Amtsgericht Korbach, Beschluss vom 16.08.1999 - Az.: 7 F 10/99 SO

(Die Entscheidung ist demnächst zur Veröffentlichung in der FamRZ, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, vorgesehen.)

Nachtrag: 5/2000: veröffentlicht in FamRZ 2000 (10), S. 629-631

In der Familiensache des Herrn A., XY-Straße 1, X.,

- Antragsteller -

g e g e n

Frau B., Z-Straße 1, Z.,

- Antragsgegnerin -

Verfahrensbevollm.: Rechtsanwältin R.

hat das Amtsgericht - Familiengericht - in Korbach durch den Richter am Amtsgericht Gimbernat Jonas am 16.8.1999 beschlossen:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

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Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der folgenden Frage eingeholt:

Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, dass gemäß §§ 1626a, 1672 BGB der Vater eines nichtehelichen Kindes, der mit der Kindesmutter und dem Kind mehrere Jahre in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, nach Trennung der Eltern ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls die gemeinsame elterliche Sorge für sein Kind nicht zugesprochen erhalten kann, solange die Kindesmutter ihre Zustimmung hierzu verweigert?

G r ü n d e

l.

Der am ... 1947 geborene Antragsteller und die am ... 1955 geborene Antragsgegnerin lebten seit 1983 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in X. zusammen. Aus ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist der am ... 1990 geborene Sohn N. hervorgegangen. Die Antragsgegnerin ist Mutter von zwei weiteren Söhnen aus einer früheren Beziehung, nämlich M. (geb. am ... 1977) und 0. (geb. am ... 1981). Am 14.8.1990 erkannte der Antragsteller die Vaterschaft bzgl. seines Sohnes N. an. Bis zum Jahre 1993 lebten der Antragsteller und die Antragsgegnerin in einem Haushalt mit den drei Kindern familienähnlich zusammen. Im Januar 1993 wandte sich die Antragsgegnerin einem anderen Mann zu. Ende April 1993 verließ die Antragsgegnerin zusammen mit ihren zwei älteren Söhnen die gemeinsame Wohnung und zog zu ihrem neuen Lebensgefährten, der ebenfalls in X. wohnte. In den folgenden Monaten versorgte hauptsächlich der Antragsteller den gemeinsamen Sohn N., wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Betreuung des Kindes freiwillig überließ oder ob sie - wie sie behauptet - "aus Angst vor Tätlichkeiten und Angriffen" von Seiten des Antragstellers hierzu gezwungen worden ist. Der Antragsteller, der die Sachlage dahingehend darstellt, dass die Antragsgegnerin zu jener Zeit freiwillig bereit gewesen sei, ihm das Sorgerecht für N. zu überlassen, stellte am 11.5.1993 bei dem Kreisgericht - Vormundschaftsgericht - X. (Aktenzeichen: X 204/93) einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts unter Vorlage einer von der Antragsgegnerin unterzeichneten schriftlichen Erklärung vom 13.4.1993 (Bl. 24 d. A.), in der es heißt:

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Nachdem das Kreisgericht X. den Antragsteller darauf hingewiesen hatte, dass für die Ehelicherklärung gem. §§ 1723, 1726, 1730, 1738 a. F. BGB die Vorlage eines notariell beurkundeten Antrags auf Ehelicherklärung und eine notariell beurkundete Einwilligungserklärung der Antragsgegnerin erforderlich seien und den Antragsteller auf das Beratungsangebot des Jugendamts hingewiesen hatte, nahm der Antragsteller das Beratungsangebot in Anspruch. In dem Bericht des Jugendamtes der Stadt X. vom 21.7.1993 heißt es unter anderem:

Da es in X. seinerzeit nicht möglich war, einen zeitnahen Termin bei einem Notar zu bekommen, vereinbarte der Antragsteller für den 5.10.1993 einen Notartermin. Er zog in der Zwischenzeit zusammen mit N. in eine kleinere Wohnung um. Im August 1993 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller erfolglos auf, ihr N. herauszugeben. Sie beantragte am 25.8.1993 vor dem Kreisgericht - Vormundschaftsgericht - X. (Aktenzeichen: X 355/93) die Herausgabe des Kindes. Mit Schreiben vom 6.9.1993 (Bl. 26 d. A.) wandte sich die Antragsgegnerin schriftlich an den

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Antragsteller und erklärte folgendes:

Das Jugendamt der Stadt X. berichtete daraufhin am 14.9.1993 unter anderem:

In der Zeit vom 4.9.1993 bis 3.10.1993 verbrachte der Antragsteller zusammen mit seinem Sohn einen längeren Urlaub. Nach Rückkehr des Antragstellers aus dem Urlaub einigten sich die Beteiligten dahingehend, dass N. bis zur gerichtlichen Klärung die Antragsgegnerin tagsüber besuchen sollte. Das Kind übernachtete jedoch weiterhin beim Antragsteller und verbrachte mit diesem auch die Wochenenden. Nachdem das Vormundschaftsgericht X. den Antragsteller in dem Anhörungstermin vom 20.12.1993 darauf hingewiesen hatte, dass er das Kind gemäß § 1632 BGB an die allein sorgeberechtigte Antragsgegnerin herauszugeben habe, einigten sich die Beteiligten auf den 24.12.1993 als Übergabetermin, der von dem Antragsteller auch eingehalten wurde. In der Zeit von Dezember 1993 bis Februar 1995 hatte der Antragsteller sodann regelmäßig Umgang mit seinem Sohn N.. Er verbrachte seine gesamten Ferien mit dem Kind. Während eines Krankenhausaufenthalts der Antragsgegnerin im April 1994 überließ diese das Kind dem Antragsteller zur Beaufsichtigung und Pflege (Vollmacht vom 29.4.1994, Bl. 30 d. A.) Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang der Antragsteller darüber hinaus die Wochenenden mit dem Kind verbrachte. Der Antragsteller

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behauptet, er sei beinahe jedes Wochenende mit seinem Sohn zusammen gewesen; die Antragsgegnerin behauptet, dies sei zwar der von dem Antragsteller geäußerte Wunsch gewesen; sie, die Antragsgegnerin, habe jedoch nur Besuche alle 2 Wochen, teilweise auch nur alle 1 bis 2 Monate, zugelassen. Nachdem sich die Antragsgegnerin von ihrem damaligen Lebensgefährten getrennt hatte, zog sie im Februar 1995 zusammen mit ihren Söhnen N. und O. nach Y. um. Ihr Sohn M., der mit der Situation nicht zurecht kam, blieb in X. zurück. Von diesem Zeitpunkt an konnte der Antragsteller seinen Sohn N. nur noch alle 14 Tage an den Wochenenden sehen. Er verbrachte weiterhin seinen gesamten Urlaub mit seinem Sohn. Verbale Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten führten dazu, dass es zeitweise außerhalb des Urlaubs bis zu einen Monat zu keinen Besuchskontakten kam. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 9.4.1997 ( Bl. 33 f. d. A.) ließ die Antragsgegnerin dem Antragsteller folgendes mitteilen:

Hierauf wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 1 7. 4.1997 (Bl. 35 f. d. A.) wie folgt an die Antragsgegnerin:

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Auf dieses Schreiben reagierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.4.1997 (Bl. 37 d. A.), in dem es unter anderem heißt:

Unter Vermittlung des Kreisjugendamtes des Landkreises Z. konnte sodann eine Umgangsregelung getroffen werden. Nachdem die Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und ihrem damaligen Lebenspartner gescheitert war, zog die Antragsgegnerin im Herbst 1997 zu ihrem jetzigen Lebenspartner nach Z. um. Dies hatte zur Folge, dass N. wenige Wochen nach der Einschulung einen Schulwechsel vornehmen mußte. Ab Januar 1998 kam es wieder zum Streit zwischen den Beteiligten über die Besuchsregelung. Die Meinungsverschiedenheiten konnten unter Vermittlung des Kreisjugendamtes Z. im Februar 1998 einvernehmlich beigelegt werden.

Am 3.7.1998 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht - Familiengericht - Korbach (Aktenzeichen: 7 F 370/98 SO -) die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts für seinen Sohn N.. Zugleich bat er um gerichtliche Regelung der Besuchszeiten in den Herbstferien. Im Termin vom 25.11.1998, in dem der Antragsteller, die Antragsgegnerin und auch das Kind N. angehört worden waren, schlossen die Beteiligten hinsichtlich des Umgangs- und Besuchsrechts eine Vereinbarung, wonach der Antragsteller berechtigt ist, das Kind alle 14 Tage an den Wochenenden zu sehen sowie zusätzlich 3 Wochen während der Sommerferien und je 1 Woche während der Oster- und Herbstferien. Die Kindesanhörung hatte ergeben, das N., der sich bei der Antragsgegnerin wohl fühlt und der in sein Umfeld sozial integriert ist, den Antragsteller gerne besucht. N. gab ebenfalls deutlich zu erkennen, dass er nicht nur die gemeinsamen Wochenenden mit seinem Vater,

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sondern auch die Ferienzeiten bei ihm genießt. Nachdem das Gericht den Antragsteller in dem Verfahren 7 F 370/98 SO darauf hingewiesen hatte, dass sein Sorgerechtsantrag nach der derzeitigen Gesetzeslage zurückgewiesen werden müsse, nahm der Antragsteller seinen Sorgerechtsantrag zurück.

Mit Schrittsatz vom 9.12.1998 beantragt der Antragsteller nunmehr erneut die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts für seinen Sohn N.. Der Antragsteller hält die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig und trägt vor, dass er schon immer für den weiteren Lebensweg seines Sohnes habe verantwortlich sein wollen und auch weiterhin an den Höhepunkten des Werdeganges seines Sohnes (Geburtstage, Schule, Lehre usw.) teilhaben wolle.

Der Antragsteller beantragt,

Die Antragsgegnerin beantragt,

Die Antragsgegnerin lehnt eine gemeinsame elterliche Sorge ab und behauptet hierzu, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile dem Wohl des Kindes nicht dienen würde, da eine normale Kommunikation zwischen ihr und dem Antragsteller über Kindesbelange nicht möglich sei.

Das Gericht hat den Antragsteller und die Antragsgegnerin im Termin vom 23.4.1999 erneut persönlich angehört. Anläßlich des Anhörungstermins schlossen die Beteiligten eine weitere Umgangsregelungsvereinbarung. Auf die Frage, auf welchem Gebiet bei einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts wesentliche Meinungsverschiedenheiten zu erwarten wären, teilten sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin mit, dass das Kind zur Zeit nach Auffassung beider Beteiligten bei der Antragsgegnerin leben solle. Hinsichtlich der Schulbildung waren sich die Beteiligten einig, dass es ganz darauf ankomme, wie leistungsfähig das Kind sei; auf eine bestimmte Schullaufbahn wolle man sich noch nicht festlegen. Streitigkeiten hinsichtlich des Umgangs des Kindes mit

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Mitschülern oder Freunden bestehen nach Angaben der Beteiligten ebenso wenig wie Streitigkeiten über vermögensrechtliche Angelegenheiten.

II.

Das Verfahren wird gemäß Artikel 100 l GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 1626 a, 1672 BGB vorgelegt, da das Familiengericht die vorgenannten Vorschriften für verfassungswidrig hält (1) und es vorliegend auf die Gültigkeit dieser Vorschriften ankommt (2).

1. Die Regelung der §§ 1626a, 1672 BGB ist nach Ansicht des Familiengerichts jedenfalls insoweit verfassungswidrig, als dem Vater eines nichtehelichen Kindes ausnahmslos - ohne das es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt - immer dann die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge mit der Kindesmutter verwehrt wird, wenn diese ihre Zustimmung hierzu (aus welchen Gründen auch immer) verweigert. Das Gericht sieht hierin einen Verstoß gegen das Elternrecht des Artikel 6 II 1 GG (a) und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 6 V GG (b).

a) Nach Artikel 6 II 1 GG ist die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind auch Väter nichtehelicher Kinder Träger des Elternrechts, und zwar unabhängig davon, ob die Eltern des nichtehelichen Kindes zusammen leben oder nicht (BVerfGE 92, 158 = FamRZ 1995, 789 [792]). Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit aus, dass Artikel 6 II 1 GG das Elternrecht seinem Wortlaut nach "den Eltern" zuordne, also zwei Personen gemeinsam. Dies spreche für die Auslegung, dass beide leibliche Eltern in den Schutzbereich des Grundrechts einbezogen seien. Zwar sei im parlamentarischen Rat zu Artikel 6 V GG noch die Auffassung vertreten worden, dass dem Vater keine Mitwirkungsrechte bei der Erziehung des nichtehelichen Kindes eingeräumt werden solle; dieses solle vielmehr ungestört bei der Mutter aufwachsen können. Diese Erwägungen könnten jedoch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes eine Beschränkung des Grundrechtes auf die nichteheliche Mutter schon deshalb nicht mehr rechtfertigen, weil heute ein nicht geringer Teil der Väter an der Entwicklung ihrer nichtehelichen Kinder Anteil nimmt. In dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungs-

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gerichtes wird dem Gesetzgeber sodann die Befugnis zuerkannt, bei der Ausgestaltung der konkreten Rechte und Pflichten beider Elternteile den unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Danach schließe die Einbeziehung aller Väter nichtehelicher Kinder in den Schutzbereich der Grundrechtsnorm eine differenzierende Ausgestaltung ihrer Rechtsstellung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse nicht aus. Insbesondere könne der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für die Erziehung zuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternbefugnisse fehlten (BVerfG, FamRZ 1995, 789, 792).

Mit dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997, dass unter anderem zur Einführung des § 1626 a BGB und zur Neufassung des § 1672 BGB führte, verfolgte der Gesetzgeber unter anderem das Ziel, die Rechte der Kinder zu verbessern und das Kindeswohl auf bestmögliche Art und Weise zu fördern sowie rechtliche Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern so weit wie möglich abzubauen (vgl. BT-Drucksache 13/4889, Seite 29, zitiert nach Greßmann, Neues Kindschaftsrecht, Bielefeld 1998, Rndr. 3). Das neue Kindschaftsrecht schafft nunmehr die Möglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eitern. Die gemeinsame elterliche Sorge steht den nicht miteinander verheirateten Eltern jedoch nicht automatisch mit der Geburt des Kindes zu. Diese Einschränkung baut auf der Erfahrung auf, dass jedenfalls derzeit in den meisten Fällen bei unverheirateten Eltern das für die gemeinsame Sorge erforderliche Mindestmass an Übereinstimmung nicht gesichert erscheint, so lange die Eltern hierzu keine Erklärungen abgeben. Die elterliche Sorge steht den Eltern erst dann gemeinsam zu, wenn diese erklären, dass sie die Sorge gemeinsam ausüben wollen oder einander heiraten, § 1626 a l BGB. Durch das Erfordernis der Sorgeerklärungen wird sichergestellt, dass die gemeinsame Sorge nicht gegen den Willen eines Elternteils eintreten kann. Nach der neuen Regelung ist die Stellung der Mutter ausnahmslos nach wie vor sehr stark. Wenn sie es nicht will, wird der Vater grundsätzlich nicht an der elterlichen Sorge für das Kind beteiligt. Der Vater kann gegen den Willen der Mutter nur dann Inhaber der elterlichen Sorge werden, wenn ihr vorher die Sorge entzogen worden ist (§ 1680 III BGB). Wegen der hohen Schwelle für einen Eingriff nach § 1666 BGB wird dies nur selten der Fall sein. Ansonsten verbleibt es bei der besseren sorgerechtlichen Stellung der Mutter (vgl. BT-Drucksache 13/4899, Seite 59, zitiert nach Greßmann, a. a. O., Rndr. 184). Im Gesetz ist nicht vorgesehen, dass die fehlende Zustimmung der Mutter durch das Familiengericht unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden kann. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass nichteheliche Kinder nicht nur in intakte nichteheliche Lebensgemeinschaften hineingeboren werden, sondern nach wie vor auch im Rahmen flüchtiger und instabiler Beziehungen gezeugt werden.

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Nach Ansicht des Familiengerichts ist für die Ausnahmslosigkeit dieser Regelung ein rechtfertigender Grund nicht gegeben.

In der Literatur wird zwar verbreitet die Ansicht vertreten, dass die Reform einen "tragfähigen Kompromiß" gefunden habe (von Luxburg, Das Neue Kindschaftsrecht, München, Berlin 1998, Rndr. 46), durch den "Kind und Mutter davor geschützt [werden], daß der Vater gegen den Willen der Mutter die volle Entscheidungsbefugnis erhält". Zustimmend zur gesetzlichen Neuregelung hat sich Baer, DAVorm 1996, 855 (859) geäußert. Baer halt die - rechtsvergleichend betrachtet - relativ schwache Ausgestaltung der Rechte des nichtehelichen Vaters für angemessen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach wie vor eine erhebliche Anzahl von nichtehelichen Kindern in eine Situation hereingeboren werden, in der die Eltern nicht in einer länger währenden Lebensgemeinschaft miteinander verbunden sind, so dass ein gemeinsames Sorgerecht mit erheblichen Konflikten belastet sein könnte.

Andere Stimmen in der Literatur wiederum haften es - ohne die Neuregelung für verfassungswidrig zu halten - de lege ferenda für wünschenswert, die Möglichkeit einer Übertragung des Sorgerechts auf den Vater auf dessen Antrag vorzusehen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht (Dethloff, NJW 1992, 2200 [2201]) und notfalls eine Ersetzungsmöglichkeit für die mangelnde Zustimmung der Mutter vorzusehen (Greßmann, a.a.O., Rndnr. 185).

Auf der anderen Seite finden sich in der Literatur Stimmen, welche die Neuregelung für verfassungswidrig haften. Soweit ersichtlich, hat als erster Coester (FamRZ 1995, 1245 [1247 f.]) verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Coester kritisiert das Fehlen einer einzelfallbezogenen Korrekturmöglichkeit und vertritt die Ansicht, daß trotz der von dem Bundesverfassungsgericht betonten Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers das Elternrecht des Vaters im Kindschaftsreformgesetz unverhältnismäßig zurückgesetzt worden sei. Sowohl das väterliche Elternrecht als auch die Kindesinteressen gebieten nach Ansicht Coesters eine Übertragungsmöglichkeit auf den Vater unterhalb der Schwelle des § 1666 BGB. An dieser Auffassung hat Coester zu einem späteren Zeitpunkt festgehalten (FamRZ 1996, 1181 [1184]). Auch die Sorgerechtskommission des Deutschen Familiengerichtstages hat in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf des Kindschaftsreformgesetzes verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von dem Gesetz gewordenen Entwurf eingeräumten "geringen Chancen [nichtehelicher Väter] auf Erlangung der Alleinsorge" geltend gemacht (FamRZ 1997, 337 [340]). Diederichsen (NJW 1998, 1977 [1983]) bezweifelt, ob die amtlichen Begründungen des Gesetzentwurfes "zur Rechtfertigung der eklatanten Zurücksetzung von Vätern vor den Anforderungen der Artikel 3 und 6 GG

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genügen, zumal in einer Zeit, in der immer öfter die Frauen die Eheschließung oder die gemeinsame Sorge verweigern" (ebenso kritisch in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 58. Auflage München 1999, § 1626 a Rndr. 13 und § 1672 Rndrn. 3, 9). Verfassungsrechtliche Bedenken sind ebenfalls von Willutzki (Rechtspfleger 1997, 336, [337]) und von Lipp, (FamRZ 1998., 65 [70]) erhoben worden.

Nach Ansicht des Familiengerichts verstößt die geltende Regelung gegen Artikel 6 II 1 GG, da sie das Elternrecht des Vaters auf Pflege und Erziehung seines leiblichen Kindes ausnahmslos zur Disposition der Mutter stellt. Diese schematische, dem Einzelfall nicht gerecht werdende Lösung stellt jedenfalls dann einen nicht gerechtfertigten Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position dar, wenn der Vater aufgrund seines Zusammenlebens mit dem Kind über einen längeren Zeitraum eine faktische Elternstellung eingenommen und auch später die Beziehung zum Kind aufrecht erhalten hat. Daß sich die Ausgangslage, die dem in den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 7.3.1995 (BVerfGE 92, 158 ff.) zitierten Votum des parlamentarischen Rates zugrunde lag, inzwischen wesentlich geändert hat, ist heute wohl unstreitig (vgl. Seibert, FamRZ 1995, 1457 [1459]). Nach neueren Erhebungen kann davon ausgegangen werden, dass zwischen 20 und 50% der nicht miteinander verheirateter Eltern im Zeitpunkt der Geburt des Kindes zusammenleben (vgl. die Angaben in BT-Drucksache 12/7011, Seite 22 sowie bei Schwenzer, Gutachten zum 59. DJT 1992, A 12, beides zitiert nach Seibert, a.a.O., dort Fußnote 20). Das Familiengericht ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7.3.1995 (BVerfGE 92, 158 ff.) niedergelegt hat (betreffend die Frage der Adoption, die jedoch allgemeine Gültigkeit haben dürften), nicht nachgekommen ist. Die Rechtsstellung der nichtehelichen Väter ist nicht in ausreichendem Maße einer differenzierenden Ausgestaltung unter Berücksichtigung der "unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse" zugeführt worden. Das Elternrecht des Vaters, der sich kontinuierlich um sein nichteheliches Kind kümmert und eine enge Beziehung zu seinem Kind aufbaut und aufrecht erhält, genießt auch nach der Neuregelung nicht den gleichen Rang wie das Elternrecht des Vaters eines ehelichen Kindes nach der Trennung von der Mutter. Diese Differenzierung kann nicht damit erklärt werden, dass nichteheliche Kinder häufig in labile Beziehungen hineingeboren werden. Diesem Umstand wird bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass das Sorgerecht grundsätzlich allein bei der Mutter liegt und nicht, wie bei ehelichen Kindern, automatisch gemeinsam beiden Eltern kraft Gesetzes zukommt. Der Problematik, dass nichteheliche Kinder häufig in "labile" Beziehungen hineingeboren werden, kann durch ein weniger eingreifendes Mittel als durch die generelle Anordnung eines vom Willen der Mutter bestimmten Dispositionsrechts begegnet werden, nämlich durch eine entsprechende generelle Anordnung verbunden mit einer am Maßstab des Kindeswohls orientierten

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gerichtlichen Ersetzungsmöglichkeit der fehlenden Zustimmung der Mutter. Die gesetzliche Neuregelung verstößt daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wonach der Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position und der mit dem Eingriff verfolgte Zweck in einem abgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Maßstab "Kindeswohl" zu unbestimmt sei (so wohl Bosch, FamRZ 1991, 1121 (1126]). Der Begriff des Kindeswohles, wie er von dem Gesetz auch in anderen Vorschritten, z. B. in § 1671 BGB, verwandt wird, ist in Rechtsprechung und Literatur inzwischen ausreichend konkretisiert worden.

b) Die Regelung der §§ 1626 a, 1672 BGB verstößt nach Ansicht des Familiengerichts auch gegen Artikel 6 V GG. Gemäß Artikel 6 V GG sind den nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. Der Reformgesetzgeber, der die gemeinsame elterliche Sorge nach Scheidung der Eltern nunmehr als Regelfall ausgestaltet hat, sieht vom Prinzip her - mit guten Gründen - die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge durch beide Elternteile als vom Kindeswohl her geboten. Nach Auffassung von Coester (FamRZ 1995, 1245 [1246]), der sich das Familiengericht anschließt, erwächst dem Kind aus der Existenz zweier lebender Elternteile die Chance zweier innerfamiliärer Plazierungsalternativen. Werden dem nichtehelichen Kind nicht zwei rechtlich grundsätzlich vollwertige Elternteile zuerkannt, sind seine Lebenschancen empfindlich gemindert und seine Rechte aus Artikel 6 V GG tangiert. Zwar kann auch im Hinblick auf Artikel 6 V GG eine schematische Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles nicht erfolgen; vielmehr ist mit Rücksicht auf die unterschiedliche soziale Lage eine Differenzierung ebenso erforderlich, wie sie auch im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Artikel 6 II 1 GG vorgenommen worden ist. Wenn jedoch dem Wunsch der Mutter eines nichtehelichen Kindes, die elterliche Sorge alleine auszuüben, von vornherein einseitig der Vorrang gegeben wird, ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, so liegt darin auch eine erhebliche Schlechterstellung des nichtehelichen Kindes im Verhältnis zum ehelichen Kind, die im Lichte des Artikel 6 V GG nicht zu rechtfertigen ist. Es gibt jedenfalls dann keinen sachlichen Grund dafür, pauschal für den Fall, dass die Kindesmutter mit einer gemeinsamen elterlichen Sorge nicht einverstanden ist, die Rechtsbeziehung des Kindes zu seinem nichtehelichen Vater anders zu gestalten als die Rechtsbeziehung eines ehelichen Kindes in vergleichbarer Lage zu seinem ehelichen Vater, wenn die Kind-Vater Beziehung von gleicher Qualität ist.

2. Die Frage, ob §§ 1626 a, 1672 BGB verfassungswidrig sind, ist vorliegend auch

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entscheidungserheblich. Das Gericht sieht sich mangels Zustimmung der Antragsgegnerin daran gehindert, dem Antragsteller die gemeinsame elterliche Sorge für seinen Sohn N. zuzusprechen. Ohne Zustimmungserfordernis der Antragsgegnerin wäre dem Antrag des Antragstellers stattzugeben, da die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohle des Kindes, wie die Anhörungen der Beteiligten und des Kindes ergeben haben, am besten entspricht. N. hat eine starke gefühlsmäßige Bindung zu beiden Elternteilen. Zu Hause in der gewohnten Umgebung bei der Antragsgegnerin fühlt er sich wohl. Auf der anderen Seite freut er sich auch stets auf die Besuchswochenenden und auf den gemeinsamen Urlaub mit dem Antragsteller. Der Kontakt zwischen dem Kind und dem Antragsteller ist in der Vergangenheit nie abgebrochen; zur Zeit wird das Umgangsrecht regelmäßig ausgeübt. Gefördert wird das Kind von beiden Beteiligten gleichermaßen, wobei auf Seiten des Antragstellers zu berücksichtigen ist, dass er N. an den Wochenenden und im Urlaub ein umfassendes Freizeitangebot bietet, so dass das Förderungsprinzip für ein gemeinsames Sorgerecht streitet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein wichtiges Kriterium für den Förderungswillen eines Elternteiles seine Bindungstoleranz darstellt, nämlich die Bereitschaft den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu unterstützen. Insoweit hat die Antragsgegnerin in der Vergangenheit gewisse Defizite erkennen lassen, so dass es wichtig erscheint, die elterliche Sorge beiden Elternteilen zuzusprechen. Der Kontinuitätsgrundsatz spricht nicht für die Beibehaltung der alleinigen elterlichen Sorge, da sich die Beteiligten mittlerweile darüber einig sind, dass das Kind bei der Antragsgegnerin leben soll. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin erscheinen dem Gericht von ihrer Persönlichkeit her grundsätzlich gleichermaßen geeignet, die Erziehung und Betreuung ihres Sohnes wahrzunehmen. Der Antragsteller hat sich seit der Geburt des Kindes zusammen mit der Antragsgegnerin und in der Zeit von April 1993 bis Dezember 1993 alleine um die Erziehung und Versorgung des Kindes gekümmert. Der Bevollmächtigung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 29.4.1994 kann entnommen werden, dass auch die Antragsgegnerin den Antragsteller grundsätzlich für erziehungsgeeignet hält. Dass in der Vergangenheit die Besuchskontakte teilweise nur eingeschränkt durchgeführt wurden, wobei erhebliche zeitliche Lücken nicht aufgetreten sind, war auf Auseinandersetzungen der Beteiligten untereinander und auf die Bemühungen der Antragsgegnerin zurückzuführen, einen noch intensiveren Kontakt des Kindes mit seinem Vater zu unterbinden. Hinweise auf ein Desinteresse des Antragstellers an seinem Sohn gibt es nicht; der Antragsteller war vielmehr stets um eine noch engere Beziehung zu seinem Sohn bemüht. Zwischen den Beteiligten kommt es auch nicht zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten in Angelegenheiten, die das Kind betreffen, was gegen eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge sprechen würde. Sie sind sich darüber einig, dass das Kind bei der Antragsgegnerin bleiben soll. Es ist auch glaubhaft, dass der Antragsteller hiermit einverstanden ist, hat er doch durch sein Verhalten in der

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Vergangenheit gezeigt, dass er eigene Interesse zugunsten des Kindeswohls zurückstellt. Daher bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass es bei einem gemeinsamen Sorgerecht zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten über den Aufenthalt des Kindes kommen wird. Im übrigen könnten die Beteiligten bei künftigen Streitigkeiten das Familiengericht anrufen,. § 1628 BGB. Das Familiengericht ist darüber hinaus davon überzeugt, dass es dem Kindeswohl dient, wenn die im Rahmen des weiteren Werdegangs zu treffenden Entscheidung - z.B. betreffend den Schulbesuch - von beiden Elternteilen verantwortlich getragen werden. Dem Kind kann so die erforderliche Orientierung gegeben werden. Gerade mit zunehmenden Alter des Kindes sind die im Bereich der Personensorge zu treffenden Entscheidungen von so erheblicher, lebensbestimmender Tragweite, dass seine Interessen häufig nur dann optimal gewahrt sind, wenn sowohl die Mutter als auch der Vater in ihrer Funktion als Eltern zusammenwirken. Da die Beteiligten insoweit keine voneinander abweichenden Vorstellungen haben, sind Streitigkeiten, die möglicherweise auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden könnten, aus heutiger Sicht nicht zu erwarten.

(Gimbernat Jonas)
Richter am Amtsgericht