VfK e. V. BUCHREZENSION:
rororo Sachbuch
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1999
ISBN 3-499-60644-5
Ein großer Teil von Zuschriften an Väter für Kinder e. V. stammt von verzweifelten Vätern, die keinen ausreichenden Kontakt mehr zu ihren Kindern haben, weil, nach ihrer Darstellung, der Kontakt von der sorgeberechtigten Mutter verhindert wird. Wir bekommen aber auch Zuschriften von Müttern denen die Wichtigkeit einer fortdauernden Beziehung ihrer Kinder zum getrennt lebenden oder geschiedenen Vater bewußt ist, der sie aber nicht wahrnimmt. Allgemeiner und geschlechtsneutral handelt es sich um den Kontaktabbruch zum nichtsorgeberechtigten oder Nicht-Wohnelternteil. Rein zahlenmäßig ist das immer noch in der überwiegenden Zahl der Fälle der Vater, aber wir kennen auch Fälle und haben einige an Hand von Gerichtsbeschlüssen auf unseren Webseiten dargestellt, in denen der Vater sorgeberechtigt ist und dann seine ,,Macht" ausnützt um den Umgang zu behindern/verhindern. Etwa 60 Prozent der Kinder haben schon ein Jahr nach der Trennung oder Scheidung keinen Kontakt mehr zum nichtsorgeberechtigten Elternteil (vgl. die VfK e. V. Petition an den Bayerischen Landtag).
Wir halten es für sehr wichtig, dass auch der nichtsorgeberechtigte Elternteil sehr selbstkritisch über die Ursachen des Kontaktabbruchs reflektiert um, statt einseitiger Schuldzuweisung, zunächst einmal herauszufinden ob möglicherweise auch Ursachen bei ihm liegen und wie diese beseitigt werden könnten. Wie es Jopt einmal formulierte [Jugendhilfe und Trennungsberatung, Zentralblatt für Jugendrecht 85 (7/8), S. 286-297, 1998], haben beide Elternteile meist völlig getrennte "Realitätswelten" in der sie sich jeweils als "Opfer" sehen, sogar der Verlassende, weil er ja zu diesem Schritt durch das Verhalten des Partners "gezwungen" wurde.
Aus diesen Gründen ist das vorliegende Buch auch Vätern zu empfehlen, obwohl es, zumindest auf den ersten Blick, von all den üblichen Klischees aus dem Geschlechterkampf, von Vätern die sich ,,aus dem Staub machen", auszugehen scheint. Auch die im Buch häufig gebrauchte Bezeichnung als ,,vom Vater geschiedene Tochter" paßt in dieses Schema. (Nur die Eltern werden als Partner geschieden, bleiben aber weiterhin Eltern und sollten diese Verantwortung weiter möglichst gemeinsam wahrnehmen!) Als vom Vater verlassene Tochter sieht sich die Autorin selbst, was sicher einiges erklärt, etwa das Väter auschließlich als allzuhäufig völlig desinteressiert an ihren Kindern dargestellt werden, die schon vor der Trennung nie richtige Väter für ihre Töchter waren, unfähig zu Kontakten sind und nach der Trennung meist nicht einmal Unterhalt bezahlen. Unzweifelhaft gibt es solche Väter und in den zehn authentischen Fallgeschichten des Buches werden sie auch als solche von ihren heute erwachsenen Töchtern (im Alter zwischen dreiundzwanzig und dreiundvierzig Jahren) so gesehen. Es wäre natürlich auch interessant gewesen, die Sicht der beteiligten Väter und Mütter zu kennen.
Die (einseitige) Sicht der ,,vom Vater geschiedenen Töchter" ist trotzdem interessant und auch wichtig für Väter die von Kontaktabbruch betroffen sind. Die Ursache liegt bei ihren Töchtern möglicherweise in einer ähnlichen Sichtweise -und möglicherweise auch in einem ähnlichen Verhalten des Vaters oder der Mutter. Die sorgeberechtigten Mütter sind allerdings in diesen Fallgeschichten zumeist "Opfer" eines Ehemanns, der häufig schon vor der Trennung eine neue Partnerin hatte, während sich die Mütter ganz für ihre Kinder aufopfern und allein das schwierige Leben meistern. Das als ,,Parental Alienation Syndrom" (PAS) gut bekannte Phänomen kommt in diesen Fallgeschichten nicht vor, wohl aber ein Fall in dem die Mutter, zum Ärger der gegenüber dem Vater negativ eingestellten Tochter wiederholt bemerkt: ,,er ist ja schließlich dein Vater". Auch das sollte von Umgangsproblemen oder Kontaktabbruch betroffenen Vätern zum kritischen Nachdenken Anlass geben. Nicht alle diese Fälle sind mit ausschließlich von der Mutter (Sorgeberechtigten) verursachter Entfremdung zu erklären.
Die Darstellung der Tochter-Mutter-Beziehung ist überhaupt einer der interessantesten Aspekte des Buches. Dem ist, neben den Fallgeschichten, auch ein eigenes Kapitel gewidmet (Kap. 5), in dem diese Beziehung auch durchaus kritisch gesehen wird, weil ,,alleingelassene" Mütter nicht selten ihre Töchter dann als Ersatzpartner benutzen und sie mit ihren Problemen überfordern. Die Beziehung der Mutter zu Töchtern unterscheide sich meist auch wesentlich von der zu Söhnen. Es komme nach der Trennung viel eher zu einer Solidarisierung (wie wir sie aus PAS Fällen kennen) der Tochter mit der Mutter .
Wichtig ist auch die Beobachtung aus diesen Fallgeschichten, dass die ,, vom Vater geschiedenen Töchter" sich keineswegs so einfach von ihren Vätern abnabeln, sondern sich sich mit der Beziehung zum Vater bis ins Erwachsenenalter intensiv auseinandersetzen und dabei oft Wut, aber auch große Trauer empfinden. Ein guter Teil von ihnen braucht für diesen Prozess therapeutische Hilfe. Womit wir bei den schon von uns rezensierten Arbeiten angelangt sind, in denen das Trauma der Vaterentbehrung aus psychiatrischer Sicht dargestellt ist:
Horst Petri, Das Drama der Vaterentbehrung. Chaos der Gefühle - Kräfte der Heilung. 1999 und
Matthias Franz et al., Wenn der Vater fehlt. Epidemiologische Befunde zur Bedeutung früher Abwesenheit des Vaters für die psychische Gesundheit im späteren Leben, 1999.
INHALT: "VOM VATER GESCHIEDEN"
von Andrea Maser
Einleitung - «Wo ist Dein Papa» 7
1. Die frühe Beziehung zum Vater 11
2. Die Trennung 33
Streitende Eltern 36
Sprachlosigkeit in der Familie 42
Der Abschied 46
Wut und Trauer - unterdrückte Gefühle 50
Der Verlust des Vaters 55
3. Der Kontakt bricht ab: Töchter
erzählen 59
BEA «Jetzt tut er gar nichts mehr
für mich, und ich kann eigentlich nichts
dafür» 59
CLAUDIA «Ich war da irgendwie mit
drin» 70
MARIE «Neulich habe ich einfach mal
angerufen, um zu hören, ob der überhaupt noch
lebt» 83
PAULA «Der Knoten ist geplatzt Ich habe
die Macht, und ich bestimme, was passiert» 90
ANJA «Der existiert für mich gar
nicht» 107
SUSANNA «Wie viele Tränen habe ich
schon über meinen nicht gehabten Vater
vergossen» 115
MELISSA «Mein Vater hat sich nicht nur
von meiner Mutter scheiden lassen, sondern auch von
mir» 130
DORO «Es ist so ein toter Raum
dazwischen, das kann man kaum beschreiben» 141
NELDA «Letztlich habe ich mich mit
dieser Krise von meinem Vater verabschiedet» 149
HEIKE «Manchmal überlege
ich, ob ich nicht doch irgend welchen Idealbildern
hinterherlaufe » 163
4. Warum Väter ihre Töchter verlassen 179
5. Die Beziehung zur Mutter 197
6. So leben die Töchter heute 229
Schluß 247
Literatur 253
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