Schluß mit dem Sonntagspapa!

Im Zeltlager lernen sich Kinder und Väter neu kennen/ Initiative geht oftmals von den Müttern aus

,,Gern denke ich an das Zeltlager zurück, und auch unsere Kinder Sarah und Dominik waren begeistert. Ich selbst war anfangs ziemlich skeptisch, wie diese Woche ohne Mama verlaufen würde. Aber es klappte alles so gut, daß ich mir nächstes Jahr wieder so ein Zeltlager vor­stellen kann“, schreibt Jürgen Sch. in einem Brief.

Väter alleine mit ihren Kin­dern in einem Zeltlager, daß ist eine Mischung aus eigenen Kindheitserlebnissen der Er­wachsenen und dazu gehören natürlich Lagerfeuerromantik und Dämme bauen im Bach. Andererseits ist es ein prakti­kabler Weg, seine Rolle als Vater, die eigenen Fähigkeiten und die seiner Kinder zu ent­decken.

Mittlerweile gibt es das Zeltlager-Angebot in der Di­özese Freiburg im dritten Jahr mit steigender Teilnehmerzahl. Pastoralreferent Hermann Rütermann übernahm die Organisation. Als Vater von vier Kindern akzeptierten ihn die anderen Väter als einen unter sich, nicht als den ,,Mann von der Kirche“ und sorgen damit in einem wichti­gen Punkt für eine gute At­mosphäre. Was zunächst in der eigenen Gemeinde ange­boten werden sollte, fand schließlich Resonanz in einem Gebiet von Mannheim im Norden bis Freiburg im Sü­den. Das ist durchaus keine Einzelerscheinung. Ein evan­gelischer Pfarrer im bayeri­schen Feldkirchen erlebte ver­gleichbares.

Erstaunlicherweise ging bei den Anmeldungen die Initiati­ve oft von den Müttern aus. Immerhin sprang für sie dabei eine ,,kindfreie“ Woche her­aus. Gleichzeitig hielten sie nicht hinter dem Berg mit Warnungen, was im Wald und am Wasser mit einem Erdloch als Toilette alles mit ihren Sprößlingen passieren könnte. Einige wollen sogar mitfah­ren, weil aus irgendwelchen Gründen der Vater ihrer Kin­der auf Dienstreise ist. Sicher gab es auch Eifersucht, weil sie ganz plötzlich eine Woche lang nicht gebraucht wurden.

Die Sorge der Mütter zu Hause war am Ende unbe­gründet: ,,Der einzige Verletz­te war ein Vater“, berichtete Rütermann schmunzelnd. Durch die komfortlose Situa­tion erlebten die Kinder ihre Väter beim Kochen, bei der Wasserwache am Fluß, beim Geschirrspülen und hatten sie ganz für sich alleine beim abendlichen Einschlafritual.

Das ist in den gemeinsamen Ferien, an Wochenenden und bei geregelter Arbeitszeit doch auch möglich, mögen Skeptiker sagen. Durch die immer noch weit verbreitete Rollenverteilung - hier die Mutter für die Versorgung der Kinder, selbst wenn sie er­werbstätig ist, dort das berufliche und ehrenamtliche En­gagement des Vaters außer­halb der Familie, erleben die Kinder Vater und Mutter un­terschiedlich. Immerhin gibt es offensichtlich genug Väter, die sich mit einem schlechten Gewissen plagen, die tariflich gewährte Freizeit nicht nur als Familienzeit zu nutzen.

Zeit für Zuwendung ist eben nicht mit Freizeit gleichzuset­zen. Sie werden zu Wochenend­- oder Drei-Minuten-Vätern wie es Dieter Schnack und Rainer Neutzling in ihrer überspitzten Vätertypisierung (Rororo-Taschenbuch, Kleine Helden in Not) formulieren. Dann ist selbst in den Ferien für den Trost kleiner Weh­wehchen die Mama zuständig, sie versorgt die Kinder. Der Vater fühlt sich als Gast in der eigenen Familie. Im Zeltlager war es nicht möglich, sich wie am Wochenende nur von seiner besten Seite zu zei­gen, bei Reglementierungen großzügig zu sein (die anson­sten die Mütter wochentags wieder ,,geradebiegen“ müs­sen). Die Kinder stellen fest, daß es Dinge gibt. die der Mutter wichtiger sind als dem Vater, zum Beispiel die Klei­dung. Rütermann: ,,Ich bringe immer durcheinander, wem was gehört.“ Das ist ein Punkt, den die Männer bei ih­ren abendlichen Gesprächen aufgreifen: Den Unterschied von Männern und Frauen im Verhalten und in der Sprache akzeptieren, denn die Kinder kommen sehr wohl damit zu­recht.


Die Runde am Lagerfeuer oder im Gemeinschaftszelt spricht weniger über die Ar­beitswelt, die sie sonst im Griff hat - sonst wären sie hier nicht dabei. Einer ist Fensterputzer, ein anderer Ge­schäftsmann, Chemiker, ein anderer arbeitet in einer Rathausverwaltung in gehobener Position, ein weiterer hat sich bewußt für eine Teilzeitrege­lung zusammen mit seiner Frau entschieden, die Gruppe ist international. Ihre Kinder, die um diese Zeit im Schlafsack schlummern, sind zwei bis dreizehn Jahre.


Überraschungen gab es, als die Kinder in Farm von Bil­dern und Bastelarbeiten umsetzen sollten, wie sie sich ih­ren Papa wünschen. Einige Väter haben sich dabei nicht wiedergefunden. Wieder ein Anstoß das Verhältnis zu sei­nem Kind, zu seinem eigenen Vater und zur Partnerin zu überdenken! Das vertiefende Gespräch mit einem mitrei­senden Ehe- und Partner­schaftsberater wurde nur von einem Viertel der Väter in Anspruch genommen. Dieses spezielle Angebot in Form von regelmäßigen Abendge­sprächskreisen und Wochen­endkursen entwickelte der engagierte Theologe Rütermann in Zusammenarbeit mit der katholischen Familienberatungsstelle. Die Zusammensetzung der Teilnehmer zeigt:

Es ist ein Bedarf vorhanden, der allerdings so vielfältig ist wie die unterschiedlichen Ansprüche der Väter an sich selbst oder von Dritten: Der Vater im Zwiespalt in seiner Rolle als Familienernährer, Vater und Partner, als der Stiefvater, als der Vater, der getrennt von seinen Kindern lebt.


Väter; die ihre Freizeit be­wußt als Zuwendung zu ihrer Familie einsetzen, merken bald: Familie bringt auch Lust, ermuntert dazu, sich im Betrieb für eine Anerkennung der Familienarbeit einzuset­zen. (Jenny Bernack)

Aus: Recklinghausener Nachrichten - Wochenend-Journal 26.April 1997