KIND - FAMILIE - MENSCHENRECHTE

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                                 Väter für Kinder e.V.
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Nummer 6/94
verantwortlich i. S. d. P.: Prof. Dr. M. Reeken / Vorsitzender


 

Das OLG Celle zur sogenannten Bindungstoleranz

 Beschl. v. 25.10.93 -19 UF 208/93

abgedruckt in FamRZ, 14/94, S. 924-926
Wir haben immer gefordert, daß der Wille und die Fähigkeit eines Elternteils, die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil durch Umgangsgewährung und Unterlassung psychischen Druckes auf das Kind zu fördern, maßgebliches Kriterium der Erziehungsfähigkeit eines für die Alleinsorge vorgesehenen Elternteiles sein sollte. Das OLG Celle scheint sich solche Gedanken zu eigen zu machen:

Aus dem Leitsatz der Redaktion (der FamRZ):

Das Verhalten der Eltern bezüglich des Umgangs des Kindes mit dem jeweils anderen Elternteil -die sogenannte Bindungstoleranz - ist eines der maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, bei welchem Elternteil das Kind nach der Trennung besser aufgehoben ist.

In dem Beschluß wird die Entscheidung eines AG bestätigt, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen und auf den Vater zu übertragen, da die Mutter den Umgang des Vaters immer wieder problematisiert hat. In den Gründen klingt das Urteil des BVerfG an, über das wir im Info 3/93 berichtet haben.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, viele von uns wissen aus eigener Anschauung, wie wenig dieser Gedanke bisher das Denken deutscher Richter bestimmt hat. Dennoch begrüßen wir diese Entscheidung, weil sie ein weiteres Anzeichen für den sich anbahnenden und längst überfälligen Paradigmenwechsel im deutschen Kindschaftsrecht ist: weg von der auf die Erwachsenen zentrierten Sichtweise hin zu einer, die das Kind ins Zentrum der Überlegungen stellt und beide Eltern in die Verantwortung nimmt.
 

Anmerkungen März 1998:

In amerikanischen Staaten ist das Prinzip der Bindungstoleranz explizit in den Gesetzestexten enthalten, so z.B. erfolgt die Vergabe des Sorgerechts in Kalifornien (California Family Code Section 3040) und Utah (Utah Code30-3-10) in folgender Reihenfolge:
1) Gemeinsame Sorge (2) Elternteil, der am ehesten den konfliktfreien und häufigen Umgang garantiert.
Außerdem spricht man meist von (gemeinsamer) Elternverantwortung (parental responsibility) statt Sorgerecht (custody) und von Elternzeit (parenting time) statt Umgang (visiting).

Väter für Kinder e.V. berichtete bereits in VfK Info Nr.95 im Dezember 1990 unter dem Titel ,,Gemeinsame Elternverantwortung nach Scheidung. Vorbild Amerika?" über die Sorge/Umgangsregelung in Anlehnung an die nach einem kalifornischen Richter benannte Freeman-Rule und auch über entsprechende Sanktionen bei Nichteinhaltung.

Das neue deutsche Kindschaftsrecht (ab 1.7.1998) stellt nun immerhin in § 1684 BGB ebenfalls das Recht des Kindes auf Umgang fest:
 (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
Eine konkrete Festsetzung eines Minimalumgangs und von Maßnahmen bei Nichteinhalten der Regelung, wie in amerikanischen Statuten, ist aber nicht erfolgt. Es heißt lediglich:
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten.

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