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Väter für Kinder e.V.
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"§ 1705 Satz 1 BGB verstößt dadurch, daß er die elterliche Sorge für nichteheliche Kinder allein der Mutter zuweist, auch dann gegen die Art. 6 II 1, Art. 6 V und Art. III 2 Grundgesetz, wenn Vater und Mutter nicht mehr in Lebensgemeinschaft mit ihrem Kind zusammenleben, beide aber dennoch bereit und in der Lage sind, gemeinsam die elterliche Sorge und Verantwortung zu übernehmen, und dies dem Kindeswohl entspricht."
Die Eltern hatten nach der Geburt ihrer Tochter 1982 nur kurzfristig zusammengelebt. Sie trennten sich und stritten um das Umgangsrecht des Vaters mit seiner Tochter. 1989 versöhnten sich die Eltern hinsichtlich ihres Kindes, lebten zwar weiterhin getrennt, übten aber seitdem tatsächlich die elterliche Verantwortung gemeinsam aus, soweit das ohne rechtliche Kompetenz des Vaters möglich war.
Zukünftig wollten die Eltern auch rechtlich die volle Verantwortung für ihre Tochter übernehmen, um den Erziehungsanforderungen für die 14jährige in der schwierigen Ablösungsphase gerecht werden zu können. Sie beantragten im Oktober 1995 die Zuerkennung der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Diesem Antrag wurde mit Beschluß vom 18.3.1996 im Wege einer einstweiligen Regelung stattgegeben. Das Gericht verwies dabei unter anderem auf die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Gesetzgeber Regelungen zu schaffen hat, welche eine gemeinsame Sorge auch nicht miteinander verheirateter Eltern zulassen. Es rechnete daher mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 1705 BGB und sah es für die Eltern als unzumunbar an, weiter abzuwarten. Das Kindeswohl erfordere jetzt ein gemeinsames Sorgerecht und nicht in einigen Jahren. Daher entschied das Gericht für eine vorläufige Regelung und legte das Hauptsacheverfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.
In seiner Begründung führt das Vormundschaftsgericht viele Gründe zur Verfassungswidrigkeit des § 1705 BGB an. Dazu gehört das Gebot der völkerrechtskonformen Auslegung der Grundrechte. In einem Leitsatz erinnert das Gericht an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der 1994 festgestellt hat, daß ein Kind, das einer nichtehelichen Verbindung entstammt, vom Moment seiner Geburt an Teil dieser Familie ist, selbst wenn die Eltern nicht zusammenleben oder ihre Beziehung beendet ist.
Das Vorgehen des Vormundschaftsgerichts erscheint im Licht eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 19.7.1996 (veröffentlicht in Der Amtsvormund, Juli 1997, 629-631), bei dem es um ein Sorgerechtsverfahren nichtehelicher Eltern ging, als korrekt. Dieses entschied, daß die Fachgerichte auch für den Fall, daß sie eine für die Hauptsacheentscheidung erhebliche Regelung - hier die des § 1705 BGB - für verfassungswidrig erachten, an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht dadurch gehindert sind, daß sie über die Frage der Verfassungswidrigkeit nicht selbst entscheiden können. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung gehe es darum, daß ein Zustand bei noch offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens vorläufig geregelt wird. Dafür sei es gerade im Familienrecht wesentlich, daß über den Antrag so bald wie möglich entschieden wird. Das einfache Recht gebe den Gerichten ausreichend Möglichkeit, im Rahmen des Eilverfahrens eine dem Kindeswohl entsprechende vorläufige Regelung zu treffen.
Zu diesem Sachstand wäre noch zu kommentieren: Die berichteten
Beschlüsse zeigen einmal mehr, daß heute schon - noch bevor
die Kindschaftsrechtsreform verabschiedet ist - Regelungen möglich
sind, die dem Gesetzestext des BGB widersprechen. Sie sind aber nur dann
möglich, wenn Vater und Mutter einvernehmlich die Regelung beantragen.
Gegen den Willen von Müttern haben Väter weiter keine Chance
auf ein gemeinsames Sorgerecht. Die Tendenz der letzten Monate geht sogar
dahin, daß sie nur geringe Aussichten haben, Umgang gegen den Willen
von Müttern durchzusetzen. Letzteres ist eine Wirkung der Kinderrechtekonvention,
die das Umgangsrecht als Kinderrecht und nicht als Elternrecht bestimmt.
Wo Mütter das Kind dazu bringen zu sagen, sie wollten ihren Vater
nicht sehen - und das ist sehr leicht - neigen die Gerichte zunehmend dazu,
diesen Äußerungen Vorrang einzuräumen.