KIND - FAMILIE - MENSCHENRECHTE

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                                 Väter für Kinder e.V.
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Nummer 5/97
verantwortlich i. S. d. P.: Dr. A. Schneider / Vorsitzender


Tagungsbericht:

Erster deutscher Kinderrechtetag

Tagung in der Evangelischen Akademie Iserlohn 21. - 23. März 1997

 


Veranstaltet wurde diese Tagung von der National Coalition (NC) für die Umsetzung der UN-Kinderrechtekonvention (KRK). Sie ist ein Zusammenschluß von rund 80 bundesweit tätigen Organisationen und Intitativen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die von der Bundesregierung am 6. März 1992 ratifizierte UN-Kinderrechtekonvention bekannt zu machen und ihre Umsetzung voranzubringen. Eine der Arbeitsgruppen der National Coalition befaßt sich mit der Reform des Kindschaftsrechts. Zu der Tagung waren rund 70 Teilnehmer erschienen: Juristen und Sozialarbeiter, Psychologen und von Trennung und Scheidung betroffene Väter und Mütter.

Sven Borsche, Sprecher der NC, erinnerte daran, daß die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf zur Umsetzung der KRK sieht, obwohl sie mit der Ratifikationsurkunde umfangreiche Vorbehalte hinterlegt und erklärt hat, daß die KRK in der Bundesrepublik keine unmittelbare Anwendung findet. Maßgebliche Völkerrechtler sind indessen der Meinung, daß die KRK bei einer Kindschaftsrechtsreform, wie sie derzeit im Gesetzgebungsverfahren ist, zwingend in nationales Recht umgesetzt werden muß.

Der Kinderbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Reinhard Eichholz, führte in den Rechtscharakter und die Bedeutung der Konvention ein. Die Kinderrechte geben Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr den Status eigener Rechtssubjekte. Kinder haben eine eigene, unantastbare Würde. Drei "P" kennzeichnen die 54 Artikel der Konvention: Protection (Schutz), Promotion (Förderung) und Participation (Beteiligung). Statt des Vorrangs des Sorgerechts der Mutter in geschiedenen und getrennten Partnerschaften sollte das Recht der Kinder auf beide Elternteile der Normalfall richterlicher Entscheidungen sein.

Der Direktor des Kinderrechtszentrums der Universität Gent, Prof. Dr. Eugeen Verhellen, erläuterte den Wandel der Sichtweise. Kindheit ist ein menschengemachtes Phänomen und variiert von Kuktur zu Kultur. Unser gegenwärtiges Bild vom Kind ist ein Ergebnis der Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die uns Fortschritt und ein Leben im Glück versprach. Das Kind gilt jetzt als Hoffnungsträger der Zukunft, als das Kapital, das man in die Zukunft investiert. Kinder sind Noch-Nichte: noch nicht Wissende, noch nicht Könnende, noch nicht Seiende. Privatrecht und öffentliches Recht schließen Kinder in ihre Kinderwelt ein. Sie werden folglich als eigene Rechtssubjekte behandelt. Wir sehen heute das Kind als Wesen mit eigener Menschenwürde. Kinder genießen heute mehr Rechtsschutz als Erwachsene. Das mächtigste Instrument dazu ist die KRK. In gewisser Weise verlieren Kinder Rechte, wenn sie erwachsen werden.

Tatsächlich hinkt das nationale Recht der Bundesrepublik, wie der Völkerrechtler Dr. Achim Brötel nachwies, dem Völkerrecht der Konventionen hinterher. Nach Brötel kann das Völkerrecht nicht unmittelbar innerstaatlich angewandt werden, sondern bedarf der Umsetzung. Art. 25 Satz 1 des Grundgesetzes sieht eine Öffnungsklausel des Völkerrechts nur für die allgemeinen Rechtssätze, nicht für völkerrechtliche Verträge vor. Nach Art. 59 Abs. 2 Grundgesetz bedürfen völkerrechtliche Verträge eines innerstaatlichen Vertragsgesetzes, um innerstaatlich wirksam zu werden. Erläßt der Gesetzgeber solche Vertragsgesetze nicht, verletzt er internationale Rechtsnormen, allerdings ohne daß dies Konsequenzen zur Folge hätte.

Brötel sieht in der Notwendigkeit innerstaatlicher Vertragsgesetze auch einen Schutz des Rechtsstaates. Vor 10 Jahren gab es rund 60.000 völkerrechtliche Verträge, heute dürften es zwischen 80.000 und 100.000 sein. Der Willkür wäre Vorschub geleistet, wenn jeder Richter aus diesen Verträgen das anwenden würde, was gerade seinem Weltbild am besten entspricht.

Auch das Kindschaftsrechtsreformgesetz wird die völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Völkerkonventionsrecht nicht erfüllen. Beispiele sind das vorgesehene Vetorecht der Mutter bei der Entscheidung über das Sorgerecht bei nichtehelichen Kindern; das Adoptionsrecht und das Namensrecht. Für die KRK ist dieses Umsetzungsdefizit auch eine Folge der überwältigenden Zustimmung. Fast alle Staaten haben die KRK unterzeichnet, aber mit steigendem Maß an Übereinstimmung sinkt der Grad an Verbindlichkeit.

Die einzige Antwort auf die Untätigkeit des Gesetzgebers besteht in der ständigen Konfrontation der Bundesverfassungsgerichts mit den Menschenrechtsverletzungen. Allerdings: Den betroffenen Kindern wird dieses Vorgehen meist nichts mehr nützen. Vor dem Erschöpfen des innerstaatlichen Rechtswegs haben sie wahrscheinlich das Erwachsenenalter erreicht. So kommt gerade in Kindschaftssachen der Verfahrensdauer eine immense Bedeutung zu. Durch schieren Zeitablauf werden leicht unumkehrbare Tatsachen geschaffen. Deshalb plädierte Brötel dafür, die Befassung des Straßburger Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Fällen zu ermöglichen, wo eine innerstaatliche Rechtswegerschöpfung in angemessener Frist nicht zu erreichen ist.

Brötels überaus kundiger Beitrag ist inzwischen im Juli-Heft des "Amtsvormunds" erschienen.

Andreas Rister stellte die vom ZDF zusammen mit terre des hommes produzierte Filmreihe "Die Rechte der Kinder" vor. Dabei handelt es sich um 20 Filme von je rund 12 Minuten Dauer, die jeweils einzelne Artikel der Kinderrechte darstellen. Die Filme sind im August und September vom ZDF gezeigt worden.

In Arbeitsgruppen zu Teilaspekten des Themas wurden zahlreiche Anregungen für die weitere Arbeit an der Umsetzung der Kinderrechte vorgetragen.

Es sei nicht verschwiegen, daß gerade bei solchen Teilnehmern, die sich seit Jahren mit ihrer ganzen Kraft und Einsatzbereitschaft für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien eingesetzt haben, Resignation zu spüren war. Ein Teilnehmer warnte die "entsorgten" Elternteile, die ebenso wie ihre Kinder die Geschädigten jahrelanger Umgangsvereitelung sind: Jeder sieht seine Kinder irgendwann einmal wieder, aber es werden nicht mehr seine Kinder sein. Eigene Kinder werden es nur durch gelebte Gemeinsamkeit. Auch herrschte die allgemeine Erfahrung aus 20 Jahren seit der letzten Eherechtsreform: Gegen den Willen von Müttern geht in Deutschland nichts. Je rücksichtsloser eine Mutter das Verfahren führt, umso erfolgreicher ist sie bei deutschen Gerichten.

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