Information von Väter für Kinder e.V.:

 

ZDF FRONTAL vom 5.10.1999: Aufgehetzt - Kinder im Scheidungskrieg 

 

Einleitende Ausführungen (Hauser):

(mit freundlicher Genehmigung des ZDF)

Bei Scheidungen oder Trennungen stehen die ersten Verlierer immer fest, es sind die Kinder. Weil viele Eltern den Konflikt, den sie mit ihrem Expartner austragen nicht vom Kindeswohl trennen können, wird das Kind als Waffe mißbraucht. Das Umgangsrecht wird verweigert, dadurch wird der Expartner dem Kind entfremdet und zuletzt wird der ehemalige Vater oder die Mutter zum Feind hoch stilisiert. Bei Anhörungen vor Gericht schlagen sich die instrumentalisierten Kinder dann meist auf eine Seite. Für viele deutsche Richter ist ein derartiges Verhalten Grundlage für ihre spätere Entscheidungen. Eine Entscheidung, die häufig falsch ist, da sie den manipulierenden Elternteil bevorzugt. Für das Verhalten von Kindern, sich dem einen Elternteil kalt zu verweigern und den anderen hoch zujubeln, gibt es längst einen Begriff "PAS", das Eltern Feindbild Syndrom. In den USA, in Kanada und in Tschechien ist PAS längst ein justiziabler Tatbestand. In deutschen Gerichtssälen ist PAS so gut wie unbekannt.

Bericht von Markus Bonkowski & Ludwig B. Klug.

Es kamen zu Wort (in der Reihenfolge ihres Auftritts):

Schlußwort (Hauser):
Der eigentliche Skandal ist die Rechtssprechung, die Gesetze reichen an sich aus, aber die Richter müssen endlich damit anfangen, tatsächlich sich um das Wohl des Kindes zu kümmern.

Kommentar (VfK e.V.):

Die einleitenden Worte sprechen u.a. einen sehr kritischen Punkt an in dem sich PAS von den bekannten Ritualen der Umgangsvereitelung, die ja vom Standpunkt des Kindes aus auch rein passiv ablaufen können, wesentlich unterscheidet: der augenscheinliche Wille des Kindes. Die in (negativen, ablehnenden) Aussagen zum Ausdruck gebrachte aktive Rolle des Kindes in schweren Trennungs/Scheidungskonflikten verdient unserer Meinung nach besondere Aufmerksamkeit und das Phänomen deshalb auch einen eigenen, einprägsamen Namen. Diesen prägte Gardner etwa 1984 mit PARENTAL ALIENATION SYNDROME (PAS), als er eine Häufung solcher heftigen Sorge/Umgangsrechtskonflikte feststellte. Es erscheint uns völlig müssig darüber zu diskutieren, ob es sich dabei etwa um ,,alten Wein in neuen Schläuchen" handelt, oder damit eine neues Krankheitssyndrom bezeichnet werden soll. Natürlich gab es das entsprechende Phänomen auch früher und wurde auch schon beschrieben, wenn auch z.T. zumindest mit weniger treffenden Namen. Selbstverständlich ist es auch nicht sinnvoll jeden Trennungs / Scheidungskonflikt oder jede ablehnende Reaktion eines Kindes unter dem Begriff PAS zu subsumieren. Es kommt allein darauf an, wie mit diesen Problemen im Sinne des Kindeswohls am besten umgegangen wird.

Im Vergleich zu einer Tatsachenfeststellung über eine Vereitelung des Umgangs mit einem Kleinkind etwa, erscheint es viel schwieriger aus den Äußerungen eines Kindes herauszuschälen, inwieweit diese tatsächlich seinem freien Willen entsprechen, in welchem Ausmaß sie der Erwartungshaltung eines (des Wohn-)Elternteils folgen (vereinfachend: ,,Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"), oder durch negative Äußerungen über den abwesenden Elternteil beeinflußt sind. Gerade in der Stresssituation einer zudem noch notwendigerweise kurzen richterlichen Anhörung erscheint dies besonders schwierig. Ob es in der Anhörung gelang, den tatsächlichen, unbeeinflußten Willen des Kindes zu eruieren, soweit die augenblicklichen Willensäußerungen eines Kindes überhaupt für das langfristige Kindeswohl bestimmend sind, entzieht sich in Deutschland zudem noch fast vollständig der Kontrolle der Betroffenen und ihrer Rechtsvertreter.

Wenn überhaupt ein Protokoll der Anhörung angefertigt wird, so liegt es in der Praxis ganz im Ermessen des Gerichts, was darin aufgenommen wird. Die Fragen selbst werden meist nicht wiedergegeben, obwohl die Art der Fragestellung gerade bei PAS Verdacht besonders kritisch ist. Vgl. hiezu den frühen Aufsatz von R. A. Gardner ,,Judges Interviewing Children in Custody/Visitation Litigation" aus 1987 und Kap.4 ,,Detection Factors: Uncovering the Programmer's Themes and Processes", S. 69ff, s. 165ff, Table 14 in Clawar &Rivlin, "Children held Hostage. Dealing with programmed and brainwashed children" (1991).

Nichtsuggestive Fragen und kritisches Hinterfragen können den Kollaps einstudierter Antworten einleiten und zu einer Deprogrammierung des Kindes beitragen. Vgl. Kap. 6 ,,Deprogramming Factors: Forms of Intervention" in Clawar &Rivlin, S. 131 ff. Dies erfordert aber viel Erfahrung und meist viel Zeit. Diese Situation ist am ehesten in einer psychologischen Begutachtung gegeben. Anders als in einer richterlichen Anhörung des Kindes kann und sollte dabei das gesamte Familiensystem einbezogen werden, z.B. die Beobachtung der Wechselwirkung des Kindes mit den jeweiligen Elternteilen. Obwohl eine solche Begutachtung klar von einer Beratung oder Therapie zu unterscheiden ist (die, hier anders als etwa in den USA, nicht angeordnet werden), schon wegen der (nicht vertraulichen) Berichterstattung an das Gericht, bedeutet sie auch eine Intervention, die wesentlich zur konstruktiven Konfliktminderung beitragen kann. Darüber kam es z. B. auf der Tagung in Bad Boll zu Psychologie im Familienrecht, 1998, auf der diese Fragen intensiv diskutiert wurden, schließlich zu einem weitreichenden Konsens. Ob es zu einer derartigen Begutachtung kommt und wer damit beauftragt wird, liegt bei uns ebenfalls weitgehendst im Ermessen des Gerichts. Als auf der Tagung in Bad Boll die Frage der Gutachterwahl diskutiert wurde, gab ein Rechtsanwalt aus seiner Erfahrung heraus den etwas zynischen Rat, diejenigen vorzuschlagen, die man mit größter Sicherheit ausgeschlossen haben will.

Diese Fragen sind schwierig und erfordern mehr Diskussion, aber zunächst auch einen Blick auf Lösungen die andernorts bereits gefunden wurden. Darüber, dass Eltern bei der richterlichen Anhörung der Kinder zu Sorge-/Umgangsrecht nicht anwesend sein sollten, ist man sich z. B. auch in den USA weitgehend einig, aber Wortprotokolle, Tonbandaufnahmen, oder die Anwesenheit der beidseitigen Rechtsvertreter sind weitgehend Standard, seit der Uniform Marriage and Divorce Act sec. 404 (a) forderte "The court shall cause a record of the interview to be made and to be part of the record in the case".Vgl. z. B. FACTORS AFFECTING CHILDRENS' POWER TO CHOOSE THEIR CARETAKERS IN CUSTODY PROCEEDINGS by Eric Speth, J.D., Ph.D. in Custody Newsletter #12/13, 1995.

Aus deutschen Gerichten ist uns ein Beschluß des OLG Karlsruhe -2 UF 317/95 vom 27.12.1995 bekannt, der lediglich fordert:

»Wegen der Bedeutung der Anhörung des Kindes bei der Sorgerechtsentscheidung ist es mit Blick auf eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht und um gegebenenfalls wiederholte, für das Kind belastende Anhörungen zu vermeiden, geboten, daß das erstinstanzliche Gericht im Sitzungsprotokoll oder einem ergänzenden Aktenvermerk das Anhörungsergebnis aussagekräftig wiedergibt.«,

aber immerhin wegen der Verletzung dieses Leitsatzes die Sorgerechtsentscheidung aufhob und das Verfahren an die Erstinstanz zurückverwies:

Das Amtsgericht hat zwar im Protokoll vom 19. 09. 1995 auf der ersten Seite vermerkt: "Erschienen bei Aufruf: zunächst die Kinder D. und F., die vom Gericht angehört werden. " Es hat auch den Beteiligten sodann "die wesentlichen Angaben der Kinder" bekanntgegeben (Seite 2 des Protokolls). Es hat indessen über das Ergebnis der Anhörung weder in diesem Protokoll noch in einem gesonderten Aktenvermerk etwas festgehalten. Damit ist zwar dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ausreichend Rechnung getragen, indessen den anderen, die Dokumentation im dargelegten Sinne gebietenden Gründen nicht Genüge getan.

Auf Gründe, die für eine gerichtlich angeordnete, verpflichtende Beratung oder Therapie bei die Kinder betreffenden Konfliktsituationen sprechen und Modelle hierfür, sind wir schon wiederholt eingegangen. Eine Reihe amerikanischer Gerichtsbezirke machen eine entsprechende Beratung schon als vorbeugende Maßnahme sogar zur Voraussetzung für jede Scheidung mit minderjährigen Kindern. Positive Erfahrungen wurden auch in Deutschland und im weit größerem Umfang in Österreich gemacht, mit Modellen in denen vermehrt Beratung/Mediation direkt am Gericht wenigstens angeboten wurde.

 

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