Information von Väter für Kinder e.V.:
Es gibt schon seit langem Bestrebungen, über internationale Abkommen wie der UN Kinderrechtekonvention und der Haager Übereinkommen hinaus, innerhalb der Europäischen Union und des Europarates weitere Abkommen zu schließen, die der zunehmenden Verflechtung durch eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften und die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen Rechnung tragen. Das gilt auch für das Kindschaftsrecht. Der europäischen Menschenrechtskonvention und den aus ihr folgenden Entscheidungen des Strassburger Gerichtshofes für Menschenrechte widmen wir, entsprechend der inzwischen erlangten herausragenden Bedeutung, eine eigene Rubrik. Hier geht es um weitere Abkommen die Familien betreffen.
Die neueste Entwicklung ist einer Pressemitteilung der EU vom 2.Dezember, 2002, über den Ministerrat, 2469th Council meeting, - JUSTICE AND HOME AFFAIRS - Brussels, 28 - 29 November 2002 (PROVISIONAL
VERSION), zu entnehmen (pdf Datei, 34 Seiten). Daraus entnahmen wir den folgenden Abschnitt (Links hinzugefügt):
28.XI.2002 PROVISIONAL VERSION
JURISDICTION, RECOGNITION AND ENFORCEMENT OF JUDGEMENTS IN
MATRIMONIAL MATTERS AND IN MATTERS OF PARENTAL RESPONSIBILITY
The Council reached an agreement on the proposal for a Regulation concerning jurisdiction and the recognition and enforcement of judgements in matrimonial matters and in matters of parental
responsibility. This agreement constitutes an important advance in matters relating to the jurisdiction in cases of child abduction.
According to the text agreed by the Council, in case of wrongful removal or retention of a child, the Courts of the Member State of origin keep their jurisdiction until the child has acquired a
habitual residence in another Member State.
As regard the return of the child, the text agreed provides that a Court cannot refuse to return a child unless the person who requested the return of the child has been given an opportunity to be
heard.
Furthermore, the Court shall, unless exceptional circumstances makes this impossible, issue its order no later than six weeks after it is seized of the application.
It is recalled that this proposal is part of ongoing work within the European Community for the creation of a genuine judicial area based on the principle of mutual recognition of judicial
decisions. The proposal extends the rules on recognition and enforcement of Council Regulation (EC) N° 1347/2000 to all decisions on
parental responsibility based on common rules on jurisdiction and on reinforced cooperation between authorities.
In accordance with Article 3 of the Protocol on the position of the United Kingdom and Ireland annexed to the Treaty on the European Union and to the Treaty establishing the European Community,
Ireland and the United Kingdom have given notice of their wish to take part in the adoption and application of the proposal.
In accordance with Articles 1 and 2 of the Protocol on the position of Denmark annexed to the Treaty on the European Union and to the Treaty establishing the European Community, Denmark does not
participate in the adoption of the Regulation, and is therefore not bound by it or subject to its application.
THE 1996 HAGUE CONVENTION
Following the agreement reached on the previous item, the Council confirmed that there was a political agreement on the Decision authorising the Member States, in the interest of the European
Community, to sign the 1996 Hague Convention.
This Convention on Jurisdiction, Applicable Law, Recognition, Enforcement and Cooperation in respect of Parental Responsibility and Measure
for the Protection of Children was concluded on 19 October 1996 within the Hague Conference on Private International Law. It is widely recognised between the Member States that the Convention
would make valuable contribution to the protection of children in situation that transcend the boundaries of the Community and thus usefully complement existing and future Community rules in the
same area.
The present Decision will thus allow Member States to make all necessary preparations for ratification without any further delay. In addition, arrangements for joint signature may be envisaged for
the purpose of indicating to the rest of the world the value that the Community
attaches to the Convention. 17 14817/02 (Presse 375) EN.
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Weitere Einzelheiten kann man einer parlamentarischen Anfrage entnehmen, die der Abgeordnete Pierre Cardo (Mitglied der französisch - deutschen Kommission zu Kindesentführung) am 4. Dezember, 2002 an den französischen Justizminister stellte. Er bat um eine Präzisierung der Einigung und wollte insbesondere auch erfahren was die Position der deutschen Justizministerin sei, deren Vorgängerin, zusammen mit den nordischen Staaten, jeden Fortschritt in dieser Sache blockiert habe. (,,Quelle est aujourd'hui la position de la ministre allemande de la justice dont le prédécesseur avait jusqu'alors bloqué avec les pays du nord de l'Europe toute avancée dans ce sens.")
Die Antwort des französischen Justizministers:
D'abord, au niveau des modalités, je voudrais remercier la nouvelle Ministre allemande grâce à qui cet accord a été rendu possible. Je l'avais rencontré, de manière bilatérale, 4 jours avant, pour souligner auprès d'elle la nécessité d'une évolution du gouvernement allemand sur cette affaire car plus personne ne comprenait la position de la Justice allemande.
Nous sommes arrivés à un accord qui, d'une manière très schématique, consiste, d'une part à enfermer dans un délai de 6 semaines, la décision éventuelle de la juridiction vers lequel l'enfant a été enlevé, pour décider ou non du renvoi de l'enfant dans son pays d'origine - 6 semaines et pas plus.
Ensuite, il y aura une notification automatique, par l'intermédiaire des autorités judiciaires des deux pays concernés, auprès de la justice du pays de résidence normale de l'enfant, de manière à ce que une décision définitive soit prise par cette juridiction de la résidence habituelle de l'enfant.
Donc cette juridiction est reconnue par cet accord politique comme la juridiction qui, au bout du compte, prend la décision, étant précisé que cette décision est immédiatement exécutoire dans l'autre pays.
Übersetzung:
Was ist diese Einigung:
Zunächst möchte ich der neuen deutschen Justizministerin danken, die diese Einigung möglich machte. Ich habe sie 4 Tage vorher auf bilateraler Ebene getroffen um ihr gegenüber die Notwendigkeit einer Beweglichkeit der deutschen Regierung in dieser Angelegenheit zu unterstreichen, denn niemand würde die Position der deutschen Justiz verstehen.
Wir erreichten eine Einigung die im Prinzip zum einem darin besteht, dass innerhalb von 6 Wochen eine vorläufige Entscheidung der Justizbehörden zu erfolgen hat, in deren Zuständigkeitsbereich das Kind entführt wurde, über eine Rückführung oder nicht in das Herkunftsland des Kindes- 6 Wochen und nicht mehr.
Danach erfolgt eine automatische Mitteilung, über die Justizbehörden der beiden betroffenen Länder, an die Justiz des Landes in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, derart dass diese Justiz die endgültige Entscheidung trifft.
Folglich, ist durch diese politische Einigung diese Gerichtsbarkeit als die anerkannt, die schließlich die Entscheidung
trifft, die im anderen Staat sofort vollstreckbar wird.
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9. 12.2002: Euronews bringt als Bericht aus dem Europäischen Parlament ein Video das ausführlich den Hintergrund des EU Ministerbeschlusses vom 29.11.2002 zu internationaler Kindesentführung darstellt:
Englisch Französisch Deutsch Achtung: Die Texte unterscheiden sich in einigen Punkten. Wir empfehlen daher sich auch die französiche / englische Version anzuhören.
5.12.2002: Wir haben jetzt weitere Einzelheiten (Vorläufige Pressemitteilung der EU; Anfrage im französischen Parlament, auch zur deutschen Haltung) zum EU
Ministerrat in Brüssel vom 28-29. November gefunden, auf dem es zu einer Einigung über die Vorgangsweise bei internationaler
Kindesentführung kam. Demnach soll, entgegen dem Eindruck der sich aus den Pressemeldungen ergab (Vgl. unsere Meldung vom 30.11.2002), das Haager
Übereinkommen von 1980 innerhalb der EU dahingehend erheblich erweitert werden, dass die Ablehnung eines Rückführungsantrags durch den Zielstaat immer
nur vorläufig gilt, die endgültige Entscheidung also auch darüber vom zuständigen Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zu treffen ist und diese Entscheidung,
ohne zusätzliche Formalitäten (Exequaturverfahren), im anderen Staat vollstreckbar ist. Außerdem soll eine Rückführung nur abgelehnt werden können, wenn vorher der
Antragsteller (zurückgelassener Elternteil) gehört wurde. Wie im Haager Übereinkommen soll eine Frist von sechs Wochen eingehalten werden.
An den Grundprinzipien des
Haager Übereinkommens, dass über eventuelle Sorgerechtsfragen allein im Land des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes zu entscheiden ist und (dafür) zunächst eine
möglichst prompte Rückführung erfolgen soll, hat sich also nichts geändert. Sie sollen innerhalb der EU nur wirksamer umgesetzt werden. Gerade Deutschland ist ja in erhebliche internationale Kritik geraten, weil im Vergleich zu anderen Staaten zu häufig eine
Rückführung unter Berufung auf Ausnahmebestimmungen verweigert wurde, oder überhaupt von den Gerichten (und offensichtlich immer noch der Presse) die erheblichen prinzipiellen
Unterschiede zwischen einem Verfahren nach dem Haager Übereinkommen und Sorgerechtsverfahren, einschließlich der Priorität Rückführung vor Sorgerechtsentscheidungen, nicht
immer richtig erkannt wurden.
30.11.2002: Frankfurter Rundschau: Sorgerecht
EU will Entführungen von Kindern beikommen.BRÜSSEL, 29. November (dpa/ap). Bei grenzüberschreitenden Streitfällen um das Sorgerecht bekommt der Richter am üblichen Wohnort des Kindes das letzte Wort. Mit dieser Entscheidung vom Freitag wollen die Justizminister der 15 EU-Länder die zunehmende Zahl von Entführungen von Scheidungskindern in Europa in den Griff bekommen. Die Vorsitzende des Ministerrats, Lene Espersen, sprach von einem Durchbruch nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen: "Da haben wir wirklich die härteste Nuss geknackt", sagte die dänische Justizministerin.
Belgiens Justizminister Marc Verwilghen erläuterte die Lösung an einem Beispiel. Werde ein Kind aus einer geschiedenen deutsch-belgischen Ehe von einem Elternteil aus Belgien nach Deutschland entführt, so entschieden bisher die deutschen Behörden endgültig über die Frage einer Rückkehr.......
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 30.11.2002, S.6: EU einig über Sorgerecht nach Kindes-Entführung.
Brüssel(dpa)........
VfK Kommentar: Wir registrierten diese Agenturmeldungen mit erheblicher Verwunderung. Das ,,Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung" vom 25. Oktober 1980 regelt diese Fragen eigentlich recht eindeutig, und das auch über die EU hinaus. Zusätzlich wurde schon seit längerem vom Haager Büro und insbesondere der U.S. Organisation NCMEC an einen "Best Practice Guide" gearbeitet, der insbesondere neuen Signatarstaaten bei der Implementierung des Abkommens helfen soll. In Deutschland ist das Übereinkommen seit dem 1. Dezember 1990 in Kraft und sollte deshalb eigentlich allgemein bekannt sein.
Der Kernpunkt des Abkommens ist die prompte Rückführung (möglichst innerhalb von 6 Wochen) eines entführten Kindes an den ,,Ort seines gewöhnlichen Aufenthaltes". Nur dort sind dann eventuelle Fragen zum Sorgerecht zu entscheiden. Das zuständige Gericht im Zielstaat der Entführung hat also im Normalfall lediglich festzustellen, dass es sich um eine widerrechtliche Entführung im Sinne des Abkommens handelt und dann die prompte Rückführung zu veranlassen.
Weniger erstaunt sind wir allerdings über das vom belgischen Justizminister gewählte Beispiel. In der Tat ist Deutschland in ganz erhebliche internationale Kritik geraten, weil deutsche Gerichte Kindesentführung nach Deutschland, statt prompter Rückführung, zu oft mit der raschen Zuerkennung von Aufenthaltsbestimmungsrecht / Sorgerecht "belohnten" und damit auch endgültig machten, einschließlich der fehlenden Durchsetzung eines Umgangrechtes für den im Ausland zurückgelassenen Elternteil, wenn nicht sogar dessen Aussetzung. Obwohl das Haager Übereinkommen eine Sorgerechtsregelung im Zielstaat der Entführung ausdrücklich untersagt, blieb die Vorgangsweise also oft praktisch dieselbe wie bei rein inländischen Sorgerechtsfällen, einschließlich der Anhörung sogar von Kleinkindern und Einschaltung des Jugendamtes, obwohl das Jugendamt in einem deutschen Provinznest wohl kaum kompetente Auskunft über das soziale Umfeld des Kindes, beispielsweise in London oder Washington, geben kann, auf das es bei einer Entführung von dort nach dem Haager Übereinkommen allein ankommen sollte, wenn tatsächlich einmal zu Recht vom Ausnahmeartikel (Art. 13) des Abkommens Gebrauch zu machen ist (abgesehen davon, dass die Abwendung einer ev. Kindeswohlgefährdung am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes primär in den Verantwortungsbereich der dortigen Behörden fällt und zusätzlich durch wechselseitigen Kontakt zwischen den Gerichten, etwa in Form einer "safe harbor order", gesichert werden kann). Vgl. dazu die Statistik der deutschen zentralen Behörde (aus 1999) und die anderer Staaten.
Trotz erheblicher Verbesserungen, wie der Konzentration von Entführungsfällen auf eine wesentlich reduzierte Zahl von Familiengerichten und damit hoffentlich in Richtung von mehr
Fachkompetenz, hat laut Justizministerin Zypries die Zahl der internationalen Sorgerechtsstreitigkeiten in den letzten Jahren noch zugenommen, mit allein 150 Fällen anhängig zwischen
Deutschland und Frankreich. Wenn, wie es der Meldung der Süddeutschen Zeitung heißt, sich Frankreich und Belgien mit der Regelung durchgesetzt haben, ,,wonach ein Entführer
keinen Vorteil aus der Mitnahme des gemeinsamen Kindes in sein Heimatland ziehen soll", so ist das sehr zu begrüßen, auch wenn es nur verdeutlicht, was schon mit dem Haager
Übereinkommen von 1980 gilt.
Obwohl dies aus den Pressemeldungen nicht hervorgeht, handelt es sich ziemlich sicher um die Zusammenfassung und Erweiterung der Verordnung Brüssel II und dem Vorschlag Frankreichs zum
Umgangsrecht an der seit längerem von der EU gearbeitet wird. ( Gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen
über die Elterliche Verantwortung). Ganz allgemein, auch außerhalb des Kindschaftrechts, wird eine Vereinfachung der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit
von Entscheidungen (Abschaffung von Exequaturverfahren) innerhalb der EU angestrebt.
Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten 2. September 2002
VORLÄUFIG 2002/0110(CNS) PE 310.957
ENTWURF EINES BERICHTS über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die
elterliche Verantwortung zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in Bezug auf Unterhaltssachen (KOM(2002) 222 – C5-0234/2002
– 2002/0110(CNS))
Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten
Berichterstatterin: Mary Elizabeth Banotti
Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 ueber die Zustaendigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in
Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung fuer die gemeinsamen Kinder der Ehegatten
Amtsblatt Nr. L 160 vom 30/06/2000 S. 0019 - 0036. [
Brüssel II]
30.5.2000: Stellungnahme von VfK e. V. (auf Aufforderung des BMJ) zum Vorentwurf eines Europäischen Übereinkommens über den Umgang mit Kindern. Dieses Abkommen soll verhindern helfen, dass Kinder bei grenzüberschreitenden Umgang vom Besuchselternteil widerrechtlich zurückgehalten werden. Unsere Meinung dazu ist, dass solche Fälle bereits unter das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungfallen. Daher sollte man in erster Linie für eine effektive Umsetzung bestehender Übereinkommen und nationalen Gesetze ( einschl. unseres Kindschaftsrechtsreformgesetzes) sorgen, statt immer neue Abkommen zu schaffen.