INFORMATION
Väter für Kinder e.V.
Postfach 380 268, 80615 München
Übersetzung von Family Wars -The Alienation of Children by Peggie Ward, Ph.D. and J. Campbell Harvey, J.D.*
Der Aufsatz behandelt eine bei Trennung/Scheidung häufig auftretende Gruppe von Erscheinungen, die meist unter dem von R. Gardner eingeführten Namen ,,Parental Alienation Syndrome" (PAS) zusammengefaßt wird. Dieser Name (zur Entstehung vgl. Kap. III des Buches von Gardner, 1992*** ) hat schon manche nutzlose Kontroversen darüber ausgelöst, ob es sich tatsächlich um ein empirisch bestätigtes Syndrom im medizinischen Sinne, d.h. den Komplex von Symptomen einer bestimmten Krankheit handelt (vgl. dazu Definition des Parental Alienation Syndroms und Symptomliste). Statt dessen beschreibt der hier gewählte Titel schon recht gut einen Vorgang, der zwar vielfältige Formen annehmen kann, aber in den Grundzügen doch stets erschreckend ähnlich abläuft. Er hat viele Ähnlichkeiten mit einem Krieg, besonders mit einem Bürgerkrieg, weil die kriegsführenden Parteien, die Eltern, einst vereint waren, und die Zivilbevölkerung, die Kinder, sich zunächst immer noch beiden Parteien, bis auf ganz normale Ambivalenzen, gleich verbunden fühlt.
Zumindest eine der Parteien, der "entfremdende Elternteil", versucht dann bewußt oder unbewußt, durch subtile Methoden, aber auch durch den Einsatz verschiedener "Waffen", bis hin zu Falschanschuldigungen von häuslicher Gewalt und sexuellem Kindesmißbrauch, die Kinder der anderen Partei, dem "Zielelternteil", abspenstig zu machen. Obwohl vielleicht beide Parteien das versuchen, liegen die strategischen Vorteile meist ganz auf einer Seite, bei dem sorgeberechtigten Elternteil. Der andere Elternteil und die Kinder verlieren in Folge dieser Entwicklung oft sogar jeden Kontakt zueinander. Dies geschieht nicht nur durch aktive Umgangsvereitelung, sondern ist bei PAS das Resultat einer durch stetige Beeinflussung (Gehirnwäsche) in Gang gesetzten eigenen Psychodynamik der Kinder. Voll entfremdete Kinder empfinden, vermeintlich auf Grund eigener Erkenntnisse, nur noch negative Gefühle für den Zielelternteil und entwickeln eine singuläre Beziehung zum entfremdenden Elternteil, auf dessen Zuwendung sie ja dann sogar vermehrt angewiesen sind, und von dem sie meist noch in vielfacher Weise zusätzlich abhängig sind. Die Kinder können auf diese Weise sogar beider Eltern beraubt werden.
Die Parallelen mit einem Krieg gehen aber noch weiter. Nicht nur, daß die unschuldige Zivilbevölkerung, die Kinder, darunter erheblich leidet, sondern die kriegsführenden Parteien verlieren bald jede Perspektive und sind selten in der Lage den Krieg von sich aus, vor der totalen Katastrophe, zu beenden und ihr Verhältnis neu zu ordnen. Dazu kommt, daß der Krieg durch verschiedene parteiische "Helfer" oft noch angeheizt wird. Neutrale Schlichter sind dann meist erforderlich um den Kriegszustand zu beenden.
Wirkliche Hilfe kann nur auf Grund eines guten Verständnisses des Familiensystems und einer engen Zusammenarbeit von Eltern, Therapeuten, Anwälten und Gericht erfolgen. Die Intervention sollte möglichst frühzeitig, im noch milden Stadium der Entfremdung einsetzen. Das ist der eigentliche Kernpunkt des Aufsatzes, der aus der praktischen Erfahrung heraus in recht pragmatischer Weise diese meist nötige Intervention beschreibt.
Zunächst wird man mit den Motiven für die Entfremdung bekannt gemacht. Dann folgt eine detaillierte Beschreibung, an Hand derer man die verschiedenen Stadien der Entfremdung rechtzeitig erkennen kann. Die Interventionsmaßnahmen müssen an diese Stadien angepaßt sein. Ein entsprechender gesetzlicher Rahmen, der in den USA größtenteils existiert, ist ebenfalls erforderlich, besonders um den Maßnahmen über eine Freiwilligkeit hinaus Nachdruck zu verleihen, da ja vor allem seitens des entfremdenden Elternteils kaum Einsicht über den dem Kind zugefügten Schaden oder die Notwendigkeit einer Therapie besteht. So wird in den meisten Staaten der USA Beratung und Mediation nicht nur angeboten, sondern ist überwiegend sogar Pflicht, wenn minderjährige Kinder in einer Trennung/Scheidung involviert sind, als Voraussetzung eines Scheidungsdekrets, oder einer Regelung von strittigen Sorge-/Umgangsrechtsfragen. Es werden Kurse angeboten, oft schon unter expliziter Einbeziehung von PAS, die den Eltern helfen sollen, die Folgen des Scheidungsprozesses auf die Kinder besser zu verstehen. Solche Kurse, ja sogar Therapie, können auch bei massiver Umgangsvereitelung und Eltern-Kind-Entfremdung vorgeschrieben werden.
Die Autorinnen weisen darauf hin, daß Einzeltherapie bestenfalls als ergänzende Maßnahme hilfreich ist, sonst aber den Konflikt sogar verstärken kann. Vielmehr ist eine gemeinsame Therapie aller Familienmitglieder erforderlich, auch wenn es zunächst schwierig ist, diese an einen Tisch zu bringen. Auf jedem Fall muß der Therapeut Familiensysteme, PAS, und daß Kinder beide Eltern brauchen, klar verstehen. Die wichtige Rolle eines Anwalts des Kindes (guardian ad litem) und des Gerichts wird ausführlich beschrieben. Besonders beeindruckend ist die Beschreibung der Verhaltensregeln für Anwälte in Familienangelegenheiten und speziell in PAS Fällen. Es wird eindringlich darauf hingewiesen, daß jede Eskalation nicht nur kurzfristig schadet, sondern Eltern und Kindern mit der dadurch ausgelösten Verbitterung und anderen Folgen leben müssen, lange nachdem die Anwälte gegangen sind.
Das letzte Kapitel beschreibt in sehr prägnanter Weise den Einsatz von"Waffen", das sind verschiedene falsche Anschuldigungen gegenüber dem Zielelternteil, die ihrer Natur nach die Ermittlungen auf diesen verlagern und den Umgang wegen der potentiellen Gefährdung des Kindeswohls auszuschließen vermögen. Dabei spielen Anschuldigungen von sexuellem Kindesmißbrauch und jetzt zunehmend von häuslicher Gewalt eine besondere Rolle. Sie müssen auch bei hochstrittigen Verfahren ernst genommen und sofort geklärt werden. Sexualität löst besonders leicht intensive Gefühle, Angst und Panik aus. Es wird aber auch beschrieben, wie leicht man durch Falschanschuldigungen von häuslicher Gewalt einen erheblichen "taktischen Vorteil" erlangen kann, z.B. die (vorläufige) Zuerkennung des alleinigen Sorgerechts, meist ohne Anhörung des/der Beschuldigten und Überprüfung der Anschuldigungen.
Die Androhung des Wegzugs, oder eine tatsächliche "Flucht", ist eine Waffe die zugleich ein deutliches Warnzeichen ist, daß der entfremdende Elternteil vor nichts Halt machen wird, um eine exklusive Beziehung mit dem Kind zu erzielen.
Die Schlußfolgerungen weisen noch einmal sehr eindringlich auf die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von Richtern, Anwälten und Therapeuten hin.
__________
* Ph.D.: philosophiae doctor = Dr.phil; J.D.: juris doctor = Dr.jur.
** Wir bedanken uns für die Erlaubnis zum Abdruck.
*** Eine Neuauflage ist im April 1998 erschienen.
Vorbemerkungen von Prof. Dr. W. Klenner und Gliederung des Aufsatzes
Den VfK Mitgliedern konnte auf Grund von Förderbeiträgen ein Sonderdruck zugesandt werden.