ausgeschlossenen), aber noch existierenden Elternteils vom anwesenden, oft psychopathologisch erheblich beeinträchtigten Elternteil vermittelt wird, oder sich ein Elternteil einfach ,,aus den Staub gemacht" hat. Verschiedene Studien (z.B. Napp-Peters, Wallerstein et al., Johnston & Roseby) weisen darauf hin, dass Langzeitfolgen für die Kinder bei einer derartig konfliktreichen Trennung/Scheidung weit größer sind. Daher ist es wichtig, aus Elternverantwortung, ggfs. durch umfangreiche Beratung/Mediation und einen entsprechenden rechtlichen Rahmen (effektive Umsetzung des schon existierenden Kindschaftsrechts, insbesondere des Anspruchs, auch des Kindes, auf Umgang) dafür zu sorgen, dass den Kindern auch nach einer Trennung/Scheidung eine möglichst konfliktfreie, enge Beziehung zu beiden Eltern erhalten bleibt. Die Notwendigkeit dafür kann man sicher auch sehr überzeugend aus der vorliegenden Arbeit ableiten, obwohl sie nicht speziell die Trennungs/Scheidungssituation untersucht.

Eine andere Einschränkung dieser Arbeit, scheint uns dagegen weniger wesentlich. Es wird zwar Vaterlosigkeit untersucht, aber ohne auf das spezifische einer Vaterlosigkeit (zur Vaterrolle vgl. z B. Olivier) gegenüber einer Mutterabwesenheit einzugehen. Das letztere selbstverständlich genau so erhebliche negative Folgen für das Kind haben kann (Kinder brauchen beide Eltern!), wird zwar mehrmals erwähnt, aber der Bezug auf Vaterlosigkeit ergibt sich schlicht aus der weit größeren Häufigkeit in den untersuchten Kohorten (wie ja auch sehr deutlich bei Trennung/Scheidung).

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