Information von Väter für Kinder e.V.:

Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation) und das neue Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5)

      Auf der Tagung der American Psychiatric Association (APA), 18-22. Mai, 2013, wurde das  neue Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) vorgestellt. Mit dieser Neufassung war zunächst bei manchen die Hoffnung verbunden, dass Eltern-Kind-Entfremdung (Parental Alienation) darin Aufnahme finden könnte. Dieser Wunsch bestand schon seit der amerikanische Psychiater Richard Gardner (verstorben 2003) mit Parental Alienation Syndrome (PAS) Verhaltensmuster beschrieb, die er häufig als Sachverständiger bei Trennung / Scheidung beobachtete (1985). Allerdings waren seine Formulierungen teilweise auf heftige Kritik gestoßen, die selbst vor seiner Person nicht halt machte und die bis heute anhält. Obwohl auch häufig das Fehlen von Einträgen in DSM-IV (erschienen 1994) als Argument gegen die Existenz von PAS benutzt wurde, bildlete sich sobald die Vorbereitungen zu DSM-5 begonnen hatten rasch eine Opposition gegen die Aufnahme von Parental Alienation in DSM-5. Gleichzeitig begannen von Entfremdung von ihren Kindern Betroffene das DSM-5 Komitee regelrecht mit ihren Leidensgeschichten zu bombardieren. Beides schien mehr einem politischen Plebiszit zu gleichen als einer sachlichen Arbeit förderlich zu sein auf der allein zu beruhen dieses Klassifizierungsschema selbstverständlich Anspruch erhebt, obwohl es auch in der jetzigen Neufassung vom Prinzip her und wegen einzelner Einträge ebenfalls nicht umumstritten ist. Das PAS darin nicht explizit als eine eigene Diagnose (psychiatrische Erkrankung) Aufnahme finden würde, was sicher auch die Kritik an DSM-5 weiter intensiviert hätte, zeichnete sich schon vor 2-3 Jahren ab und nicht erst in der Internet Meldung vom Dezember 2012 auf die sich J. M. Fegert in  "Endgültiges Aus für das Parental Alienation Syndrome (PAS) im amerikanischen Klassifikationssystem DSM-5"  in der Zeitschrift ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 5, Mai 15, 2013, bezieht. Fegert sieht sich darin in seiner polemisch/kritischen Darstellung aus 2001 ,,Parental Alienation oder Parental Accusation Syndrome?" bestätigt. Anlass zum Jubel bei den PAS Gegnern / Kritikern (die amerikanische Bezeichnung "PAS detractor" ist vielschichtiger) besteht aber nicht und schon gar nicht bedeutet es, dass dieses Phänomen eines Kontaktabbruchs und Ablehnung eines Elternteils zum dem vor der Trennung oder Scheidung wenigstens eine normale Beziehung bestand nicht existiert und nicht nur bei vielen Eltern einen hohen Leidensdruck erzeugt, sondern auch die Familiengerichte intensiv beschäftigt, und das natürlich auch immer noch in Deutschland, selbst wenn die Bezeichnung "PAS" nicht benützt wird. Auf die Bezeichnung  und die viel diskutierte Frage, ob es sich dabei um ein Syndrom im medizinischen Sinne handelt, kommt es dabei überhaupt nicht an. Die Bezeichnung "Parental Alienation" hat sich nun aber einmal weltweit eingebürgert und mit ihr als Stichwort eröffnet sich nicht nur eine schon sehr umfangreiche wissenschaftliche Literatur, sondern werden auch viele relevante familiengerichtliche Entscheidungen zugänglich. Vgl. dazu das neue Handbuch "Parental Alienation: The Handbook for Mental Health and Legal Professionals"  hrsg. von Lorandos, Bernet & Sauber,  Charles C Thomas • Publisher, LTD (erscheint Dezember 2013 oder Jan.2014).

Der Psychiater William Bernet (Vanderbilt University, USA), einer der namhaftetsten Befürworter eines Eintrags zu Parental Alienation (PA) in DSM-5 (Bernet, 2010) spricht sogar in seiner ersten Reaktion von einer wesentlichen Verbesserung gegenüber DSM-IV bei der Berücksichtigung dieses Phänomens und seiner Ursachen. Obwohl darin die Bezeichnung "Parental Alienation" nicht vorkommt gäbe es jetzt mehrere Diagnosen die von einem Arzt in solchen Fällen verwendet werden könnten. Er führt an (unveröffentlicht):
  Die beiden neuen Diagnosen, "Psychologische Kindesmisshandlung" und  "Kind betroffen von elterlichen Beziehungsproblemen" stellen eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Berücksichtigung von Parental Alienation gegenüber der letzten Version DSM-IV TR dar. Insbesondere "Kind betroffen von elterlichen Beziehungsproblemen", obwohl ebenfalls breiter gefasst, passt nach Meinung von Fachleuten (einschließlich Mitgliedern des verantwortlichen DSM-5 Komitees!) hervorragend auf Parental Alienation.     

Wir meinen dazu, dass sich wie bei jedem Klassifizierungssystem immer die Frage stellt, ob ein bestimmter Sachverhalt einer eigenen Kategorie bedart, oder ob er eventuell durch mehrere andere ausreichend beschrieben ist. Ein eigener Eintrag und eine Definition von PA die möglicherweise weitere heftige Kontroversen verursachen würde, hätte der Sache eher geschadet. Es ist nur schade, dass man nicht den Mut hatte den Begriff "Parental Alienation" wenigstens als bloße Bezeichnung für bekannte problematische Verhaltensmuster in der Eltern-Kind-Beziehung zu erwähnen, die sich nun einmal weltweit eingebürgert hat, ob man sie nun mag oder oder nicht, und ohne damit auch schon bestimmte Theorien zu ihrer Erklärung zu verbinden. Das hätte als Stichwort dienen können um Psychiater (Ärzte) auf eine inzwischen sehr umfangreiche wissenschaftliche Literatur aufmerksam zu machen, die allerdings vorwiegend von Psychologen stammt und bei der Mediziner bisher noch deutlich unterrepräsentiert sind, obwohl speziell Kinderärzte / Kinderpsychiater oft erste Anlaufstellen bei Verhaltensauffälligkeiten von "Scheidungskindern" sind. Genau dieser Punkt wurde erfreulicherweise in einem Leitfaden für bayerische Ärztinnen und Ärzte "Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Erkennen und Handeln" berücksichtigt. Auf Seite 111 wird auf Sonderformen seelischer Kindesmisshandlung hingewiesen mit einem Fallbeispiel für das Parental Alienation Syndrome. Wir berichteten darüber (17.7.2012). Wie notwendig ein solcher Leitfaden und die Kenntnis des PA Phänomens sind zeigt auch die Tatsache dass in Entfremdungsfällen nicht selten versucht wird, Ärztinnen und Ärzte für Atteste zu gewinnen, die bestätigen sollen, dass der Umgang mit dem anderen Elternteil dem Kind schadet.
Vgl. Walter Andritzky, Zur Problematik kinderärztlicher Atteste  bei Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten. Mit Ergebnissen einer Befragung. Kinder- und Jugendarzt  2002, 33: 885–889; A. Camps, Psychiatrische und psychosomatische Konsequenzen für PAS-Kinder, in von Boch-Galhau, Kodjoe, Andritzky und Koeppel Das Parental Alienation Syndrome, 2002, S.143-155; Andritzky in Gardner, Sauber, Lorandos, The International Handbook of Parental Alienation Syndrome, 2006, Seiten 195-208.

Hier ist ein solches Attest eines Kinderarztes, das sogar ohne jemals Kontakt zum ausgegrenzten Vater gehabt zu haben erstellt wurde, aber zu dem dennoch von der Ärztekammer damals (1998) eine Beanstandung zurückgewiesen wurde.

Hier ist nicht der geeignete Platz um auf weitere Details des amerikanischen Klassifizierungssystems DSM-5 einzugehen oder eine weitere Diskussion dazu zu führen, die in erster Linie medizinischen Fachleuten (in den USA) an die sich DSM-5 ja primär richtet, vorbehalten sein sollte. Es ist dazu nur anzumerken, dass konstruktive Kritik, wie in allen Disziplinen, ganz wesentlich für den Fortschritt einer Wissenschaft ist. Zum Fortschritt einer Wissenschaft gehören  auch empirische Untersuchungen die erlauben Hypothesen zu verifizieren oder auch zu falsizieren (sie dürfen nicht tautologisch wahr sein). Hätten solche empirische Untersuchungen bei PA von Anfang an mehr im Vordergrund gestanden wären vermutlich viele der Kontroversen um PA ausgeblieben, wobei allerdings zu sagen ist, dass PA in erster Linie bei Trennung oder Scheidung auftritt, die häufig selbst hoch konflikthaft ist. Außerdem gibt es dabei Einschränkungen, was die Kinder betrifft, aus moralischen und rechtlichen Gründen. Untersuchungen, mit ausreichernd großen statistisch relevanten Gruppen und vor allen Langzeitstudien übersteigen auch leich die Möglichkeiten von praktisch tätigen Klinikern (die allerdings wertvolle erste Hinweise und Anregungen liefern können) und würden den Einsatz von Forschungsinstituten und universitärer Einrichtungen erfordern. Gerade daran mangelt es noch, ganz besonders in Deutschland, wo auch Fortbildungsveranstaltungen und wissenschaftliche Fachliteratur zu PA weitgehend fehlen, vor allem auch international anerkannte Fachliteratur die vor Veröffentlichung einer strengen Prüfung durch renommierte Fachkollegen unterzogen wurde (peer review) und die allein in der weltweit größten psychologischen Datenbank, PsycInfo der American Psychological Association, Berücksichtigung findet, mit derzeit über 200 Einträgen zum Stichwort "Parental Alienation". Darin ist allerdings nur eine einzige deutsche Publikation (weil mit peer review) enthalten.  

 Was bedeutet nun die Entscheidung der Amerikanischen Psychiatrischen Geselschaft für von Eltern-Kind-Entfremdung betroffene Eltern und Kinder, und vor allem in Deutschland?. Das ist die Frage, die uns an dieser Stelle primär interessiert. Zunächst bedeutet sie direkt gar nichts, weil sie sich ausschließlich an amerikanische Ärzte richtet, denen DSM auch zur Abrechnung ihrer Leistungen und zu statistischen Erhebungen dient. DSM ist ein Klassifizierungschema, ähnlich wie es beispielsweise auch in großen Bibliotheken zur Übersichlichkeit nötig ist. Es ist kein wissenschaftliches Handbuch oder ein medizinisches Lehrbuch aus dem man die Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen erlernen könnte, obwohl ein Eintrag in DSM natürlich bedeutet, dass unter Ärzten ein gewisser Konsensus über ein Krankheitsbild und seine Bezeichnung besteht. 
Betroffene Eltern erwarten aber in erster Linie praktische Hilfe bei der Überwindung ihrer Ausgrenzung vom eigenen Kind und sind nicht daran interessiert, dass sie selbst oder ihr Kind (und zumeist auch nicht dass der andere Elternteil) mit einer psychiatrischen Diagnose versehen werden, obwohl es gut sein kann, dass die enorme Belastung durch den Konflikt mit Depression etc. verbunden ist die behandlungsbedürftig ist, bei betroffenen Kindern nicht selten auch noch im Erwachsenenalter, lange nach dem Trennungs / Scheidungsgeschehen. Zunächst hilft es Betroffenen sogar schon zu erfahren, dass das was sie erleben gar nicht so einmalig ist wie es schien und einen weltweit verbreiteten Namen hat. Deshalb schließen sich solche Eltern auch oft in Selbsthilfegruppen zusammen und manchmal auch betroffene Kinder als Erwachsene, um Erfahrungen auszutauschen.

Eine praktische Hilfe muss bei PA in den allermeisten Fällen allerdings zunächst im Rahmen des Kindschaftsrechts und dem Gang zum Familiengericht gesucht werden, weil es an der Gesprächsbereitschaft zwischen den Eltern und der Einsichtsfähigkeit insbesondere des entfremdenden Elternteils fehlt. Es braucht deshalb klare richterliche Anordnungen, die auch mit allen verfügbaren rechtlichen Mitteln wenn nötig durchgesetzt werden sollten um das Recht des Kindes und jeden Elternteils auf regelmässigen Umgang miteinander wieder herzustellen, vorausgesetzt dass dieser Umgang dem Kindeswohl dient und nicht aus wirklich berechtigten Gründen (Misshandlung des Kindes, gravierende Mängel bei der Erziehungsfähigkeit des betreffenden Elternteils etc) auf Zeit unterbleiben sollte. (In den letzteren Fällen ist auch nach allgemeinem Konsensus der Begriff PA nicht anwendbar.)  Das Gericht, aber zumindest die es unterstützenden Sachverständigen sollten dabei in der Lage sein die psychologischen Zusammenhänge bei Eltern-Kind-Entfremdung zu erkennen, insbesondere auch ob die Aussagen eines Kindes den Tatsachen entsprechen oder wesentlich von einem entfremdenden Elternteil beeinflusst wurden. Was ein deutsches Gericht dabei nach Fegert (2013) aus der amerikanischen DSM Entscheidung zur Kenntnis nehmen sollte und welche Konsequenzen es daraus ziehen sollte bleibt unspezifiziert, obwohl sicher mit seinem Fazit, weil nicht neu und längst selbstverständlich, übereingestimmt werden kann, "dass jeder Einzelfall in dem elterliche Beeinflussung als Faktor ins Spiel gebracht wird, im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs Kindeswohl mit den üblichen Kriterien der Entwicklungspsychologie und der Psychopathologie der Erwachsenen überprüft werden muss".  Das neue DSM-5 liefert für diese Diagnostik eine erweiterte und wesentlich verbesserte standardisierte Kategorisierung. Auf die Bezeichnung PAS oder auf die unselige Frage ob PAS nun ein anerkanntes Syndrom im medizinischen Sinne ist oder nicht, auf die viele völlig fruchtlose Debatten verschwendet wurden, kommt es dabei ganz bestimmt nicht an.

Der spanische Familienrichter Ángel Luis Campo formulierte dies (2011) sehr treffend mit:

 "Richter müssen nicht über die Angebrachtheit des Begriffs Parental Alienation entscheiden, sondern darüber was dahinter steckt. Es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass es Eltern gibt die ihr Kind dazu manipulieren den Kontakt mit den anderen Elternteil abzulehnen und Richter müssen entsprechend handeln". 

Ein anderer spanischer Familienrichter, Francisco Serrano Castro, sagte die Verleugnung der Wirklichkeit von Parental Alientation, weil es nicht in DSM aufgeführt ist, entspricht der Behauptung es gäbe keine misshandelte Frauen, weil das "battered wife syndrome" nicht in DSM ist.  Er sei mehr dazu geneigt sich an der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bzgl. der Anerkennung von PA zu orientieren als an den Aussagen irgendwelcher offiziellen Stellen. [Es gibt inzwischen mindestens 8 Urteile dieses hohen internationalen Gerichtshofes in dem sich dieser selbst dem Konzept von PA entsprechende Argumente explizit (unter Nernnung der Bezeichnung Parental Alienation oder Parental Alienation Syndrome) bei der Urteilsbegründung zu eigen macht, und PA nicht nur in den Anträgen der Beschwerdeführer oder in Urteilen eines nationalen Gerichts erwähnt ist. Sie stellen damit eine klare Anerkennung von PA dar.]

Es mag amüsieren, dass wie die überregionale spanische Zeitung El Pais in 2011 berichtete, dass gerade ein solcher Vertreter offizieller Stellen, Miguel Lorente, Koordinator der Institute für forensiche Medizin in Andalusien und Autor über das "battered wife syndrome" behauptete:

"Sicher gibt es Mütter, aber auch Väter die zur Ablehnung des anderen Elternteils aufhetzen, aber wenn die Beziehung zum Kind gesund und intensiv ist wird sie nicht unterbrochen werden." Er fügte noch hinzu "Wenn ein Kind einen Elternteil ablehnt, dann ist es weil dieser Elternteil gewalttätig und aggressiv ist. Damit stimmen viele Experten überein."

Und schließlich noch ein Zitat vom Dekan der Psychologen Madrids, Fernando Chacon (2008), das auch sehr gut auf die deutsche Debatte zu PAS passt [Die Zitate stammen aus Kapitel 13  von C. T. Dum über internationale Entwicklungen zu PAS, einschließlich der in Deutschland, in einem neuen Handbuch (Dezember 2013) zu PA):

Die Kontroverse um Parental Alienation ist völlig steril. Sie wird von Interessengruppen gefüttert, wird durch Disqualifikationen ausgeführt und ist ohne jedes wissenschaftliche Argument. Der Schlüssel für Psychologen zu fragen ist, ob es Väter oder Mütter gibt die ihre Kinder dazu manipulieren gegen den anderen Elternteil eingestellt zu sein und schließlich den Kontakt zu verweigern und ob das negative Auswirkungen auf das Kindeswohl hat. Wenn die Antwort "Ja" lautet dann mag man die Notwendigkeit in Betracht ziehen solche Fälle, die in einer gewissen Weise gemeinsame Charakteristiken zeigen zu bezeichnen. Wie könnten sie "X" nennen. Sich auf einen bestimmten Namen fest zu legen oder auch nicht, ändert jedoch nichts an der Realität individueller Fälle, die unsere primäre Beachtung haben.
 
     PAS wird von manchen Gruppen heftigst abgelehnt, weil sie es als Anschuldigungstaktik von Vätern gegen Mütter sehen, womit sie häusliche Gewalt und Missbrauch verschleiern wollen, oder als "Parental Accusation Syndrome", wie es Fegert (2001) formulierte. Ähnlich auch Jörg Fichtner, Unter falscher Flagge. Die ganz neue Väterlichkeit durch Mutterdenunziation. In: Andrea Geier und Ursula Kocher (Hrsg.): Wider die Frau: Zu Geschichte und Funktion misogyner Rede. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-15304-5, S. 207–228.

Beweise an Hand von konkreten Fällen, insbesondere dafür, dass damit letztlich auch die Familiengerichte getäuscht wurden, bleiben sie allerdings schuldig. Sie übersehen auch sehr gerne, dass es mit der zunehmenden Zahl von Vätern als Wohnelternteil immer mehr von Umgangsvereitelung und Entfremdung betroffene Mütter gibt, die sogar besonders darunter leiden, weil die Gesellschaft immer noch überwiegend davon ausgeht, dass Kinder nach einer Trennung oder Scheidung "normalerweise zur Mutter gehören." Vgl. dazu die die kanadische Studie von Kruk (2010) und den zunehmenden Umfang von Vereinigungen von Ausgrenzung betroffener Mütter und Großeltern. Gardner und die anderen PAS Pioniere hätten von Anfang an deutlicher die Tatsache betonen sollen, dass PAS nicht eine Frage des Geschlechts ist, sondern eine der Macht das Kind zu beeinflussen, die in erster Linie der Wohnelternteil besitzt. Formulierungen wie "Medea Syndrome" der berühmten Scheidungsforscherin Judith Wallerstein für das gleiche Phänomen hatten allerdings keine solche Kontroversen ausgelöst. In der deutschen Literatur beschrieb übrigens schon Theodor Fontane in seinem berühmten Roman Effi Briest  (1896) die Entfremdung verursacht durch einen Vater, dem ja zu dieser Zeit die "elterliche Gewalt" allein zustand.

   Besonders auch in Deutschland hat die Debatte um PA, nach einer kurzen enthusiastischen Phase als der PAS Begriff auch hier bekannt wurde, geradezu groteske Züge angenommen, vermutlich auch weil diese Phase nicht von eigener (empirischer) Forschung gefolgt war, sondern vielfach nur die Entwickungen aus Nordamerika in der Diskussion wiederholt wurden, einschließlich der längst bekannten Kontroversen. Es ist inzwischen, so wie es ein ehemaliger OLG Richter, D. W.  Weychardt (2007), der sich mit seiner Beteiligung an einigen "PAS Urteilen" durchaus offen für das Konzept zeigte, sehr treffend so formulierte (Vortragsmanuskript zur elterlichen Verantwortung, 2007):
,,Der RA sollte sich allerdings überlegen, ob es sinnvoll ist, sofort (im Vorfeld und / oder bei Gericht) mit dem Stichwort ‚PAS’ zu operieren. Dadurch könnten auf der Richterbank auch gewisse Aversionen geweckt werden, wie weiland, als man/frau mit dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs punkten wollte. Es geht doch darum, Eskalationen bei allen Beteiligten zu vermeiden!"
Dem ist voll zuzustimmen, insofern der konkrete Sachverhalt im Einzelfall immer möglichst genau dargestellt und nicht mit allgemeinen Schlagwörtern oder gar Vorwürfen operiert werden sollte. Das einzige Problem ist nur, das mit der Vermeidung der  Bezeichnung "Parental Alienation"  das Auffinden von Urteilen die in etwa einen Sachverhalt beschreiben wie ihn den meisten grob mit diesem Begriff verbinden wesentlich erschwert wird. Es gibt auch in Deutschland immer noch nicht wenige familiengerichtliche Urteile, die zwar die Begriffe PA und PAS meiden, aber in hervorragender Weise und in aller Deutlichkeit beschreiben wie ein Elternteil das Kind negativ gegen den anderen Elternteil beeinflußt, den Umgang verhindert und durch diese psychische Misshandlung dem Kind schweren Schaden zufügt. Wir hatten am 19.12.2012 auf solche aktuelle Urteile zum Sorge-und Umgangsrecht hingewiesen. Das wirkliche  ernste Problem hier ist nur, dass es überwiegend bei diesen Worten bleibt und wenig und vor allem nicht früh genüg etwas unternommen wird um Umgangsvereitelung und Eltern-Kind-Entfremdung zu beenden. Wie die umfangreiche Erfahrung, vor allem aus Nordamerika zeigt, sind bloße Appelle an die Einsicht von entfremdenden Elternteilen weitgehend nutzlos. Es braucht klare gerichtliche Anordnungen, die auch durchgesetzt werden. Das ist auch die Voraussetzung für eine Therapie zur Wiederannäherung zwischen Kind und entfremdetem, ausgegrenzten Elternteil, vor allem weil sie der entfremdende Elternteil meist zu torpedieren versucht. In Deutschland, wenn eine Therapie überhaupt angeordnet wird, gelingt das sogar ganz leicht meist von Anfang oder spätestens in einem Beschwerdeverfahren. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass eine Therapie bei Eltern-Kind-Entfremdung spezielle Techniken erfordert, eine konventionelle Psychotherapie dagegen die Situation sogar verschlimmern kann, vgl. z. B. die einzelnen Kapitel darin erfahrener klinischer Psychologen und Autoren in Baker, Amy J. L. and Sauber, R. L., Working with alienated children and families: A clinical guidebook, Routledge, New York 2012, und ähnliche Fachbücher, von denen es in Deutschland bisher allerdings kein einziges gibt, und das nicht einmal in Übersetzung. Hier wirkt sich die Kontroverse um Parental Alienation leider ganz schwerwiegend auf betroffene Eltern und Kinder aus, weil sie den Anreiz von Fachleuten sich zu diesen unbestreitbaren Phänomen (mit welcher theoretischen Interpretation auch immer) fortzubilden stark vermindert und es dann an Aufmerksamkeit für PA und Fachkompetenz fehlt.  

11.06.2013: Hier ist der ausführliche Bericht einer großen amerikanischen Elternorganisation, die die Neufassung des psychiatrischen Klassifizierungssystem DSM-5 wie in unseremBericht vom 18.5. ebenfalls als großen Fortschritt bei der Erfassung des sehr realen Phänomens der Eltern-Kind-Entfremdung (unabhängig von einer Theorie zu seiner Erklärung und welchen Namen man dafür benützen möchte) sieht. Zu einem Triumph wie ihn der Titel  "Endgültiges Aus für das Parental Alienation Syndrome (PAS) im amerikanischen Klassifikationssystem DSM-5" von J. M. Fegert in seiner Veröffentlichung in ZKJ wohl ausdrücken möchte, besteht also überhaupt kein Anlass.

May 29, 2013 
Release of Parental Alienation Study Group, International Task Force

Family unity took a major step forward at the American Psychiatric Association’s annual meeting in San Francisco on May 18-22, 2013, with the inclusion of language that describes the serious mental health problem of parental alienation. For the first time, mental health professionals in the U.S. will have officially recognized concepts to diagnose children who experience parental alienation, strengthening the case against parents who strive to alienate children during divorce. ....
[Familienzusammenhalt hat auf der Jahreskonferenz der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft in San Francisco von 18-22. Mai einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht mit der Berücksichtigung von Formulierungen die das ernsthafte psychische Problem der Eltern-Kind-Entfremdung beschreiben. Zum ersten Mal haben psychologische/psychiatrische Experten in den USA offiziel anerkannte Konzepte um Kinder zu diagnostizieren welche Parental Alienation erleiden, was die Vorgangsweise gegen Eltern stärkt die während einer Scheidung versuchen ihre Kinder (vom anderen Elternteil) zu entfremden.


Nachtrag
: Die Diagnose von Parental Alienation im Rahmens der neuen DSM-5 Klassifizierung wurde von William Bernet ausführlich in AACAP News, Sept/Oct  2013, S.255 -256  der American Academy for Child and Adolscent Psychiatry dargestellt. Wir sind vom Autor autorisiert diesen Aufsatz "Parental Alienation and DSM-5" als  pdf Datei  anzufügen.

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