Kinder zuerst
Menschenrechtskonferenz im Juni 1993 in Wien
Im Juni 1993 fand eine internationale Menschenrechtskonferenz in Wien statt.
Um diese Konferenz hatte es eine Menge Gezerre gegeben. Ursprünglich
war einmal geplant gewesen, daß diese Konferenz in Deutschland stattfinden
würde. Aus uns nicht näher bekannten Gründen wurde die Konferenz
für die Öffentlichkeit ganz überraschend von der Bundesregierung
abgesagt. So kam sie nach einigen Irrwegen schließlich nach Wien.
Wir waren von dieser Absage gar nicht überrascht; wem nämlich
die ambivalente Haltung der Bundesrepublik Deutschland zu den Menschenrechten
aus unmittelbarer Anschauung bekannt ist, dem hätte die Abhaltung
dieser Konferenz in Deutschland die Chance gegeben, vor der internationalen
Öffentlichkeit auf diese Mißstände hinzuweisen.
Wie dem auch sei, die Konferenz zeigte, daß die internationale
Menschenrechtsbewegung in einer Krise steckt. Dafür ist nicht zuletzt
die ambivalente Haltung vieler westlicher Staaten mit verantwortlich. Die
Bundesrepublik ist ein Musterbeispiel dieser Haltung des Belehrens und
Predigens nach außen gegenüber den "Unterentwickelten" und der
Geringschätzung und Unterdrückung dieser Gedanken im Inneren,
wo selbst Obergerichte sich vom Bundesverfassungsgericht
unrichtige Anschauung von der Tragweite und Bedeutung von Grundrechten
der eigenen deutschen Verfassung bescheinigen lassen müssen.
Die Konferenz verabschiedete am 25. Juni 1993 die
Wiener Erklärung und Aktionsprogramm.
Diese Erklärung enthält interessante Details. In Teil II
(4) Punkt 45 steht:
Die Weltkonferenz über die Menschenrechte bekräftigt den
Grundsatz "First Call for Children" (Kinder zuerst) und unterstreicht ...
Der traditionelle Aufruf "Frauen und Kinder zuerst" bei Katastrophen
aller Art wird also hier modifiziert zu dem Aufruf "Kinder zuerst". Dies
ist die logische Fortsetzung der in den Menschenrechten stets betonten
Gleichberechtigung von Mann und Frau. Nur solange die Frau in der Gesellschaft
die Rolle einer Unmündigen, vom Mann abhängigen, rechtlich nicht
selbständigen Person hatte, war die Reihenfolge "Frauen und Kinder
zuerst" selbstverständlich. In einer Ordnung, in der Frauen selbständige,
eigenverantwortliche, gleichberechtigte Personen sind, kann sich die Maxime
nur noch auf die Kinder beziehen, die als die wirklich Schutzbedürftigen
und Abhängigen heute in ihrer Existenz stärker bedroht sind als
je zuvor, da nämlich die Erwachsenen, Männer und Frauen, wie
nie zuvor sogar die Grundlagen der Zukunft der Kinder und aller nachfolgenden
Generationen skrupellos zerstören und verbrauchen.
V.i.S.d.P. Prof. Dr. M. Reeken
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