Le Monde 8.6.2000: Auszugsweise Übersetzung-Zusammmenfassung.
Die Mutter ist nach zehnjähriger Ehe mit den beiden Kindern (9
und 7 Jahre) nach Deutschland zurückgekehrt. Der Vater stellte einen
Antrag auf Rückführung nach dem Haager Übereinkommen. Am
5.Juli 1999 erhielt er per einstweiliger Anordung des Gerichtes von Pontoise
das alleinige Sorgerecht.
Das Amtsgericht München hat am 14.7.1999 die Entführung und
die alleinige Zuständigkeit des französischen Gerichts festgestellt
und den Sorgerechtsantrag der Mutter zurückgewiesen, aber es unterlassen
die Rückführung der Kinder anzuordnen. Zwei Monate später
hat sich das OLG München gegen die Rückführung der Kinder
nach Frankreich ausgesprochen, die nicht dem Kindesinteresse [wohl] entspräche.
..Im Januar, als Xavier Tinel seine Kinder besucht, macht er für 17
Stunden die Bekanntschaft eines deutschen Gefängnisses, ,,wie ein
Hund, wie ein Mörder".
Dieser Fall hat den Beigeschmack eines Mißerfolgs für die
französisch-deutsche parlamentarische Vermittlungskommission, welche
im Oktober 1999 durch die Justizminister beider Staaten ins Leben gerufen
wurde, auf außergreichtlichtlichen Wege nach Lösungen in Streitfällen
zu suchen, die schon seit vielen Jahren die französich-deutschen Beziehungen
vergiften.
Pierre Cardo, Abgeordneter (DL) von Yvelines, Pervenche Bérès,
Europaabgeordneter (PS), und die Senatorin (PS) Dinah Derycke, die drei
französischen Parlamentarier dieser binationalen Kommission mußten
zunächst lange warten, bis ihre deutschen Partner nominiert wurden.
Dann wurde am ,,Verständnis, der Schaffung eines Beziehungsnetzes
und der Annäherung der Kulturen" gearbeitet, erklärte
Pierre Cardo. In Deutschland kann zum Beispiel das Kind sehr leicht
den Names seines Stiefvaters annehmen. Das traumatisiere französische
Väter, die eines schönen Tages davon per Post erfahren.
Nach sechs Monaten unermüdlicher Arbeit mahnt Mme Bérès
eine « reele (Einstellungs)änderung der deutschen Behörden
» an, die während der ersten Treffen der Kommission sogar die
Benützung des Wortes « Entführung » ablehnten.
Am 31.3. konnte Xavier Tinel ein dreiminütiges Telefongespräch
mit seinen Kindern führen. Für den 13. Mai wurde ihm ein eintägiger
Besuch bei seinen Kindern zugestanden, unter der Bedingung dass er unter
Aufsicht erfolge, ein Angebot das Xavier Tinel "anwidert" und dass
er ablehnt. Die Parlamentarier befürchten, dass dadurch die ersten
Früchte harter Arbeit in Frage gestellt sind. «Die Kommission
kann nur bedauern, dass der Vater den Besuch bei seinen Kindern abgelehnt
hat, eine Ablehnung die riskiert, eine Reihe anderer Fälle zu beeinträchtigen
». In einigen Wochen wird die Kommission ihre erste Bilanz ziehen.
« Derzeit zählt man etwa 60 Fälle von Kindesentführung
nach Deutschland, erläutert Pierre Cardo. Sie werden sich mit der
Zunahme binationaler Ehen nur vervielfachen. Nun sind aber gegenwärtig
Rückführungen von Kindern aus Deutschland sehr selten ».
M. Cardo räumt ein, dass die Langsamkeit der französischen Justiz , die es erlaubt in Deutschland Tatsachen zu schaffen zum Teil für diese Blockade verantwortlich ist. Er stellt aber auch die Organisation der deutschen Justiz in Frage, die den Ländern einen großen Handlungsspielraum einräumt, die Nichtbeachtung gerichtlicher Entscheidungen, ohne jede Sanktion [Hervorhebung VfK], oder die sehr extensive Auslegung des Art. 13 des Haager Übereinkommens.
«Sobald ein Kind mindestens sechs Monate in Deutschland gewohnt hat, nehmen die Richter eine psychologische Gefahr für das Kind bei einer Rückkehr nach Frankreich an. Das Grundproblem ist, meint M. Cardo, ist das keine Justiz für die Beurtelung der richtigen Anwendung des Haager Übereinkommens zuständig ist, und dass die deutsche Justiz nicht wirklich den Begriff der Internalität aufgenommen hat.»
Die Regelung die von den Jutizministern der 15 Unionsländer am 29. 5 in Brüssel beschlossen wurde, könnte hier helfen. Ab 1. 3. 2001 entscheidet nur das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Ehegatten vor der Trennung, über die Scheidung und das Sorgerecht. Bei Nichteinhaltung dieser Regelung ist die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes möglich.
L'Express vom 08/06/2000: Das französisch-deutsche Wirrwarr. Hunderte von Kindern geschiedener Eltern werden jenseits des Rheins zurückgehalten. Die eurpäischen Übereinkommen haben daran nichts geändert.
Bild von X. Tinel mit Fotos seiner Kinder. Zusammenfassung des Falles
(s. o.)
...
Bezugnehmend auf die gute Anpassung des Kindes an seine neue germanische
Umgebung und die Annahme einer Gefahr für das Kind durch die Begegnung
mit einem ausländischen Elternteil, zögern die lokalen [deutschen]
Gerichte nicht, diesem Elternteil jeden Besuch zu verbieten, oder das Verbot
einer Ausreise des Kindes anzuordnen. Und der Fall Tinel ist weit davon
entfernt eine Ausnahme zu sein. Die französisch-deutsche parlamentarische
Vermittlungskommission, eingerichtet Ende 1999, behandelt derzeit 64 ähnliche
Fälle. Aber die Association SOS-Enlèvements internationaux
d'enfants, welche bestätigt mehr als 150 Fälle dieser Art zu
verwalten, schätzt dass ungefähr 2000 Kinder französisch-deutscher
Paare unter Verletzung internationalen Rechts jenseits des Rheins zurückgehalten
werden.
....Dann wird auf die EU Regelung vom 29.5.2000 eingegangen und der Fall Lancelin rekapituliert bei dem der französische Präsident von einen "holdup" und den "Gesetzen des Dschungels" sprach.......
Der Fall Tinel sorgt auf jedem Fall für erhebliche Aufregung
jenseits des Rheins, wo die Regierung Schröder zunehmenden Druck von
Elternvereinigungen, der lokalen und sogar der ausländischen Presse,
insbesondere der amerikanischen, ausgesetzt ist. Die Vereinigten Staaten
zeigen offiziel 63 Entführungsfälle von jungen Staatsbürgern
durch Deutsche auf. An diesem Punkt hat der Kongress am 23. März einer
Resolution zugestimmt, die sehr scharf die Haltung der Bundesrepublik verurteilt...
....
Es wird dann der Besuch Clintons und die Bezugnahme Schröders
auf die sakro-sankte Unabhängigkeit der Justiz von der Politik rekapituliert.
Kindesentführung nach Deutschland