Das Familiengericht kann während der Dauer der elterlichen Sorge bei Gefahr für das Kindeswohl in Teilbereiche des Sorgerechts eingreifen.
Verstößt der sorgeberechtigte Elternteil grundlos gegen gerichtliche Anordnungen bezüglich des Umgangs des Kindes mit dem anderen Elternteil, so kann hierin eine Gefahr für das Wohl des Kindes gesehen werden.
Die zutreffende Maßnahme gegen den das Umgangsrecht beharrlich verweigernden sorgeberechtigten Elternteil ist allein am Kindeswohl auszurichten. Dabei ist der gerichtliche Eingriff auf das unumgänglich notwendige Maß zu beschränken. Als ,ultima ratio" kommt der völlige Entzug des Sorgerechts des sorgerechtberechtigten Elternteils nur dann in Betracht, wenn andere Maßnahmen erfolglos erscheinen.
OLG Köln, Beschluß vom 24. April 1998 - 25 UF 186/97
obwohl kein "Leuchtturm"-Urteil, enthält es doch einige interessante Punkte die wir hier auszugsweise darstellen:
Der Vater hatte wegen der Verweigerung des Umgang von Anfang an, mit dem bekannten ,,Kind will nicht", und schließlich mit der "ultimativen Waffe", dem Vorwurf des sexuellen Kindesmißbrauchs, eine Übertragung des Sorgerechts auf ihn beantragt. Das wurde vom AmtsG abgelehnt.
Dazu das OLG:.
Die Änderung der Sorgerechtsregelung [gemäß §
1696 Abs. 1 BGB] ist nur bei triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden
Gründen gerechtfertigt. Auch ein Verstoß gegen die Umgangsrechtsloyalität
kann zu einer Änderung bzw. Einschränkung der früheren Sorgerechtsregelung
führen. Dabei ist aber zu beachten, daß ein solcher Verstoß
ein beachtliches Ausmaß erreicht haben muß, ehe das Familiengericht
eingreift. Wenn der personensorgeberechtigte Elternteil diese Verhaltensnorm
jedoch ständig mißachtet und damit gegen das Wohl des Kindes
verstößt, liegen aber grundsätzlich genügend Anhaltspunkte
vor, um nach § 1671, 1672 BGB die vormals getroffene gerichtliche
Entscheidung zu überprüfen.
....
Solche triftigen Gründe sind vorliegend gegeben. Der Sohn Benjamin
ist mittlerweile 8 Jahre alt. Seit 4 Jahren versteht es die Mutter, das
Kind vom Vater fernzuhalten. Bei verständiger Würdigung der eingeholten
familienpsychologischen Gutachten muß nach Überzeugung des Senates
davon ausgegangen werden, daß gerade der ständige Einfluß
der Mutter dazu geführt hat, daß sich das Kind Benjamin völlig
seinem Vater verweigert. Hierbei hat die Mutter nicht davor zurückgeschreckt,
den Vater von Benjamin mit dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs zu
belasten, was sich im Verlaufe des Ursprungsverfahrens als völlig
haltlos herausgestellte.
.....
Außerdem ist nach dem weiteren Gutachten der Sachverständigen
S. eindeutig widerlegt, daß der Vater sich sexuell an seinem Sohn
vergangen haben könnte. Gleichwohl hält die Mutter, wie ihre
Anhörung im Termin ergeben hat, an diesem vagen Verdacht fest. Dies
mag auch ein Grund dafür sein, daß sie ernsthaft gar nicht einen
Kontakt zwischen ihrem Sohn und dem Vater will.
.....
Gem. § 1696 Abs. 1 BGB war es daher erforderlich, entsprechend
dem Kindeswohl die elterliche Sorge teilweise dahin zu ändern, daß
eine Umgangspflegschaft eingerichtet wird. Dies erscheint eine zweckgerechte
Lösung. Auseinandersetzungen über die Umgangsbefugnis nach §
1634 BGB beschäftigen zunehmend die Gerichte. Entscheidend für
eine zweckgerechte Lösung ist auch insoweit das Kindeswohl, d. h.
wie den Belangen des Kindes am besten Rechnung getragen wird und andererseits
das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteiles gewährt
werden kann. Wie oben ausgeführt, ist das Kindeswohl hier erheblich
tangiert, wenn das Umgangsrecht des Vaters faktisch völlig ausgeschlossen
wird. Andererseits hat die Anhörung der Sachverständigen für
den Senat überzeugend ergeben, daß eine vollständige Entziehung
des Sorgerechtes der Mutter nicht im Interesse des Kindeswohles liegt.
Benjamin ist in die Familie der Mutter voll integriert. Er fühlt sich
dort wohl. Die Mutter tut - bis auf die hier streitgegenständliche
Umgangsregelung - alles, um ihr Kind zu fördern. Es muß versucht
werden, eine Benjamin möglichst wenig beeinträchtigende Lösung
zu finden. Insofern erscheint es gerechtfertigt, eine Maßnahme des
§ 1671 Abs. 5 BGB in Verbindung mit § 1696 BGB zu ergreifen.
Hiernach ist eine stärkere Aufspaltung des Sorgerechts als gem. §
1671 Abs. 4 BGB möglich. Sachgerecht ist die tenorierte Umgangspflegschaft
mit zeitlichem Aufenthaltsbestimmungsrecht des Pflegers. Dadurch wird die
Durchsetzung des Umgangsrechts gewährleistet, da insoweit die das
Umgangsrecht hintertreibende Kindesmutter ausgeschaltet ist.
Die Stellungnahme der Schriftleitung bezweifelt diese Schlußfolgerung, wohl zu Recht, wenn gefragt wird, ,,aber was geschieht, wenn die Mutter ,,jetzt erst recht" oder weiterhin aus Überzeugung gegen die Kontakte zum Vater intrigiert? "
Der Beschluß ist auch in FuR 10/98, S. 373-376 erschienen. Der Haltung der Mutter und dem Verständnis der Reaktion des Kindes, wie von der Sachverständigen dargestellt, wird breiter Raum gegeben, z.B.: ,,Die Sachverständige hat sodann überzeugend ausgeführt, daß es die Beteiligte zu 2) [die Mutter] gut verstehe, sich gegenüber B. so darzustellen, als wenn es lediglich der Beteiligte zu 1) [der Vater] wäre, der den Familienfrieden störe. Von daher sei es auch durchaus nachvollziehbar, daß B. als typisches "Muttergeschenk" dahin reagiere, daß er den Vater ablehne. Der Junge tut das, was seine Mutter von ihm erwarte. Die Beteiligte zu 2) reagiere immer sehr stark, wenn jemand es wage, nicht auf ihrer Seite zu stehen. Entsprechend verhielte sich B."...
Eine weitere Darstellung dieses Beschlußes findet sich in FamRZ 1998/24, S. 1463-1464.
Kommentar:
Natürlich ist es oft besser auf ein Mittel aus der "Hausapotheke"
zurückzugreifen, statt gleich eine Radikaloperation durchzuführen.
Das kann aber auch sehr verhängnisvoll sein. Der sorgeberechtigte
Elternteil hat hier nicht nur das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise
beeinträchtigt (durch seelische Mißhandlung), sondern auch zu
keinerlei Hoffnungen Anlaß gegeben, daß da nach 4 Jahren plötzlich
Einsicht zu erwarten ist. Daß selbst der Einsatz der denkbar übelsten
"Waffe", auch zum erheblichen Schaden des Kindes, der Vorwurf des sexuellen
Kindesmißbrauchs, und sogar das Festhalten daran, auch nach einhellig
gegenteiligen gerichtlichen Erkenntnissen, keine weiteren Folgen hatte,
ist erschreckend. Der Zweck der weiteren Eltern-Kind-Entfremdung wird damit
praktisch risikolos erreicht. Vgl. dazu im Gegensatz, die recht deutliche
Sprache in der Entscheidung des OLG
Nürnberg vom 15.6.1998 mit der das Urteil eines AmtsG bestätigt
wurde.
Weitere Anmerkung: Die Entscheidung (vor dem 1.7.1998) beruht auf dem alten Kindschaftsrecht. § 1671 BGB wurde völlig neu gestaltet, nachdem insbesondere die Bestimmung (Abs. 4), daß die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen sei, schon lange vorher als verfassungswidrig erklärt worden war (BVerfGE 61, 358; FamRZ 1982, S. 1179). Die bisherige Fassung lautete:
§ 1671 BGB a. F. [Elterliche Sorge nach der Scheidung]
(1) Wird die Ehe der Eltern geschieden, so bestimmt das Familiengericht,
welchem Elternteil die elterliche Sorge für ein
gemeinschaftliches Kind zustehen soll.
(2) Das Gericht trifft die Regelung, die dem Wohle des Kindes am besten entspricht; hierbei sind die Bindungen des Kindes, insbesondere an seine Eltern und Geschwister, zu berücksichtigen.
(3) Von einem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern soll das Gericht
nur abweichen, wenn dies zum Wohle des Kindes
erforderlich ist. Macht ein Kind, welches das vierzehnte Lebensjahr
vollendet hat, einen abweichenden Vorschlag, so
entscheidet das Gericht nach Absatz 2.
(4) Die elterliche Sorge ist einem Elternteil allein zu übertragen.
Erfordern es die Vermögensinteressen des Kindes, so
kann die Vermögenssorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil
übertragen werden.
(5) Das Gericht kann die Personensorge und die Vermögenssorge einem Vormund oder Pfleger übertragen, wenn dies erforderlich ist, um eine Gefahr für das Wohl des Kindes abzuwenden. Es soll dem Kind für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einen Pfleger bestellen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
(6) Die vorstehenden Vorschriften gelten entsprechend, wenn die Ehe der Eltern für nichtig erklärt worden ist.
§ 1672 BGB in der bisherigen Fassung besagte, daß § 1671 Abs.1-5 entsprechend bei dauernder Trennung gelten soll und das Gericht auf Antrag oder bei Kindeswohlgefährdung entscheidet. Der neue § 1672 bezieht sich auf das Sorgerecht nichtehelicher Eltern.
Auch § 1696 BGB [Veränderlichkeit der getroffenen Anordnungen] ist nach dem 1.7.1998 modifiziert. Die bisherige Fassung (a. F.) lautete:
(1) Das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht können während
der Dauer der elterlichen Sorge ihre Anordnungen
jederzeit ändern, wenn sie dies im Interesse des Kindes für
angezeigt halten.
(2) Maßnahmen nach den §§ 1666 bis 1667 und nach § 1671 Abs. 5 sind aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht.
(3) Länger dauernde Maßnahmen nach den §§ 1666 bis 1667 und nach § 1671 Abs. 5 hat das Gericht in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen.
Jetzt ist aus der "Kann" Vorschrift des Abs. 1 eine "Muß" Vorschrift
bei triftigen Gründen geworden.
Im KindRG ist § 1671 Abs. 5 BGB a. F. entbehrlich.
Für die Anordnung einer Vormundschaft oder Pflegschaft ist jetzt ohnehin
das Familiengericht zuständig (§§ 1666,
1697
BGB). § 1671
Abs. 1 ermöglicht
die Übertragung (den Entzug) eines Teils der elterlichen Sorge.
Der Begriff "elterliche Sorge" wurde durch das KindRG nicht abgeändert, etwa in "Elternverantwortung", obwohl diese jetzt mehr betont wird, z.B. in der Umgangsverpflichtung § 1684 BGB und § 52 FGG.