Trennungsberatung und Familienmediation im Ausland
Zum Vergleich mit dem im Ausland bereits vorhandenen und bewährten
Maßnahmen fassen wir hier noch einmal kurz die im Referentenentwurf zur
Reform
des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für Deutschland vorgesehenen Maßnahmen zusammen:
§ 144 [Außergerichtliche Streitbeilegung über Folgesachen]
(1) Das Gericht kann, sofern ein vereinfachtes Scheidungsverfahren nicht stattfindet, anordnen, dass die Ehegatten
einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen
Streitbeilegung
anhängiger Folgesachen bei einer von dem Gericht benannten Person oder
Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen.
(2) Das Gericht soll in geeigneten Fällen den Ehegatten eine außergerichtliche Streitbeilegung anhängiger Folgesachen vorschlagen.
und aus §165 [Beschleunigungsgebot, Hinwirken auf Einvernehmen]:
4) Das Gericht soll in diesem Termin und in jeder Lage des Verfahrens
auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken. Es weist auf
Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste der
Träger der Kinder – und Jugendhilfe insbesondere zur Entwicklung eines
einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und
der elterlichen Verantwortung hin. Das Gericht soll in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit der Mediation oder der sonstigen außergerichtlichen
Streitbeilegung hinweisen. Es kann anordnen, dass die Eltern an einer Beratung nach Satz 2 teilnehmen.
Aus den eingefügten Hervorhebungen geht hervor, dass es sich entweder
um bloße Kann-Bestimmungen handelt, oder um Soll-Bestimmungen, die aber
durch ,,in
geigneten Fällen"eingeschränkt
sind, statt nur begründete Ausnahmen zuzulassen, und damit fast ebenso
unverbindlich werden. Von "Zwangsberatung" kann angesichts dieser
zaghaften Maßnahmen und den sehr eingeschränkten Konsequenzen, sollte
eine Anordnung ergehen, diese aber nicht befolgt werden, keine
Rede sein. Erst recht nicht kann von "Zwangsmediation" gesprochen
werden, wenn lediglich ein erstes, kostenfreies Informationsgespräch
über außergerichtliche Streitbeilegung (statt diese selbst) angeordnet
werden kann. Zum Vergleich mit dieser selbst von eindeutigen Befürwortern als niedrigste Stufe einer Implementierung von Mediation in das gerichtliche
Verfahren bezeichneten Maßnahme wollen wir zunächst das in Österreich praktizierte Modell der Co-Mediation beschreiben.
Co-Mediation in Österreich
In Österreich hat man zunächst, wir wir im Zusammenhang mit
dem Regensburger Modellversuch (ab 1991) einer gerichtsnahen Beratung berichteten, Modellversuche „Familienberatung bei Gericht - Mediation -Kinderbegleitung bei Scheidung oder Trennung der Eltern“,an
einer Reihe von Gerichten durchgeführt. Anders als leider in
Deutschland, hat man die daraus gewonnenen positiven Erfahrungen
konsequent umgesetzt, mit entsprechender gesetzlicher Verankerung und
finanzieller Ausstattung (seit 1997) und 1999 wurde das
Konfliktregelungsmodell "Mediation" mit dem
Eherechtsänderungsgesetz gesetzlich verankert, vgl. die
detaillierte Darstellung in der
Ausführungsrichtline zur Mediation gemäß §39 c FLAG 1967 (Mediation in Familienrechtlichen Konfliktfällen)
, in der novellierten Fassung von 2001 (pdf Datei,37 Seiten) .
Familienmediation wird in Österreich als Co-Mediation
durchgeführt, d.h. von jeweils von zwei
Mediator(inn)en, wobei ein Mediator/eine Mediatorin eine
psychosoziale Ausbildung (Sozialarbeiter/in, Therapeut/in...) und
der/die andere Mediator/Mediatorin eine juristische Ausbildung
(Rechtsanwalt/wältin, Richter/in, ...) hat. Dadurch wird der wichtigen
Tatsache Rechnung getragen, dass in einem Trennungs-Scheidungskonflikt
sowohl schwierige psychologische als auch rechtliche und
wirtschaftliche Probleme gleichzeitig und vordringlich zu lösen sind
und für beide Themen die bestmögliche Unterstützung gegeben werden soll.
Ferner sollte das Mediatorenteam möglichst aus einer Frau und einem
Mann bestehen um Ängsten der Medianden zu begegnen, dass einer der
beiden Konfliktpartner bevorzugt werden könnte, obwohl oberster
Grundsatz stets die strikte Neutralität der Mediatoren ist. (In
Nordamerika hat sich wegen solcher Ängste, auch solcher, dass ein in
rechtlichen Fragen weniger versierter Konfliktpartner "überfahren"
werden könnte, ein alternatives Konfliktlösungsmodell entwickelt, bei
dem neben beiden Konfliktpartnern auch deren Anwälte am Gespräch
beteiligt sind, die sich aber strengen Ethikregeln unterwerfen, und das
Gericht erst angerufen wird, wenn eine einvernehmliche
Trennungs-/Scheidungsregelung erzielt wurde. Soll später ausführlicher
dargestellt werden).
Der zweite sehr
wesentliche Punkt am österreichischen Modell ist, dass von den
Mediatoren neben ihrer psychologischen oder juristischen
Grundausbildung außerordentliche hohe Zusatzqualifikationen
gefordert werden, die sie in hunderten von Ausbildungstunden erarbeiten
und dann nachweisen müssen, vgl. dazu z. B. aus Sicht einer
Psychologin, Elisabeth Gaszo, "Das österreichische Zivilrechtsmediationsgesetz und seine Auswirkungen auf die Praxis" (aus Psychologie in
Österreich. Heft 5/2005, pdf Datei), und das Bundesgesetzblatt vom 6. Juni 2003, Zivilrechtsmediationsgesetz (ZivMediatG) (pdf Datei, 11 Seiten), sowie die Zivilrechts-Mediations-Ausbildungsverordnung (ZivMediat-AV) vom 22.1.2004 (pdf Datei, 5 Seiten).
Nur MediatorInnen die eine solche vom Bundesministerium der Justiz
anerkannte Ausbildung absolviert haben und die außerdem in
eine vom Ministerium geführte Liste aufgenommen wurden (wozu u.a. noch
eine abgeschlossene spezielle Haftpflichtversicherung für Mediatoren
erforderlich ist), dürfen sich "Eingetragene MediatorInnen" nennen.
Entscheidend für den Erfolg von Mediation ist natürlich auch neben den
hohen Qualifikationsanforderungen, dass diejenigen die sie nützen
möchten [Familienmediation in Österreich ist freiwillig, anders als die
Verpflichtung zur vorgeschalteten Schlichtung oder Mediation bei
Nachbarschaftsstreitigkeiten etc. vgl. z.B. Zivilrechts-Änderungsgesetz (ZivRÄG2004)], sich das auch unabhängig von ihren
wirtschaftlichen Verhältnissen finanziell leisten können.
Das wird eine nach Einkommen und Kinderzahl gestaffelte finanzielle
Förderung (pdf Datei) durch das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen u. Konsumentenschutz nach genau festgelegten Richtlinien (pdf Datei) erreicht, entsprechend § 39 c FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz von 1967). Eine Förderung kann nur in Anspruch genommen werden,
wenn sich die Parteien für Mediator(inn)en entschieden haben, die in der Liste
(pdf Datei, 76 Seiten) des Ministeriums angeführt sind. es werden dabei
maximal 12 Stunden gefördert. Es ist dabei durchaus
üblich kostenlose Informationsgespräche anzubieten, ähnlich wie
sie der Entwurf zum deutschen FAmFG erstmals und
als leider immer noch einizge Maßnahme vorsieht.
Schließlich noch ein wichtiger rechtlicher Punkt aus dem Zivilrechtmediationsgesetz:
V. Abschnitt [Hemmung von Fristen]
§ 22. (1) Der Beginn und die gehörige Fortsetzung einer Mediation durch
einen eingetragenen Mediator hemmen Anfang und Fortlauf der Verjährung
sowie sonstiger Fristen zur Geltendmachung der von der Mediation
betroffenen Rechte und Ansprüche.
(2) Die Parteien können schriftlich vereinbaren, dass die Hemmung auch
andere zwischen ihnen bestehende Ansprüche, die von der Mediation nicht
betroffen sind, umfasst. Betrifft die Mediation Rechte und Ansprüche
aus dem Familienrecht, so umfasst die Hemmung auch ohne schriftliche
Vereinbarung sämtliche wechselseitigen oder von den Parteien
gegeneinander wahrzunehmenden Rechte und Ansprüche familienrechtlicher
Art, sofern die Parteien nichts anderes schriftlich vereinbaren.
Eine Darstellung der Tendenzen der Mediation in Österreich findet sich in
der Hausarbeit von Sabine Koch, TU Chemmnitz 2005 (pdf Datei, 15 Seiten).
Eine sehr ausführlicher Vergleich der Beratungs- und
Informationsangebote für Familien in Deutschland und Österreich findet
sich in der MA Dissertation von Franziska Rülke, Parenting Education –Strengthening parental competences during early
childhood. A comparison between Germany and Austria.
Dissertation for the MA in Comparative European Social Studies at
London Metropolitan University / Hogeschool Zuyd, Maastricht.Date of
Submission: 16 / 08 / 2004. (lesbar nach Umbenennung in eine pdf
Datei, 164 Seiten).
Vgl. dazu auch direkt das sehr umfangreiche Download- und kostenlose Informationsangebot des österreichischen Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen u. Konsumentenschutz, auch mit einem speziell Männer/Väter betreffenden Teil.
Information über Geförderte Familienmediation ist auch auf den Webseiten des Österreichischen Bundesverbandes für Mediation zusammengefasst.
Schließlich zur "Entspannung" noch ein Interview mit einer in
Österreich prominenten Journalistin und jetzigen Europaabgeordneten zu
ihrer persönlichen Erfahrung mit Familienmediation. Und hier das Interview mit ihrem Ex-Ehemann.
Wird fortgesetzt.
Zuletzt geändert:17 January 2022 .
Teil I: Beratung,
Familienmediation und das FamFG
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