Zusatz der Kind-Prax Redaktion:
Parental Alienation Syndrome (PAS) - das zur Zeit wohl meistdiskutierte Phänomen in der Eltern-Kind-Beziehung nach Trennung. Der Beitrag ist ein klares Plädoyer, die Erkenntnisse aus dieser Erscheinung frühzeitig zur Vermeidung von großen Schäden für Kind und Eltern zu nutzen.Inhalt und Gliederung:
Im Januar dieses Jahres erschien im Amtsvormund der erste Artikel der Autoren über das Parental Alienation Syndrome (PAS). PAS bedeutet die kompromißlose Zuwendung eines Kindes zu einem - dem guten, geliebten - Elternteil und die ebenso kompromißlose Abwendung vom anderen - dem bösen, gehaßten - Elternteil. PAS entsteht in hoch konflikthaften Trennungs- oder Scheidungsgeschichten. Äußere Bedingungen der Familie können PAS schüren. Zum Beispiel ist ein Umzug mit den Kindern ans andere Ende des Landes eine erfolgversprechende Methode, die Eltern-Kind-Entfremdung voranzutreiben. Die gefährliche Koalition mit einem Elternteil gegen den anderen wirkt da am schnellsten, wo die Kinder spüren, daß ihnen Liebe und Zuwendung des betreuenden Elternteils nur solange sicher sind, wie sie dessen Abneigung gegen den anderen Elternteil übernehmen.
Mit dieser Arbeit legen die Autoren einen Beitrag zur Psychodynamik, Prävention und Nachsorge vor. Sie stellen ihr zwei Leitsätze voran:
Aktive Zurückweisung eines Elternteils ist für Kinder schlimmer als allein der Verlust eines Elternteils, weil sie sowohl ihre Schuldgefühle als auch den Elternteil in der eigenen Person verdrängen müssen. PAS-Kinder zeigen typische Symptome: das Ausblenden früherer schöner gemeinsamer Erlebnisse; Rationalisierungen, um die Ablehnung zu begründen; die Ausschließlichkeit, mit der ein Elternteil nur gut, der ander nur schlecht ist; die fast reflexartige Parteinahme der Kinder für den betreuenden Elternteil; die Ausdehnung der Ablehnung auf den Familien- und Freundeskreis des zurückgewiesenen Elternteils; der Hinweis auf ihre "eigene Meinung"; die Verwendung sogenannter "geborgter Szenarien", deren Bedeutung sie nicht kennen können; und trotz Ablehnung und Verunglimpfung eines Elternteils unangemessene Forderungen an ihn nach Geld und Geschenken.
Hilfe für die Kinder ist eine Nachreifung im geschützten therapeutischen Rahmen, verbunden mit der Loslösung vom bedürftigen Elternteil und der Erlaubnis zur Wiederaufnahme der Beziehung zum anderen Elternteil. Dabei bedürfen auch die Eltern der Unterstützung. In schweren Fällen kommt eine systemische Familientherapie in Betracht. Möglichkeiten sind Vorträge und Diskussionen in Kirchen, Betrieben, Schulen, Kindergärten, Universitäten, Beratung durch Sozialarbeiter, Mediatoren, Therapeuten oder kooperative Rechtsanwälte und psychologische Interventionen durch Familientherapeuten oder psychologische Sachverständige, unter Umständen auch auf richterliche Anordnung.
In einigen Fällen hat die deutsche Rechtsprechung rasch auf die Erstveröffentlichung der Autoren reagiert und wegweisende Urteile ausgesprochen. So steht in einem Beschluß des OLG Nürnberg vom Juni 1998 (10 UF 441/98) der bemerkenswerte Satz, "daß zur Eignung zur Übernahme einer elterlichen Sorge auch gehört, daß der betreuende Elternteil den anderen Elternteil vom Umgang mit dem Kind nicht ausschließt". In vielen anderen Fällen aber haben die Gerichte von PAS bisher keine Notiz genommen und Sachverständige das Vorliegen von PAS nicht erkannt. Die Verfasser stellen eine Reihe von Forderungen an kindschaftsrechtliche Verfahren auf: Die Beteiligten müssen mit PAS vertraut gemacht werden. Schon bei ersten Anzeichen einer späteren Umgangsproblematik wie Antrag auf Alleinsorge, gehäuftes Ausfallen von Umgangsterminen oder Ausgrenzung nicht verheirateter Väter müssen die Kinder schnellstmöglich angehört werden. Die Verfahren müssen rasch geführt werden. Der Reformgesetzgeber hat es versäumt, durch Fristsetzungen Verfahrensbeschleunigung zu sichern. Aufträge an Gutachter müssen mit einer Terminsetzung vergeben werden. Der Gesetzgeber hat es ferner versäumt, den Gerichten die Möglichkeit zu geben, sich trennende Eltern zu Vermittlungsgesprächen zu verpflichten und Therapiemaßnahmen für PAS-geschädigte Kinder anzuordnen. Die Bereitschaft eines Elternteils zur Teilnahme an Beratung und Therapiemaßnahmen könnte neben der Bindungstoleranz zu einem wichtigen Kriterium für Sorgerechtsentscheidungen werden.
Der Artikel zielt auf die Prävention und Früherkennung von
PAS. Die darin empfohlenen Beratungs- und Informationsangebote an Eltern
mögen in einer Frühphase der Trennung wirksam sein. In der Mehrzahl
der PAS-Fälle, wo die Entfremdung seit Jahren vorangetrieben und verfestigt
worden ist, werden Beratungsangebote nichts nützen. Denn es kennzeichnet
entfremdende Elternteile, daß sie für Interventionsbemühungen
von außen unzugänglich und uneinsichtig sind. Wie solchen Eltern
zu begegnen und ob und gegebenenfalls wie den lang-zeitgeschädigten
Kindern zu helfen ist, wäre eine künftige Untersuchung wert.
Was versteht man unter ,,Parental Alienation Syndrome"?
Psychodynamik der Eltern
Interventionen:
Psychodynamik und Symptomatik der Kinder
Interventionen:
Kindesanhörung und PAS
Zur Notwendigkeit der Beschleunigung kindschaftsrechtlicher Verfahren