Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), Az.: 4 StR 594/98, vom 11. Februar, 1999, gilt dies auch dann, wenn dem anderen Elternteil nur das Recht auf regelmäßigen Umgang mit dem Kind zusteht. Im konkreten Fall bestätigte der BGH die Freiheitsstrafe für einen in Deutschland lebenden pakistanischen Vater der das Kind arglistig nach Pakistan entführt und damit der deutschen Mutter entzogen hatte.
Verschiedenen Presseberichten (z.B. Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Freie Presse und dpa, vom 16.3.1999) entnehmen wir folgenden Sachverhalt::
. Die 1982 geschlossene Ehe wurde 1991 geschieden. Kurz vor der Scheidung entführte der Vater den damals sechsjährigen Sohn kurzzeitig und setzte auf diese Weise das alleinige
Sorgerecht für sich (mit Zustimmung der Mutter) durch. Die Mutter erhielt das Umgangsrecht für den Jungen am Wochenende.
Nachdem es Schwierigkeiten mit dem Schulbesuch des Kindes gegeben hatte und der Vater in eine Messerstecherei verwickelt war, beantragte die Mutter das Sorgerecht. Der Vater versicherte,
während des laufenden Verfahrens das Land nicht zu verlassen. Er reiste dennoch nach vorbereitetem Plan mit dem Kind nach Pakistan und kehrte dann allein nach Deutschland zurück.
Rechtlich umstritten war, ob sich auch der allein sorgeberechtigte Elternteil strafbar macht, wenn er das Kind entführt. Der Vierte Strafsenat des BGH bejahte das jetzt. Das Umgangsrecht solle es dem nicht sorgeberechtigten Teil ermöglichen, sich von der Entwicklung des Kindes zu überzeugen, einer ,,Entfremdung vorzubeugen" und dem ,,gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen". Nach Auffassung des Gerichts ist auch der umgangsberechtigte Elternteil gegen eine Kindesentziehung zu schützen, zumal unter bestimmten Umständen auch sein Sorgerecht wieder aufleben könne. Der BGH weiter: "Es besteht nämlich angesichts sich häufender Entführungsfälle ins Ausland insbesondere bei Ehepartnern verschiedener Nationalität ein unabweisbares kriminalpolitisches Bedürfnis, das natürliche Elternrecht nach wie vor umfassend strafrechtlich zu schützen." Die Strafhöhe wurde vom BGH aus formalen Gründen aufgehoben; hierüber muß das Landgericht Bielefeld nun erneut entscheiden.
Zum Mitsorgerecht (Umgangsrecht) in einem ähnlich gelagerten Fall liegt auch eine Entscheidung eines kanadischen Höchstgerichts aus 1996 vor: Edward Frank Dawson v. Her Majesty The Queen.* (pdf Datei, auch in Französisch: R. c. Dawson*). Sie kommentiert in sehr lesenswerter Weise ausführlich die entsprechenden Artikel des kanadischen Strafgesetzes. In diesem Fall hatte der Vater gemäß einer Vereinbarung zwischen den Eltern die alleinige Sorge und das Kind lebte seit 6 Jahren bei ihm. Er verschwand vorübergehend mit dem Kind in den USA, als die Mutter diese Vereinbarung gerichtlich ändern wollte und bereits die einstweilige Anordnung eines Umgangsrechts erwirkt hatte. Bei seiner Rückkehr nach Nova Scotia wurde er verhaftet, dann aber freigesprochen. Auf Grund der Berufung wurde aber ein neuer Strafprozeß angeordnet.2 weitere Fälle aus Deutschland: Verurteilung nach § 235 StGB [Entziehung
Minderjähriger] :
7.7.2000: Mittelbayerische Zeitung: Mutter wegen Kidnapping ihrer Tochter (5) verurteilt.Täterin bekommt Bewährung, der Komplize nicht / „Mir tut es leid". Von unserem Redakteur Karl-Heinz Weigel
REGENSBURG. Kindesentführung mit Folgen: Gisela S. (39) aus Schwandorf ist gestern vom
Amtsgericht Regensburg wegen Kindesentziehung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden - .der vorbestrafte Komplize der Sozialhilfeempfängerin erhielt ebenfalls sechs
Monate, ohne Bewährung. Der Fall machte im Sommer 1999 Schlagzeilen. Die von ihrem Mann Hans-Jürgen S. (41) geschiedene Gisela Sch., Diplom-Biologin, brachte ihre Tochter Isabelle (5)
nicht mehr zum Vater im Landkreis Kelheim zurück, sondern entführte sie in eine kleine Stadt an der argentinisch-brasilianischen Grenze und hielt sie dort zehn Wochen fest - obwohl der
Vater Hans-J. S., ein Physiker, das alleinige Sorgerecht hatte und hat. .......
Heute darf die Mutter ihre Tochter Isabelle alle 14 Tage für 150 Minuten in Begleitung einer Frau vom Jugendamt sehen. Dafür muss die Mutter jedes Mal 45 Mark
zahlen.[Über die dramatische Suche nach dem Kind wurde in 1999 von ARD und 3Sat ausführlich
berichtet, vgl. auch VfK Neues, 1999].
6.4.2001: Ein weitgehend analoger Fall, über den es ebenfalls während der verzweifelten Suche nach dem Kind zahlreiche Berichte gab, ist heute in der Frankenpost dargestellt. Auch hier war dem Vater nach langen Auseindersetzungen das Alleinsorgerecht für die jetzt siebenjährige Tochter zugesprochen worden und die Mutter benützte einen der längeren regelmässigen Umgangskontakte zur Kindesentführung. Die Suche nach dem Kind dauerte 1 1/2 Jahre, für den Vater verständlicherweise erfüllt mit großer Ungewissheit und Angst. Erst ein bei einer Hausdurchsurchung gefundenes Urlaubsfoto brachte Hinweise, dass sich Mutter und Kind in Kanada aufhielten. Erst Anfang 2001 stand der genaue Aufenthaltsort fest. Der Vater konnte dann nach Erledigung der Formalitäten seine Tochter abholen. Die Mutter wurde nach Deutschland abgeschoben und jetzt nach §235 StGB zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt, obwohl sie wie in dem anderen Fall auch, von einer Kurzschlusshandlung sprach, die ihr jetzt leid täte. In diesem Fall gäbe es ausschließlich Verlierer - Mutter, Vater und vor allem das Kind, stellte Staatsanwalt Dieter Brunner bei seinem Plädoyer fest. Vor allem das Kind sei durch den Auslandsaufenthalt und durch die Trennung vom Vater benachteiligt worden. ,,Außer ein paar schönen Urlaubserinnerungen bleiben nur Nachteile'', sagte Brunner. Verlierer sei auch der Vater, der eineinhalb Jahre von seiner Tochter getrennt gewesen sei, ohne zu wissen, wo sich das Kind befinde. Und Verlierer sei nicht zuletzt die Mutter, die wegen dieser Tat nun vermutlich sehr lange Zeit keinen Kontakt zu ihrer Tochter haben dürfte.