KIND - FAMILIE - MENSCHENRECHTE

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                                 Väter für Kinder e.V.
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Nummer 3/96
verantwortlich i. S. d. P.: Prof. Dr. M. Reeken / Vorsitzender


Zwei neuere Untersuchungen zum Thema Scheidungsfamilien

Wir möchten auf zwei neuere Untersuchungen aufmerksam machen: Das Buch der Hamburger Familien- und Jugendsoziologin Napp-Peters ist die bisher einzige deutsche Langzeituntersuchung über Scheidungsfamilien.Die Verfasserin hat 1980/81 in einer ersten Erhebung und dann noch einmal 1992/93 150 repräsentativ ausgewählte Familien mit 269 Kindern befragt. Bei etwa der Hälfte aller Kinder der Studie war der Kontakt zu den getrennt lebenden Elternteilen schon nach einem Jahr abgebrochen. Nach 12 Jahren hatten nur noch knapp 20% gelegentlich Kontakt zum nichtsorgeberechtigten Elternteil. In den meisten Fällen war es der Sorgeberechtigte, der sich den Besuchswünschen entgegenstellte. Die Verluste eines Elternteils hat die Kinder tief verletzt. Sie haben heute ein geringeres Selbstwertgefühl, können schwer Vertrautheit aufbauen, sind häufiger depressiv und mit ihrem Leben unzufrieden als Kinder aus Familien, in denen eine Beziehung zu beiden Eltern besteht. Jungen reagierten auf die Verluste heftiger alsMädchen. Bei der ersten Erhebung bestanden die Erziehungsschwierigkeiten in aggressivem Verhalten der Kinder sowie Lügen, Stehlen, Schuleschwänzen. Zwölf Jahre später hatte sich der Anteil der Eltern, die vonerheblichen Erziehungsschwierigkeiten berichteten, verdoppelt. Was anfänglich noch ein kindliches Auflehnen gegen die Scheidung und der Ausdruck hilfloser Wut und verletzter Gefühle gewesen sein mag, hat heute die Form einer manifesten Störung angenommen, die sich in massiven psychischen Auffälligkeiten, darunter Phobien, Drogenmißbrauch, übermäßigem Alkoholkonsum und sexuellen Problemen ausdrückt. Den meisten Eltern war nicht bewußt, daß in vielen Fällen die Ausgrenzung des nichtsorgeberechtigten Elternteils die Richtung der Entwicklung bestimmt.

Kinder, bei denen die Verbindung zu einem Elternteil abgebrochen ist, verbringen oft einen Großteil ihres Erwachsenenlebens auf der Suche nach einem Vater oder einer Mutter. Etwa jedes fünfte Kind aus diesen Familien hat, als es erwachsen war, von sich aus den Kontakt zum nichtsorgeberechtigten Elternteil wiederhergestellt. Die emotionale Stabilität der Kinder hängt entscheidend vom ständigen Kontakt zu beiden Eltern ab. Wo es gelingt, diesen Kontakt aufrechtzuerhalten, haben Kinder gute Aussichten, die Krise psychisch stabil zu überwinden.

Die Untersuchung von Ofuatey-Kodjoe und Wiestler ist nicht im Buchhandel erhältlich. Obwohl in Deutschland in rund 90% der Fälle die Mütter das alleinige Sorgerecht erhalten, werden in der Literatur die Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf Väter bisher kaum beachtet. Die Arbeit der Autorinnen gehört zu den ganz wenigen im deutschen Sprachraum. Ihre Stichprobe umfaßte 73 nichtsorgeberechtigte Väter deren Scheidung mindestens zwei Jahre zurücklag.

Die Ergebnisse stimmen mit Napp- Peters darin überein, daß nach zwei Jahren etwa die Hälfte der Väter den Kontakt zu ihren Kindern verloren oder aufgegeben hat. Dieser Befund ist in der spärlichen Literatur und in der öffentlichen Diskussion mit der "Theorie der lieblosen Väter" beantwortet worden, die ihnen pauschal Desinteresse, Egoismus und eben Lieblosigkeit unterstellten. Die Freiburger Psychologinnen widersprechen dem entschieden: 93% der betroffenen Väter wollen ihre Kinder häufiger sehen und mehr ungehinderten Kontakt zu ihnen haben. Ihre totale Entrechtung und ihr Wunsch, die Beziehungen zu ihrem Kind zu erhalten, führt zu ungleichen Folgen der Bewältigung. Die "Kämpfer" unter ihnen nehmen es nicht einfach hin, daß sie sich mit Minimaldosen von Kontakt zufriedengeben sollen. Sie scheitern häufig daran, daß sie kompromißlos und aggressiv das "Recht auf ihr Kind" einfordern. Durch vorläufige Aussetzung des Umgangsrechts sollen diese Väter gebändigt werden. Der befristete und gerichtlich verordnete Kontaktabbruch dient seinerseits dann als Begründung für den totalen Entzug dieses letzten verbliebenen Elternrechts. So werden diese Väter zum Rückzug von ihren Kindern gezwungen. Die "Resignierer" unter den Vätern können weder ihren eigenen Schmerz ertragen noch den ihrer Kinder, den sie bei jedem der kurzen Besuchstermine intensiv spüren. Sie ziehen sich von ihren Kindern zurück, wenn sie das Gefühl haben, die Situation nicht mehr auszuhalten. Die Lebenszufriedenheit und die psychosomatische Gesundheit ist bei dieser Gruppe der Väter besorgniserregend niedrig.

Das wichtigste Ergebnis ihrer Untersuchung ist für die Psychologinnen, daß es von der Art der Sorge- und Umgangsrechtsregelung abhängt, wie sich das Leben der Familienmitglieder nach der Scheidung gestaltet. Eine strittige Regelung ist die schlechtest denkbare Lösung. In der derzeitigen Familienrechtspraxis und ihrem falschen Denkansatz sehen die Autorinnen die Ursache der prekären Situation, in die Eltern und Kinder nach der Scheidung geraten. Gesetze und Verfahrensregeln leisten der Verhärtung Vorschub. Viele Rechtsanwälte stiften Krieg, anstatt zu mäßigen. Oft gehen ehemalige Partner verbitterter und verfeindeter aus dem Scheidungsverfahren hervor, als sie es begonnen haben.

Mit ihrer Forderung nach einer Gesetzesänderung stehen die Freiburger Psychologinnen nicht allein. Mittlerweile drängen auch viele Familienrichter auf eine Änderung der gängigen Rechtsprechung. Die Autorinnen plädieren für ein Schlichtungsverfahren, das jede Familie dabei unterstützt, ihre eigenen Lösungen für die veränderten Lebensbedingungen zu finden. Im US- Bundesstaat Kalifornien, wo ein solches Schlichtungsverfahren jeder Scheidung obligatorisch vorgeschaltet ist, können sich 84% der Paare außergerichtlich einigen.

Es bliebe zu ergänzen: Die Priorität außergerichtlicher Streitregelung durch öffentliche oder private Jugendhilfe oder Mediation, die einer gerichtlichen Sorge- und Umgangsrechtsregelung vorangehen müßte, hat in den gegenwärtigen Regierungsentwurf zur Reform des Kindschaftsrechts keinen Eingang gefunden. Auch werden Umgangsbe- und - Verhinderung in diesem Entwurf weiterhin nicht als Straftatbestand behandelt. Umgangsverhinderung und Kindesentzug werden auch weiterhin erfolgversprechende Strategien der Sorgeberechtigten sein, um die Nichtsorgeberechtigten auszugrenzen. In unserem Land wachsen derzeit etwa 1,6 Millionen Kinder mit nur einem Elternteil auf. Durch den Regierungsentwurf wird der Weg zur vaterlosen Gesellschaft weiter ausgebaut.

Dr. A. Schneider

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