Deutsche Sorgerecht-Entscheidungen
Seit der Kindchaftsrechtsreform von 1998 wird über das Sorgerecht nur
mehr auf Antrag verhandelt, ansonsten bleibt es bei der gemeinsamen
Sorge nach der Scheidung. Der Konflikt hat sich damit
überwiegend auf den Umgang verlagert. Verfahren zum Umgang die sich über Jahre wenn nicht sogar
ein Jahrzehnt lang hinziehen, wenn der ausgegrenzte Elternteil nicht
früher resigniert oder der Fall sich "einfach" durch Erreichen de
Volljährigkeit "von selbst erledigt", kennen wir leider zur Genüge. Die
psychischen Belastungen des Kindes sind in solchen Hochkonfliktfällen
sicher nicht nur auf die Zeit des langen Rechtsstreites beschränkt,
sondern wie die Forschung zeigt, führt eine solche "schlechte"
Trennung/Scheidung zu Langzeitfolgen
im Erwachsenenleben die gravierender sind als sie es schon bei einer
sogenannten "guten" Trennung/Scheidung sind. Wichtig wäre daher
zunächst Prävention durch eine möglichst rasche Bearbeitung strittiger
Fälle, bevor sich die Fronten verhärten. Eine geschlossene Phalanx von
Scheidungsbegleitern sollte unter Zuhilfenahme von Beratungsangeboten
und Mediation auf eine einverrnehmliche Lösung hinarbeiten (wie es z.
B. die Cochemer Praxis vorsieht), statt dass, wie leider so
oft, das Verfahren eskaliert wird. Ansonsten wäre es wirklich
wichtig Entscheidungen auch konsequent und raschestens durchzusetzen,
wenn nötig durch Zwangsmittel oder eben durch einen ,,raschen Schnitt"
bezüglich des gesamten Sorgerechts oder zumindest des
Aufenthaltsbestimmungsrechts. Blosse richterliche Appelle an die
Einsicht des entfremdenden Elternteils, wenn sie denn erfolgen, nützen
in solchen langjährigen Hochkonfliktsfällen leider nichts. All das wäre
innerhalb der bestehenden Gesetzeslage schon möglich. Andere
Möglichkeiten, wie sie z. B. in den USA schon längst genützt werden,
wie Nachweise über verpflichtende Beratung/Kurse über Scheidungsfolgen
als Voraussetzung für eine Scheidung mit minderjährigen Kindern,
Mediation, Unterstützung durch einen besonders qualifizierten und
erfahrenen "special master" der auch mit gewissen Vollmachten
ausgestattet ist und gerichtliche Anordnung und Überwachung einer
systemischen Familientherapie (Intervention, statt bloßer Begutactung
des Istzustandes) würden allerdings Gesetzesänderungen erfordern.
Wie die nachfolgenden Urteile leider zeigen, hat sich auch durch
die Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit , FamFG
vom 1.9.2009 trotz Beschleunigungsgebot § 155 FamFG und Versuch
einer einvernehmliche Lösung § 156 FamFG an dieser Problermatik
praktisch wenig verändert.
Wiedergegeben auch in ZKJ 2012 (2), S. 71-74.
Bestätigung des Beschlusses des AG- Familiengerichts Bonn vom
10.05.2011 -404 F 361/10 mit dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht
, sowie die Rechte zur Regelung schulischer Belange, zur Regelung
erzieherischer Hilfen, und zur Regelung des Umgangs
der beiden Eltern mit den beiden Kindern, geb.
Februar 2000, Oktober 2003 auf das Jugendamt als Pfleger
übertragen wurde. Obwohl die Kinder, vor allen die ältere Tochter
besonders vehement, sich gegen eine Herausnahme aus dem
väterlichen Haushalt und gegen einen Verbleib im Internat ausgesprochen
haben, wurde die Beschwerde des Vaters mit einer sehr
ausführlichen und wirklich lesenswerten Begründung abgelehnt. Auch der
Senat gelangte (ohne einer weiteren mündlichen Verhandlung mit Anhörung
der Beteiligten) zu der Überzeugung, dass einer drohenden nachhaltigen
Gefahr für das seelisch-geistige Wohl der Kinder derzeit nicht anders
begegnet werden kann, als durch den Entzug obiger
Sorgerechtsteilbereiche.
,,Die Kindeseltern
haben ihren Beziehungskonflikt untereinander nicht aufgearbeitet und
können – bewusst
oder unbewusst – aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur ihre heillose
Zerstrittenheit in Bezug auf die fehlende Wertschätzung des jeweils
anderen Partners und auf die Frage der Erziehung ihrer Kinder dem
Kindeswohl nicht unterordnen. Vielmehr haben sie immer wieder – und
hier insbesondere der Kindesvater – versucht, die Kinder zu
instrumentalisieren und für die jeweils eigene Sicht der Dinge
einzuspannen. Dies hat dazu geführt, dass die beiden Mädchen einem
hohen Loyalitätskonflikt ausgesetzt sind und in ihrer
Persönlichkeitsfindung, insbesondere in Fragen der Standortfindung und
eigenen Meinungsbildung, orientierungslos erscheinen. Insbesondere die
ältere Tochter K. hat bereits erhebliche Persönlichkeitsdefizite in
ihrer seelisch-geistigen Entwicklung ausgebildet, die darauf
zurückzuführen sind, dass sie unter dem Einfluss ihres Vaters zu
heftigen Überreaktionen neigt. Es ergeben sich deutliche
Sozialisationsrückstände. Bei einem Belassen von K. beim Vater bestünde
die begründete Gefahr, dass diese Entwicklungsstörungen sich
verfestigen und eine natürliche altersgerechte Entwicklung verhindert
würden. Insbesondere wäre zu befürchten, dass das ohnehin derzeit
gestörte
Verhältnis zur Mutter weiter untergraben wird."
Zu letzterem heißt es in der Begründung nur, dass die Mutter dem
derzeit eindeutigen Willen der Kinder nicht bei ihr wohnen zu wollen
Rechnung trage und füge sich hierin, um einer Normalisierung der
Situation nicht im Wege zu stehen.
Welche Rolle sie möglicherweise spielte, als die ältere Tochter in
früherer Zeit zu ihr wechseln wollte und dabei ähnliche Vorwürfe gegen
den Vater erhob, ist nicht erläutert, anders als die ausführliche
Darstellung.der Persönlichkeitsstruktur des Vaters, seiner mangelnden
Einsichtsfähigkeit und deren negaiver Einfluss auf die Kinder. Wenn er
an sich arbeite (mit Hilfe einer Psychotherapie) und Einsicht zeige sei
,,auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen die
Sorgerechtsentscheidung nach einer gewissen Zei dahin zu überprüfen, ob
das Sorgerecht nunmehr dem einen oder anderen Elternteil ieder
übertagen werden kann."
Dem Jugendamt als Pfleger obliegt es die Kinder einer geeigneten
Therapie zuzuführen. Weil das ältere Kind als Sprecherkind auftritt,
mit einem erheblichen Einfluss auf die bis jetzt weniger gestörte
jüngere Schwester, sei dabei auch eine Trennung der Geschwister in
Betracht zu ziehen.
OLG Köln, Beschluss v. 22.03.2011 -4 UF 29/11. Entzug des Sorgerechts wegen anhaltender Beziehungskonflikte der Eltern, ZKJ 2011, Seiten
254-256.
Das
Familiengericht hat bei seiner Entscheidung diese Maßstäbe beachtet.
Die Gefahr einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung in Form gravierender
Entwicklungsstörungen der Kinder ist evident. So hat das
erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten bereits erhebliche
Entwicklungsstörungen bei den beteiligten Kindern festgestellt. Diese
kindeswohlgefährdenden Entwicklungsstörungen sind gerade durch das
erzieherische Fehlverhalten der Kindeseltern begründet. Extrem häufige
Trennungen der Kindeseltern verbunden mit häufigen Umzügen sowie die
damit verbundenen Loyalitätskonflikte, die den Kindern zugemutet worden
sind, haben diese so schwer belastet, dass von den beteiligten
Kindeseltern eine störungs- und angstfreie Entwicklung ihren Kindern
nicht ermöglicht wurde. Die jeweiligen Trennungen haben zu
fortschreitenden Entwurzelungen der Kinder geführt. Die Versuche der
Kindeseltern, jeweilige Umgangskontakte zu vereiteln, haben zudem
Loyalitätskonflikte bei den Kindern hervorgerufen. Auch dies hat zu
nachhaltigen Schäden in der seelischen Entwicklung aller Kinder
geführt. Diese Gefährdungssituation ist noch dadurch verstärkt worden,
dass – wie der Sachverständige in seinem erstinstanzlich erstellten
Gutachten vom 06.08.2010 (vgl. Sonderband Gutachten zu 13 F 133/10)
festgestellt hat - bei beiden Elternteilen Defizite in der
Elterlichkeit vorliegen, die diese nicht bereit bzw. in der Lage waren
durch eine verantwortliche Zusammenarbeit in der gemeinsamen
elterlichen Sorge auszugleichen. Auf Seiten des Kindesvaters fielen
dabei verstärkend gravierende persönliche charakterliche Defizite ins
Gewicht. So scheint der Kindesvater nicht in der Lage zu sein, seine
Emotionen in den Griff zu bekommen. Vielmehr neigt er auch in Gegenwart
der Kinder zu verbalen Ausfällen und auch Tätlichkeiten zumindest
gegenüber der Antragsgegnerin. Dies hat wiederholt zur Flucht der
Antragsgegnerin in Frauenhäuser geführt. Andererseits ist auch die
Antragsgegnerin nicht in der Lage, Konstanz und Kontinuität in die
Erziehungstätigkeit zu bringen. Auch sie ist viel zu sehr in der
Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann verhaftet, als dass sie das Wohl
ihrer Kinder im Auge hätte. Es ist nicht absehbar, dass sich diese
Konflikte trotz ihrer negativen Auswirkungen auf das Bedürfnis der
Kinder nach Sicherheit und Stabilität beenden ließen. So ist das
Bindungsverhalten der Kinder wie auch deren psychische Stabilität schon
massiv beeinträchtigt. In der 23 Jahre dauernden Beziehung der
Kindeseltern sollen 17 Trennungen erfolgt sein, wobei zumindest
teilweise auch Gewalttätigkeiten des Antragstellers eine Rolle spielten
und in die die Kinder jeweils seit ihrer Geburt eingebunden waren und
noch sind. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass derart
hochemotionale Trennungen und Versöhnungen nicht nur die Eltern an die
Grenze des für sie emotional Ertragbaren gebracht haben, sondern, dass
auch ihre Kinder hierdurch massiv beeinträchtigt werden mussten..
.....
Gegen
eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter und den
Verbleib der Kinder bei der Kindesmutter spricht schon der verfestigte
erklärte Kindeswille. Wobei auch hier, wie der Sachverständige
überzeugend festgestellt hat, dieses mit der Willensbildung verbundene
negative Bild der Kinder von ihrer Mutter ganz entscheidend und für die
Entwicklung der Kinder schädlich vom Kindesvater mit geprägt worden
ist. Bei dieser Sachlage kann dem Willen der Kinder, beim Vater zu
bleiben, nur insoweit entsprochen werden, als ein Verbleiben der Kinder
bei der Mutter unter Beibehaltung ihres Sorgerechts ausscheidet. Und
der Entzug der elterlichen Sorge auf Seiten des Vaters nicht notwendig
damit verbunden sein muss, dass die Kinder auch aus seinem Haushalt
genommen werden. Das Jugendamt wird in eigener Verantwortung zu prüfen
haben, inwieweit trotz der Erziehungsdefizite des Kindesvaters ein
Belassen der Kinder in dessen Haushalt möglich ist.
OLG
Saarbrücken, Beschluss v. 16.11.2011 -6 UF 126/11, Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge trotz
jahrelangem Umgangsboykott,. Gründe in ZKJ
2012(3), S. 115-118. In
diesem Fall kam auch nach Einsetzung einer Umgangspflegschaft wegen der Haltung der Mutter kein
Umgang zustande. Jedoch sei ihr und nicht dem Vater das alleinige Sorgerecht aus Kontinuitätsgründen
und Unklarheit über
einen Sorgeplan des Vater zuzusprechen. Als rechtliche Mittel gegen den
Umgangsboykott steht nur die Anordnung eines Ordnungsgeldes und die
mögliche (Teil-)Verwirkung der Ansprüche des betreuenden Elternteil auf
Trennungs -und nachehelichn Unterhalt zur Verfügung.
Der Fall G.(1994-2008):
Zum Verbleib der (hier: 1992 als
Zwillige geborenen Kinder bei der für erziehungsungeignet gehaltenen
Mutter unter gleichzeitiger Übertragung der elterlichen Sorge auf den
(in den USA lebenden) Vater mit Ausnahme des auf einen
Ergänzungspfleger übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts. [Leitsatz
der Redaktion, FamRZ 2005 (19), S.
1700-1702, Urteil in Auszügen, mit Anmerkungen.]
Ein extremer
Fall einer hartnäckigen Umgangsverweigerung, Nichtbeachtung
sämtlicher gerichtlichen Anordnungen, sowie massive Beeinflussung
der Kinder gegen ihren Vater, bis zu einem zumindest vorläufig
nicht mehr umkehrbaren "point of no return" ist der
der 1992 geborenen Zwillinge G. und S. der die deutschen
Gerichte etwa schon seit der Trennung in 1994 beschäftigt.
Die jetzt endlich gesetzten Massnahmen und die sehr deutlichen,
wirklich lesenswerten Worte im Beschluss des OLG
Frankfurt/M -1UF 94/03 v. 11.5.2005 kommen daher leider
viel zu spät. Sehr deutliche Worte zu diesem beispiellosen Fall fanden
sich allerdings auch schon in dem damit abgeänderten Beschluss des AmtsG Frankfurt/M -Höchst vom
18.2.2003 -402 F2373/01 S0 mit dem das Sorgerecht zunächst
auf das Jugendamt übertragen wurde [FamRZ 2004 (19), S.
1595-1597]. Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Mutter als
auch der Vater befristete Beschwerde eingelegt. Beide erstrebten mit
ihrem Rechtsmittel die uneingeschränkte Übertragung der elterlichen
Sorge auf sich. Die weiteren Vorgänge, dargestellt im Beschluss
des OLG, sind ebenfalls bisher ohne Beispiel:
Die Mutter erklärte sich
nach früherer vollständiger Verweigerung nunmehr bereit an einer
Begutachtung mitzuwirken, insistierte aber darauf, dass der
Sachverständige Psychiater sei und dass die Gespräche in ihrer Wohnung
stattfanden. Sie wurden aber nach dem zweiten Mal dennoch von ihr
abgebrochen.
Einen ähnlich alarmierenden
Bericht wie der Sachverständige (25.1.2004) gab der Amtsvormund des
Jugendamtes ab (15.3.2004).Sämtliche Kompromiss- und
Schlichtungsversuche sowie erteilte Auflagen seien unterlaufen worden.
Man gehe von einer Kindeswohlgefährdung im höchsten Maße aus.
Auf Antrag des
Amtsvormundes erging deshalb am 19.3.2004 ein Senatsbeschluss, dass die
Kindern an diesen herauszugeben seien, und der Amtsvormund verbrachte
die Kinder daraufhin in eine therapeutische Einrichtung. Durch
Beschluss vom 8.4.2004 ordnete der Senat ihre stationäre Begutachtung
an. Angesichts der Bedenken gegen die Erziehungsgeeignetheit der Mutter
sollte der Aufenthalt auch dazu dienen, zu klären, ob sich losgelöst
von der Mutter in Kontakten zwischen den Kindern und ihrem Vater - auch
im Hinblick auf eine Änderung des Sorgerechts - eine Beziehung zu
diesem anbahnen lässt.
Nach den Berichten
aus der therapeutischen Einrichtung lebten sich beide Kinder dort
überraschend gut ein. Dies galt sowohl für die Wohngruppe des Heimes
als auch die neue schulische Umgebung. Sie gingen davon aus, der
Aufenthalt dauere nicht allzu lange und erlebten ihn miteinander als
Geschwister offenbar trotz der Schwierigkeiten der Situation zunächst
auch wie ein Stück Abenteuer. Allerdings ist es auch der Einrichtung
nicht gelungen, die Mutter wie eigentlich vorgesehenen auf Distanz zu
den Kindern zu halten. Die Mutter nahm sich nach kurzer Zeit im
selben Ort ein Zimmer, traf sich mit den Kindern unabhängig von den
vorgesehenen Umgangszeiten heimlich außerhalb der Einrichtung,
versuchte immer wieder, in Telefonaten mit Mitarbeitern der Einrichtung
Einfluss auf die dortige Arbeit zu nehmen und gab den Kindern
Verhaltensanweisungen. Die Kontakte zum Vater, die nach anfänglich
großer Ablehnung sehr viel lockerer geworden waren, wurden unter dem
erkennbaren Einfluss der Mutter erneut schwieriger, und die Kinder
verweigerten sich dann wieder weitgehend. Das Verhalten der Mutter
führte auch hier dazu, dass der Gutachtensauftrag erschwert wurde. Die
Dauer des Aufenthaltes der Kinder in der therapeutischen Einrichtung
verlängerte sich dadurch. ..........
Es gab 2 Besuchskontakte des Vaters in Anwesenheit der
Berichterstatterin des Senats.
Auf Drängen zweier
Frankfurter Familienrechtslehrer beabsichtigte das Jugendamt Anfang
Dezember 2004, die Kinder zur Mutter zurückzuführen. Es teilte dies der
Heimleitung mit und forderte diese auf, den Senat hierüber nicht zu
informieren. Der Senat, dem dies zur Kenntnis gebracht wurde, verfügte
daraufhin durch einstweilige Anordnung vom 8.12.2004, dass der
Aufenthalt der Kinder bis zur Vorlage des gerichtlich angeordneten
Sachverständigengutachtens nicht verändert werden darf. Am 19.12.
brachte die Mutter die Kinder nach einem vereinbarten Umgangskontakt
nicht in das Heim zurück und tauchte mit Ihnen unter. Um der Mutter
einer Brücke zu bauen setzte der Senat durch Beschluss vom 22.12.2004
die Vollziehung seines Beschlusses vom 8.12.2004 bis zum 27.12.2004
aus, nachdem die Mutter über ihre Anwältin zugesichert hatte, sie werde
die Kinder am 27.12. freiwillig wieder in das Heim zurück bringen, wenn
sie zuvor mit ihnen die Weihnachtsfeiertage verbringen dürfe. Diese
Zusage hielt die Mutter nicht ein und blieb mit den Kindern
untergetaucht. Durch Beschluss vom 28.12.2004 bestimmte der Senat an
Stelle des Jugendamtes der Stadt Frankfurt am Main einen anderen
Pfleger für die Kinder mit dem Aufgabenkreis der Personensorge.
Zusammen mit den Kindern ließ sich die Mutter in der Folgezeit von
Fernsehsendern interviewen. Die Schule besuchten die Kinder erst wieder
nach Vorlage des Gutachtens ab Februar 2005. Die Staatsanwaltschaft
leitete gegen die Mutter unter Bejahung des öffentlichen Interesses ein
Strafverfahren wegen Kindesentführung ein.
Dieser
Entwicklung vorausgegangen war ein Beschluss
des OLG Frankfurt/M v. 3. 9.2002 -1UF 103/00 zum
Umgang und Auskunftsrecht [vgl. auch FamRZ (22) 2002, S. 1585-
1588].
Dem Vater wurde das Recht
zu einem begleiteten Umgang eingeräumt und der Mutter die elterliche
Sorge für die Kinder und Y. entzogen, soweit es um die
Durchführung des festgelegten Umgangs mit dem Vater geht , auf eine
Ergänzungspflegerin übertragen. Auch soweit es um die Erfüllung
des Auskunftsrechts des Vaters gegeht wurde der Mutter die elterliche
Sorge entzogen und auf das Jugendamt
übertragen. Gleichzeitig wurde ihraus dem im Beschluss sehr
deutlich gemachten Gründen für den Fall, dass sie der
Verpflichtung zur Herausgabe der Kinder an die Ergänzungspflegerin
nicht nachkommt, Zwangshaft angedroht (Sie ist
Sozialhilfeempfängerin, daher Zwangsgeld nicht angebracht). Die Haft
darf die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Um die Herausgabe
der Kinder durchzusetzen, kann auch Gewalt gegen die Antragsgegnerin
gebraucht werden.
Wie sich herausstellte wurden auch das nichts gefruchtet.
Vorausgegangen waren diesem Beschluss wieder eine Reihe weiterer
Schritte, wie am 14.11.200 durch vorläüfige Anordnung Entzug der
elterlichen Sorge insoweit als diese die Bestimmung über den
persönlichen Umgang der Kinder mit dem Vater umfasst. Der Senat
bestellte dafürt eine Pflegerin, der die Mutter Kontakte zu den Kindern
verwehrte und es folglich auch nicht gelang einen Umgang
anzubahnen. Die Umgangspflegerin wurde auf Antrag beider Eltern
entlassen und durch Beschluss vom 19.3.2002 eine
Verfahrenspflegerin bestellt, die aber ebenso an der starren Haltung
der Mutter scheiterte.
Dem Antrag des Vaters einen stationären Aufenthalt der Kinder und
der Eltern in einer familientherapeutischen Einrichtung, die zur
Aufarbeitung induzierter
Eltern-Kind-Entfremdung spezialisiert ist, zum nächstmöglichen
Zeitpunkt anzuordnen, hat der Senat in diesem Beschluss (noch) nicht
stattgegeben, weil es an einer Rechtsgrundlage fehle. Ferner hieß es
damals: Es ist
auch nicht Sache des Senats, der Mutter den Entzug der elterliche Sorge
und deren Übertragung auf den Vater anzudrohen. Wie das künftige
Sorgerecht für die Kinder X. und Y. zu gestalten ist, hat das
Amtsgericht zu entscheiden, bei dem derzeit ein Sorgerechtsverfahren
anhängig ist.,
Das Amtgericht Frankfurt-Höchst hatte
am 13.3.2000 die Anträge des Vaters zurückgewiesen, mit
denen er insbesondere erreichen wollte, dass eine Umgangspflegschaft
angeordnet wird, dass durch eine kinderpsychiatrische Untersuchung
geklärt wird, welchen Grad die induzierte Vater-Kind-Entfremdung
erreicht hat und welche konkreten psychiatrischen und psychologischen
Interventionen empfohlen werden, dass die Mutter Auskunft über den
Gesundheit- und Entwicklungsstand der Kinder gibt und dass klargestellt
wird, dass der ursprüngliche Umgangsbeschluss
vom 23.1.1997 nach wie vor Geltung hat.
Obwohl das Parental Alienation
Syndrome (PAS) in diesen Urteilen nicht ausdrücklich erwähnt
ist, außer in der Wiedergabe der Anträge des Vaters als induzierte
Eltern-Kind-Entfremdung, gibt es in deutschen Gerichtsurteilen
wohl kaum eine deutlichere Beschreibung der gesamten
Verhaltensmuster sowohl beim entfremdenden Elterteil (der Mutter) als
auch der kompromisslosen Ablehnung des anderen Elternteils (Vater)
durch die Kinder, die wie für das Vorliegen von PAS
unbedingt erforderlich, ebenfalls völlig unbegründet war. Die
Gutachten und Gerichte bestätigten dem Vater ausdrücklich
uneingeschränkte Erziehungsfähigkeit und z. B. im Beschluss 1 UF
94/03:
Obwohl die Situationen
für ihn sehr schwierig war, zeigte sich der Vater in seinem Verhalten
einfühlsam auf die Kinder bezogen. In den vorausgegangenen
Verhandlungsterminen, auch in dem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren
zum Umgangsrecht, war der Vater jeweils um eine gütliche Regelung und
eine Verständigung mit der Mutter bemüht. Es war deutlich, dass es ihm
nicht um eine streitige Auseinandersetzung mit der Mutter geht, sondern
dass er aus Sorge um seine Kinder handelt. Sie liegen ihm offenbar am
Herzen, und er ist überzeugt davon, dass eine Verbindung zu ihm als
Vater für seine Kinder wichtig wäre.
Entsprechend dieser Beschreibungen liegt sogar ein (besonders) schwerer
Fall von PAS nach den Kategorisierungen von Gardner vor, sowohl
für die Kinder als auch dem Verhalten des entfremdemden Elternteils
entsprechend, vgl. z. B. Gardner in The
International Handbook of Parental Alienation Syndrome, 2006,
S.5-11. Auch seiner (allerdings kontroversen) Empfehlung für solche
Fälle einer temporären Fremdunterbring der Kinder und
Entfernung vom entfremdenden Elternteil (was dieser umging) wurde,
allerdings nur vorübergehend, gefolgt.
Wir wollen allerdings auch einräumen, dass die Kategorisierung durch
Gardner, obwohl seiner langjährigen klinischen Erfahrung
entspreched, zu schematisch sein mag und, dass immer die
besonderen Umstände des Einzelfalls genau berücksichtigt werden
müssen. Das ist hier etwa, dass der Vater seinen Wohnsitz in den
USA hat, die Kinder aber seit frühester Zeit ohne nennenswerten Kontakt
zu ihm (der allerdings hartnäckigst verhindert wurde) in
Deutschland aufgewachsen sind, der Vater ihnen also nicht nur
massiv entfremdet, sondern sogar weitgehend fremd ist. Diesen
unbestreitbaren Schwierigkeiten hätte man jedoch wirksam durch
möglichst frühzeitiges und konsequentes Handeln begegnen können und
müssen.
Weitere, in oben angeführten Urteilen nicht explizit ausgeführte
Einzelheiten zu diesem Fall sind im Internet zu finden.
Zum Kontrast, soll die scharfe Gegenstimme des Frankfurter
Familienrechtslehrers Ludwig Salgo nicht unerwähnt bleiben. Auch: Zu wem gehört das Kind?
Wenn Eltern sich trennen: Über Rechte und Ansprüche von Müttern und
Vätern, über Zumutungen von Richtern und Leiden von Kindern, ein
Gespräch mit dem Juristen Ludwig Salgo. Interview: Birgit Walter. Berliner
Zeitung, Magazin 30. 06. 2007
Den Schlussstrich der langen Liste der Verfahren vor deutschen
Gerichten (1995-2007) bildet die Entscheidung des AG Frankfurt / Main (Abt. Höchst) vom
4. 4.2007 - 402 F 22260/06 SO
mit der die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater durch das
OLG Frankfurt (Beschluss vom 11.5.2005) wieder aufgehoben wird und die
alleinige elterliche Sorge für die nun fast 15 Jahre alten Zwillinge
wieder der Mutter übertragen wird, nicht etwa, weil sich an der
Einschätzung
bzgl. Erziehungsfähigkeit etwas geändert hätte, sondern ,,damit zunächst einmal
Ruhe einkehrt, und der Ast. sich an seine Ankündigung hält, seinen
Kindern nur zu schreiben".
Außerdem könne der Wille der Jugendlichen nicht mehr länger unbeachtet
bleiben, obwohl auch unbestritten blieb, dass sie bereits über mehr als
ein
Jahrzehnt von der Mutter massivst gegen den Vater beeinflusst
worden waren.
Die sehr lange Urteilsbegründung des AG liest sich zumindest für
uns
eher wie eine komplette Bankrotterklärung. Vgl. ,,Abänderungen gerichtlicher Anordnungen
(Fall ,,Gebhard"). §§ 1686, 1696 Abs.1 und 2 BGB." Mit
Anmerkungen ,,Zurück zum Anfang" von
PD Dr. Jörg Reichert, Berlin, Zeitschrift für Kindschaftsrecht
und Jugendhilfe, ZKJ 12, Seite
498, 2007.
Einer
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in
diesem Falle ist die deutsche Bundesregierung zuvorgekommen, indem sie
am 1.4.2008 ex gratia (freiwillig) 25,000 € im Sinne einer
gütlichen Einigung gegen Streichung von der Liste der Verfahren anbot.
Es ist für uns zumindest menschlich verständlich, dass dieses Angebot
nach einem so langen (1994-2008) zermürbenden und sicher auch
kostspieligen. aber letztlich erfolglosen Kampf um das Umgangsrecht vom
Vater angenommen wurde, zumal die verlorenen Jahre mit den Kindern
durch nichts mehr ersetzt werden können. Vgl. Glenn GEBHARD against Germany
(Application no. 13415/06 ), Entscheidung
vom 13.5.2008.
Einem Elternteil (der Mutter) war es also in der
deutschen Rechtspraxis möglich das Umgangsrecht des Vaters und der
Kinder über mehr as ein Jahrzehnt vollständig zu boykottieren, die
Kinder massivst gegen den Vater zu beinflussen und vollständig zu
entfremden, sowie sämtliche Gerichtsbeschlüsse einfach zu ignorieren.
Das ist leider nicht einmal so beispiellos, wie es dargestellt
wurde. Es sei nur an den Fall Alteck
(Pseudonym) erinnert:
Der Fall Alteck (Pseudonym)
Der Fall ist auf den Webseiten des Vaters ausführlich dargestellt,
einschließlich einer langen Liste von Gerichtsverfahren von 1993 -2001.
Die Anfangsphase ist auch in seinem Buch: ,,Der
Mißbrauch des Mißbrauchs. Ein Vater wehrt sich gegen den Verdacht der
sexuellen Kindesmißhandlung", Herder 1994 (vergriffen,
soll aber laut Webseite unter einem neuen Titel bei Verlag Ulmer
Manuskripte im Herbst 2006 neu erscheinen). Nachtrag 16.9.: Das Buch ist gerade
unter dem Titel "Unsere
Kinder siehst DU nicht" erschienen. Näheres
(Auszug, Pressestimmen) auf den Webseiten des Autors.
Die Gerichte erkannten zwar nach
einem nichts an Deutlichkeit übrig lassenden psychologischen
Fachgutachten schließlich (vgl. Endurteile zu Sorge und Umgang)
die verheerenden Folgen für die Kinder nach 10 Jahren der massiven
negativen Beeinflussung (einschließlich sogar einer Verbrennung des
Vaters als Puppe, angeblich auf Empfehlung eines "Aufdeckervereins" bei
dem auch die Kinder ausgiebig "therapiert" wurden), konnten sich aber
immer noch nicht zu wirksamen Maßnahmen entschließen, sondern setzten
das Umgangsrecht für die nun 17 jährige älteste Tochter ganz aus und
bauten bei den zwei jüngeren Kindern, trotz der jahrelangen bewußten
Ausgrenzung des Vaters durch die Mutter und ihren gerade wiederholtem
Antrag jeden Umgang gerichtlich zu verbieten, ausgerechnet auf ihr
Wort, dass sie dem Umgang nichts entgegensetzen würde.
Uns sind jedenfalls bisher keine Fälle von
derart hartnäckigen und jahrelang andauerndernden
Umgangsvereitelung und Entfremdungsversuchen bekannt geworden, bei
denen der entfremdemde Elternteil später Einsicht zeigte, auch
nicht durch Therapieversuche, wie das R. A. Gardner auf
Grund seiner langjährigen klinischen Erfahrungen und als Gutachter sehr
deutlich machte (Gardner,
2003). Der Einsicht solcher Eltern kann bestenfalls im Frühstadium
durch energisches Einschreiten der Gerichte "nachgeholfen" werden. Oft,
aber nicht immer, erkennen die Kinder als Jugendliche oder noch später
was ihnen angetan wurde und wenden sich dann auch nicht selten vom
entfremdenden Elternteil ab.
Ein ausführlicher Bericht zu diesem Fall und zu weiteren
ähnlichen Fällen erschien auch im STERN Nr. 51 vom 12.12.2002,
unter dem Titel: Deutschland: SORGERECHT. Wenn Eltern sich
nach der Trennung streiten, sind die Kinder die Verlierer. Kampf ums
Kind. Zu den leider immer noch nicht
seltenen Missbrauchsanschuldigungen im Zusammenhang mit Sorge- /
Umgangsrechtauseinandersetzungen vgl. auch unseren Bericht zu einem
grundlegenden BGH Urteil über Anforderungen
an Glaubhaftigkeitsgutachten und zu weiteren Fällen.
Anforderungen an das gerichtliche Eilverfahren zum Entzug der
elterlichen Sorge.
-
Dazu
Beschluss vom 21. Juni 2002 - 1 BvR 605/02 -.
(Fremdunterbringung)
Kommentar: Wir empfehlen in diesem Fall dringenst
zumindest die ausführliche Pressemitteilung des BVerfG zu lesen. Dem
Beschluss ist u.a. zu entnehmen, dass, wie üblich, die Entscheidungen
des AG Münster (17.12.2001, 18.12.2001, 7.1.2002) und des OLG
Hamm vom 1.3.2002 lediglich aufgehoben wurden und die Sache an das AG
Münster zurückverwiesen wurde. Dieses könnte, wie ausdrücklich betont
wird, sogar vor dem Hauptverfahren, das allerdings zu beschleunigen
sei, eine weitere Eilentscheidung erlassen: Es wird dabei
sorgfältig prüfen, ob die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von
den Beschwerdeführern auch vor dem Hintergrund des zwischenzeitlichen
Ermittlungsergebnisses gerechtfertigt ist. Dabei wird es auch die
Gefahren einbeziehen, die sich bei einem gegebenenfalls notwendig
werdenden mehrfachen Umgebungswechsel für das Wohl der Kinder ergeben
könnten. Hält das Amtsgericht die Aufrechterhaltung des jetzigen
Zustandes für erforderlich, dann wird es zugleich darüber befinden, ob
die durch die Trennung der Kinder von ihren Eltern beziehungsweise
ihrer Mutter bewirkte Intensität des Grundrechtseingriffs dadurch zu
mildern ist, dass den Beschwerdeführern ein - gegebenenfalls
begleiteter und unter Auflagen stehender (vgl. § 1684 Abs. 4 BGB)
- Umgang mit den Kindern gewährt wird. Darüber hinaus wird es prüfen,
ob die Intensität des Grundrechtseingriffs in strikter Anwendung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit danach verlangt, eine etwaige
erneute Eilentscheidung in ihrer Geltungsdauer zu befristen...
Verbunden ist diese Aufhebung der früheren
Entscheidungen allerdings mit einer sehr deutlichen Rüge am Verfahren,
bei dem sich AG und OLG, ohne jede eigene Ermittlung, lediglich auf die
Angaben des Jugendamtes und des vom ihm beauftragten Gutachters
gestützt hätten und auch angesichts der Schwere des
Grundrechtseingriffes nicht abgewogen hätten, ob nicht mildere Mittel
zum Einsatz gebracht werden könnten: Im Bereich des Sorgerechts sind bereits vorläufige Maßnahmen
in der Regel mit einem erheblichen Eingriff in das Grundrecht der
Eltern verbunden. Sie können Tatsachen schaffen, die - insbesondere auf
Grund der Dauer des Hauptsacheverfahrens - später nicht oder nur schwer
rückgängig zu machen sind (vgl. BVerfG, FamRZ 1994, 223 <224>;
NJW 2001, S. 961 f.). Soweit der Erlass einer Eilentscheidung
erforderlich ist, müssen daher jedenfalls die im Eilverfahren zur
Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft
werden (vgl.
BVerfGE 67, 43 <60>;
69, 315 <363 f.> ). ...
Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Gerichte die
Bedeutung des Elternrechts für ihre Entscheidung zutreffend erkannt und
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend beachtet haben. Das
Oberlandesgericht beschränkt sich in seiner Begründung der Entscheidung
im Wesentlichen darauf, auf den Bericht des Jugendamtes und das
familienpsychologische Gutachten zu verweisen. Feststellungen dazu, ob
die vom Gutachter gefundenen Ergebnisse auf einer hinreichend sicheren
Tatsachenbasis beruhen, fehlen ebenso wie die Würdigung des
Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführer und die Prüfung, ob nicht
mildere Mittel zur Abwendung einer eventuellen Gefahr ausreichen.
Weitere Feststellungen erübrigten sich auch nicht im Hinblick auf den
Beschluss des Amtsgerichts. Denn auch dieses nimmt zur Begründung
seiner Entscheidung lediglich auf den Antrag des Jugendamtes und das
Gutachten Bezug. Die Fachgerichte haben Art. 6 Abs. 2 Satz 1 in
Verbindung mit Abs. 3 GG auch bei der Ausgestaltung ihres Verfahrens
nicht hinreichend Rechnung getragen. Die angegriffenen
Eilentscheidungen sind nicht auf der Grundlage eines ermittelten
Sachverhalts ergangen, der die getroffene staatliche Maßnahme
rechtfertigen könnte. Das Oberlandesgericht hat die
Verfahrensbeteiligten nicht persönlich angehört, obwohl schon das
Familiengericht eine Anhörung sowie weitere Ermittlungen unterlassen
hatte und ersichtlich war, dass eine weitere Aufklärung des
Sachverhalts erforderlich gewesen wäre.
Zur Schwere des Eingriffs erklärt das BVerfG weiter:
Für die leiblichen Eltern ist die Trennung von ihrem Kind
der stärkste vorstellbare Eingriff in ihr Elternrecht, der nur bei
strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem
Grundgesetz vereinbar ist (vgl.
BVerfGE 60, 79 <89, 91>;
79, 51 <60> ).....Hinzu kommt, dass dem
Familiengericht keine Erkenntnisse über mögliche mit seiner
Eilentscheidung verbundene Auswirkungen auf die Kinder vorgelegen
haben, da weder der Jugendamtsbericht noch der Gutachter hierzu
Stellung genommen hatten. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der
Vor- und Nachteile einer familiengerichtlichen Maßnahme ist aber zu
berücksichtigen, dass eine Trennung der Kinder von ihren Eltern
ihrerseits die kindliche Entwicklung zu gefährden vermag, weil ein
Abbruch der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten Lebensjahren dem Kind
in der Regel die Basis für seine Orientierung über die Welt und sich
selbst entzieht...
Dennoch: 6. Der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz und
Schmerzensgeld ist ebenfalls abzulehnen, da es insoweit an einer
Rechtsgrundlage fehlt.
Das Kindschaftsrechtsreformgesetz
hebt, entsprechend Artikel 6
GG, hervor, dass elterliche Sorge (§§ 1626,
1631 BGB) und Umgang (§ 1684
BGB) nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten sind. Das OLG
Karlsruhe hat mit Beschluß vom 27.08.1998 - 2 UF 135/98 in diesem Sinne
eine Beschwerde wegen Sorgerechtsregelung zugunsten eines Elternteils
gegen dessen Willen abgewiesen.
Zur Frage der
Beibehaltung des Gemeinsamen Sorgerechts trotz "Kopfschüttelns" nach
dem KindRG.
Entscheidungen zur Beibehaltung
der gemeinsamen Sorge trotz Widerspruchs eines Elternteils (neues und altes
Kindschaftsrecht)
Neues, sorgsam begründetes, rechtskräftiges Urteil zur gemeinsamen
Sorge: Urteil
des AmtsG Chemnitz vom 3. 9.1998 - 4 F
681/97, FamRZ 1999 (5). Selbst wenn die erforderliche
Kooperationsbereitschaft fehlen würde, bestünde nach der seit 1. 7.
1998 geltenden Rechtslage kein Anlaß, an einem bisher - erfolgreich -
bestehenden gemeinsamen Sorgerecht der Eltern eine Änderung
herbeizuführen. Sehr lesenswert!
Gemeinsames
Sorgerecht in strittigen Fällen - weil Kinder beide Eltern brauchen
Es gibt keinen
allgemeinen Erfahrungssatz, daß ein 3 1/2 Jahre altes Kind eher zur
Mutter gehört!
- Zum Begriff
der elterlichen Sorge vs. Elternverantwortung, nach dem KindRG
VfK e.V freut sich die vielzitierte, grundlegende Arbeit von P.
Koeppel, Die
gemeinsame elterliche Sorge bei Scheidung im Lichte der EMRK und des UN
- Zivilpaktes, DAVorm 1993, 601ff., im Volltext präsentieren zu
dürfen. Wir danken dem Herausgeber und dem Verfasser für die
freundliche Erlaubnis.
Antrag auf
Sorgeregelung von anno dazumal (1907). (Achtung Grafik, längere
Ladezeit möglich).
Zum Sorgerecht nicht miteinander
verheirateter Eltern
Aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (BVerfG 2 BvR 1523/99 vom 31.8.1999,
vgl. FamRZ 1999, S.1577-1578):
Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur
Reform des Kindschaftrechts v. 16.12.1997 (BGBl I 2942) das gemeinsame
Sorgerecht auch für nichteheliche (n.e.) Kinder geschaffen und die
gemeinsame Sorge auch bei Scheidung der Eltern nunmehr als Regelfall
vorgesehen. Die Entscheidung ist aus den Webseiten des
BVerfG
abrufbar.
Zu unterscheiden ist aber insbesondere zwischen der Periode vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.1.2003 - 1 BvL 20/99 -- 1 BvR 933/01
und die Zeit danach. Mit dieser Entscheidung wurde die
Verfassungsmässigkeit der seit der Reform vom 1.7.1998 geltenden
Regelung bestätigt und lediglich für sog. "Altfälle" bei denen eine
gemeinsame Sorgeerklärung der Eltern noch nicht möglich war die
Möglicxhkeit geschaffen die erforderliche Zustimmung der Kindesmutter
ggfs. durch das Gericht zu ersetzen, wenn dies dem Kindeswohl dient. In
den übrigen Fällen, wenn die Kindesmutter eine gemeinsame
Sorgerechtserklärung ablehnt, was sie ohne Angabe von Gründen tun kann,
bleibt es bei ihrer Alleinsorge.
"Altfälle" bei denen es tatsächlich zu einer Ersetzung der Zustimmung
der Mutter durch das Gericht kam, sind uns bisher allerdings nicht
bekannt geworden.
Der einzig gangbare Weg zu einem Sorgerecht für den Kindesvater gegen
den Willen der Kindesmutter zu gelangen, erschien sowohl vor der
Entscheidung des BVerfG als auch danach, der über einen
Sorgerechtsentzug nach §1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung und
nachfolgender Übertragung auf den Vater. Diese Eingriffsschwelle
erschien nicht nur uns (VfK Stellungnahme
vor der Entscheidung des BVerfG, pdf Datei) zu hoch und unerwünscht,
weil dadurch weitere, letztlich dem Kinde besonders schadende
Eskalation wahrscheinlich ist. Zumindest der Beschwerdeweg zu
einem derartigen Antrag erscheint aber durch einen gerade
veröffentlichten Beschluss des
OLG Frankfurt/M v. 6.12.2005 -6 UF 228/05 versperrt, wenn
er Bestand hat (ZKJ 7/8, 2006, S. 372).
Der Vater des
nichtehelichen Kindes, der nicht nach § 1626a Abs. 1 BGB Mitinhaber der
elterlichen Sorge ist, hat kein Beschwerderecht gegen eine
Entscheidung, durch die das Familiengericht Maßnahmen gegenüber der
Mutter nach § 1666 BGB ablehnt.
Vgl. unseren Bericht.
Dieser Beschluss läßt vielleicht eine Reform der im Vergleich zu den
allermeisten anderen Staaten einmaligen Rechtslage für
nichteheliche Väter in Deutschland noch dringlicher erscheinen.
Vor der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 29.1.2003:
- :
- Informationen zur Anhörung des
Bundesverfassungsgerichtes über das Gemeinsame
Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern
- Eine sehr bemerkenswerte Entscheidung (OLG
Hamm Beschluß v. 17.12.1999 - 12 UF 234/99): Übertragung
des Sorgerechtes für ein Kind nicht verheirateter Eltern wegen
Gefährdung seines Wohles auf den Vater.
- Zum Nichtehelichenrecht, Leitsatz aus dem Beschluß des OLG
Stuttgart vom 2. 12.1999 -18 UF 259/99: Der Ausschluß des
nichtehelichen Vaters vom gemeinsamen Sorgerecht kann gegen Art.
6 II GG verstoßen, wenn die Mutter ohne
billigenswerte Motive die Abgabe einer Sorgeerklärung nach §
1626a I Nr 1 BGB ablehnt. FamRZ
2000(10), S.632
- Mit Beschluss vom 16.08.1999 - Az.: 7
F 10/99 SO wird vom Amtsgericht Korbach die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu der folgenden Frage eingeholt:
Ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, dass gemäß §§
1626a, 1672 BGB der Vater eines nichtehelichen Kindes, der mit der
Kindesmutter und dem Kind mehrere Jahre in einer familienähnlichen
Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, nach Trennung der Eltern ohne
Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls die gemeinsame
elterliche Sorge für sein Kind nicht zugesprochen erhalten kann,
solange die Kindesmutter ihre Zustimmung hierzu verweigert?
Die Begründung dieses Beschlusses (veröffentlicht in FamRZ
2000 (10), S. 629-631) ist so umfassend, dass es sich für uns
eigentlich erübrigt etwas hinzuzufügen, außer dass uns zahlreiche
ähnliche Fälle bekannt sind, in denen nichteheliche Väter sich in
gleicher Weise für ihre Kinder einsetzen, aber selbst nach vielen
Jahren nicht einmal den im Gesetz schon längst vorgesehenen
regelmäßigen Umgang mit ihren Kindern erreichten.
- Gemeinsames Sorgerecht auch für nicht in Lebensgemeinschaft
lebende Eltern nichtehelicher Kinder (VfK Info 11/97)
Übertragung
der elterlichen Sorge auf den Vater aus Gründen der
Vater-Kind-Entfremdung Beschluss d. OLG Frankfurt/Main vom 19.4.2005 -6 UF
155/04 §1671 Abs.2 Nr. 2 BGB in Kindschaftsrecht und
Jugendhilfe (ZKJ) 1/2006 S. 50-51 (das ist die aus der Zusammenlegung von
ZfJ und KindPrax jetzt neu entstandene Zeitschrift des Bundesanzeiger
Verlages.)
Leitsätze der Redaktion:
- Behindert ein
Elternteil den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil, so ist
dies abträglich für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
- Zur Übertragung
der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil als der am
wenigsten schädlichen Alternative.
- Der Wunsch
des Kindes bei dem Elternteil zu bleiben, ist vor dem Hintergrund der
fortgeschrittenen Entfremdung zum anderen Elternteil zu bewerten.
Gründe: Dargestellt auf
Seiten 50/51. Lesenswert, insbesondere die Begründung der
Sorgerechtsübertragung als die am wenigsten schädliche Alternative.
Einige Details daraus:
Die Eltern des 1999 geborenen Kindes waren nicht miteinander
verheiratet, hatten aber gemeinsame elterliche Sorge aufgrund einer
Sorgerechtserklärung nach §1626a. Der Umgang kam nach einer
Umgangsvereinbarung vom September 2003 alsbald zum Erliegen ohne dass
dafür triftige Gründe bestanden. Die Mutter verweigerte auch weitgehend
die Kooperation bei begleitetem Umgang in einer
Erziehungsberatungstelle der dazu dienen sollte die Kontake zwischen
Vater und Tochter wiederherzustellen und ebenfalls bei der Begutachtung
durch eine psychologische Sachverständige. Bei der gegebenen Sachlage
war nach Auffassung des Senats ein rascher Schnitt durch Herausnahme
des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt die bessere Alternative
als ein langjähriger Kampf um den Umgang, mit immer neuen gerichtlichen
Verfahren und Versuchen, den Umgangs zwangsweise durchzusetzen, bis hin
zur Zwangshaft. Hierdurch wäre das Kind vermutlich mehrjährigen
psychischen Belastungen ausgesetzt.
Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 86/2006 vom 29. September 2006 zum
Beschluss vom 23. August 2006 – 1 BvR 476/04 –
Recht der leiblichen Eltern auf Rückkehr eines zu
Behandlungszwecken nach Deutschland eingereisten Kindes.
Obwohl es sich um ein ausdrücklich nur zur dringend erforderlichen
medizinischen Behandlung im September 1999 nach Deutschland
gebrachtes Kind aus Afghanistan handelt, das dann von einer
"Gastfamilie", ohne Begründung eines rechtlichen Pflegeverhältnisses,
aufgenommen wurde und sich dort sehr gut eingelebt hatte, erscheint
diese Entscheidung auch für das innerdeutsche
Pflegekinderwesen von grundsätzlicher und erheblicher Bedeutung.
Der Primat des Elternrechts auf Erziehung des eigenen Kindes und die
daraus folgende Verpflichtung auf die frühestmögliche Rückführung des
Kindes zu seinen leiblichen Eltern hinzuarbeiten werden im Beschluss
klar hervorgehoben. Das gälte normalerweise auch dann, wenn sich
das Kind bei den Pflegeeltern nicht nur gut eingelebt hat, sondern eine
enge Bindung entstanden ist, was ja sehr häufig der Fall ist, und
selbst dann, wenn die Entwicklungschancen bei seinen Pflegeeltern
besser als bei den leiblichen Eltern wären, oder wie im
vorliegenden Fall vielleicht, das Kind ein zweites Mal einen
erheblichen Kulturschock zu überwinden habe:
Eine gerichtliche
Entscheidung, nach der die Trennung des Kindes von seinen Eltern
fortdauern kann, ist mit dem in Art. 6 Abs. 2 und Abs.
3 GG gewährleisteten Elternrecht nur dann vereinbar, wenn ein
schwerwiegendes - auch unverschuldetes - Fehlverhalten und
entsprechend eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen.
Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt
den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG
zukommenden Wächteramtes (vgl.BVerfGE 7,
320 <323>; 59, 360 <376>), jene von der Pflege und
Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen
(vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91> ). Das
elterliche Fehlverhalten muss daher ein solches Ausmaß erreichen, dass das
Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen,
geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist
(vgl.BVerfGE 60, 79 <91>).
Die
Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seinen Eltern darf
zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
erfolgen (vgl.BVerfGE 60, 79 <89> ). Dieser gebietet die
Ausrichtung der Art und des Ausmaßes des staatlichen Eingriffs
am Grad des Versagens der Eltern und daran, was im Interesse der Kinder
geboten ist. Der Staat muss nach Möglichkeit versuchen, durch
helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines
verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern
gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl.BVerfGE 60, 79
<93> m.w.N.).
Wird fortgesetzt.
Zuletzt geändert:17 January 2022.
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