Verhalten von Rechtsanwälten bei strittiger elterlicher Sorge

Discourage litigation. Persuade your neighbors to compromise whenever you can. Point out to them how the nominal winner is often a real loser -- in fees, expenses, and waste of time. As a peacemaker the lawyer has a superior opportunity of being a good man. There will still be business enough. [Abraham Lincoln, Anwalt und 16. Präsident der USA (1860-65), Notes for a Law Lecture,  July 1, 1850]

Elterliche Sorge ist primär eine Frage elterlicher Verantwortung und Liebe, statt eine Frage des Rechts. Die allermeisten Eltern sind bereit weit mehr für ihre Kinder zu tun, als was sich in gesetzliche Vorschriften bringen lässt, und das auch nach einer Trennung oder Scheidung. Der Gesetzgeber kann lediglich Minimalanforderungen bezüglich der elterlichen Verantwortung erlassen, auf die das Kind dann einen Rechtsanspruch hat und über deren Einhaltung die staatliche Gemeinschaft wacht, laut Artikel 6 des Grundgesetzes. Konsequenterweise müsste also, bei Streitigkeiten über die Pflege und Erziehung eines Kindes, ein "Anwalt des Kindes" in Zusammenarbeit mit dem Gericht, beide Elternteile in die Pflicht nehmen, weiterhin ihrer gemeinsamen Elternverantwortung nachzukommen. In Einzelfällen mag es sicher auch notwendig sein, einen Elternteil, oder sogar beide, wegen Kindeswohlgefährdung (§1666 BGB) von der elterlichen Sorge und dem Umgang mit dem Kind (vorübergehend) auszuschließen, obwohl dieser Weg sehr restriktiv gehandhabt werden sollte und eine zumeist sehr schwierige Abwägung erfordert.

Was wir bisher geschildert haben, entspricht leider vielfach nicht dem was wir als Realität erfahren. Sicher liegt das auch wesentlich daran, dass wir über die vielen Fälle, in denen Eltern ihre Probleme bei der Erziehung und Pflege der Kinder gemeinsam lösen, auch nach einer Trennung oder Scheidung, und so weiterhin ihrer gemeinsamen Elternverantwortung nachkommen, normalerweise nichts erfahren. Wenn sie diese Problemlösung nicht von sich aus schaffen, können sie auch eines der zahlreichen öffentlichen, gemeinnützigen, oder privaten Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Der Gang zu Rechtsanwalt und Gericht ist dann normalerweise der falsche Weg, zumal Anwälte und Familienrichter über keinerlei pädagogische / psychologische Ausbildung verfügen, falls sie sich nicht selbst aus eigenem Antrieb entsprechend weitergebildet haben. Eine solche interdisziplinäre Qualifikation ist selbst für Fachanwälte für Familienrecht (pdf Datei) nicht vorgeschrieben und Familienrichter müssen lediglich die allgemeine Befähigung zum Richteramt haben und sich mindestens  im zweiten Jahr ihrer Ernennung (auf Probe) befinden, vgl. etwa Stefan Heilmann, Kindliches Zeitempfinden (1998), S. 12ff, der sich mit diesem sehr beklagenswerten Manko ausführlich beschäftigt hat. Der Gang zu Anwalt und Gericht ist nur dann absolut unumgänglich, wenn es sich um eine Scheidung handelt. Dann sind ja immer auch vermögensrechtliche Fragen, wie Zugewinn, Versorgungsausgleich, etc. zu lösen, die allerdings, ganz anders als elterliche Sorge und Umgang, durchaus im Rahmen der normalen Rechtssystematik liegen. (Dass dies für das Kindschaftsrecht, als Teil des Familienrechts, nicht zutrifft, scheint ein Grund für den vergleichsweise niedrigen Rang des Familienrechts auf der juristischen Beliebtheitsskala zu sein. Ein anderer Grund ist sicher auch, dass der Arbeitsaufwand bei Sorge-/Umgangsrechtsfragen meist hoch ist, der "Streitwert" dagegen niedrig im Vergleich zu den meisten vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen.)

Bei einer einvernehmlichen Scheidung, die gibt es ja auch, eventuell nach vorheriger Mediation, oder einer anderen alternativen Konfliktlösung, wie sie z. B. in Kanada und den USA schon praktiziert wird (darüber werden wir noch berichten), würde für den Gang zum Gericht auch ein einziger Anwalt genügen. Die Probleme, auf die wir hier zu sprechen kommen, stellen sich ein, wenn beide Elternteile durch jeweils einen Anwalt vertreten sind und auch die elterliche Sorge strittig ist. Bis zur Reform des Kindschaftsrechts von 1998 war dieser Streit praktisch vorprogrammiert, weil ja in jedem Fall über das elterliche Sorgerecht vom Gericht entschieden werden musste,  auch nachdem das Beibehalten des gemeinsamen Sorgerechts möglich wurde. Davon wurde allerdings wenig Gebrauch gemacht. Erst nach der Reform von 1998, mit der nur noch auf Antrag über die elterliche Sorge zu entscheiden ist, nahm gemeinsame Sorge erheblich zu. Der Streit hat sich dafür allerdings auf das Umgangsrecht verlagert. Obwohl  jetzt nicht mehr unbedingt vom Gericht zu entscheiden ist, wer der "bessere Elternteil" ist, dem das Sorgerecht zugesprochen wird, und wer als "Verlierer" sich allein mit dem Umgangsrecht begnügen muss, ist immer noch über das Umgangsrecht zu entscheiden, bzw. darüber eine Vereinbarung zwischen den Eltern zu treffen, solange sie nicht auch den Aufenthalt des Kindes mit etwa gleichen Anteilen zeitlich teilen. Diesem Wechselmodell, das allerdings auch oft nicht gegebene vergleichbare Betreuungsmöglichkeiten voraussetzt, aber sicher auch andere Probleme für das Kind mit sich bringen kann, steht man in Deutschland überwiegend noch ablehnend gegenüber, während es in Frankreich seit der Reform von 2002 sogar gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht, und es in den USA schon seit vielen Jahren sehr verbreitet ist (joint physical custody, zusätzlich zu joint legal custody).

Es ist daher nicht allzu verwunderlich, dass nach der deutschen Kindschaftsrechtsform von 1998 zwar die gemeinsamen Sorge häufiger beibehalten wird, der Streit sich aber mit unverminderter Schärfe auf das Umgangsrecht verlagert. Dies gilt natürlich erst recht für die zunehmend hohe Zahl nichtehelicher Eltern, bei denen ja Väter, ziemlich einmalig, bekanntlich in Deutschland immer noch nicht einmal ein Sorgerecht einklagen können  sondern nur von der Mutter, deren "natürliches Recht" es sei, seit 1998 die Teilhabe am Sorgerecht zugebilligt bekommen können.

 Die Rolle von Rechtsanwälten wurde durch die Kindschaftsrechtsreform nicht verändert, außer vielleicht durch die Einführung eines "Anwalt des Kindes". Dieser muss aber kein Rechtsanwalt sein, laut Gesetzestext, §50 FGG, heißt er auch Pfleger und seine Bestellung soll sogar unterbleiben, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbeteiligten angemessen vertreten werden . (§50 FGG, Abs. 3). Das bedeutet in der Praxis überwiegend immer noch, dass davon ausgegangen wird, dass die Kindesinteressen, außer vom Jugendamt, als automatischen Verfahrensbeteiligen (§49a FGG), von den Rechtsanwälten der Eltern vertreten werden, und das wohl überwiegend vom Anwalt des Wohnelternteils, bzw. gegenwärtigen Sorgerechtsinhabers. Nur leider treffen diese Annahmen, wahrscheinlich sogar zumeist, nicht zu, wenn es zu einem heftigen Streit der Eltern über das Sorge- oder Umgangsrecht kommt. Das schon deshalb nicht, weil die Eltern von ihren beauftragten Anwälten erwarten, dass sie ihren Standpunkt, wie bei reinen Sachentscheidungen, energisch durchsetzen, und das obwohl sich immer deutlicher zeigt, dass auch reine Sachfragen oft weit besser durch Schlichtungsverfahren gelöst werden können. Vielfach sind sie ja auch bereits auf privatrechtlicher Basis vorgesehen (z. B. bei Handwerk, Ärzten etc.), oder bei Privatklagen nach §380 StPO als Sühneversuch sogar vorgeschrieben. Nur beim Kindschaftsrecht hat man das bisher in Deutschland nicht für nötig gehalten, wenn auch, außer dem bisherigen Hinweis auf die Beratungsmöglichkeiten durch das Jugendamt und freie Träger, durch die Kindschaftsrechtsreform von 1998 auch die Möglichkeit einer Vermittlung des Gerichts bei Umgangsstreitigkeiten auf Antrag besteht (§52a FGG). Wie häufig und wie erfolgreich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, wissen wir leider nicht. Jedenfalls lässt allein schon die Bestimmung in diesem Gesetz, dass das Gericht diese Vermittlung ablehnen kann, wenn bereits ein Vermittlungsverfahren oder eine anschließende außergerichtliche Beratung erfolglos geblieben ist, zumindest vermuten, dass dieses Angebot, vor allem vom "Besitzer" des Kindes, genau so problemlos torpediert werden kann, wie die Beratungsangebote des Jugendamtes und anderer Stellen. Dabei hat sich selbst bei den wenigen, äußerst zögerlichen Versuchen in Deutschland mit einer gerichtsnahen, aber immer noch rein freiwilligen Mediation (Regensburger Modell) gezeigt, ohne, wie häufig sonst auch, auf die schon längst existierenden umfangreichen Erfahrungen im Ausland zurückzugreifen, dass selbst Eltern, die zunächst dieser Mediation ablehnend oder zumindest skeptisch gegenüber standen, sie überwiegend positiv empfunden haben.  

 Es ist daher überhaupt nicht verwunderlich, dass selbst nach der Kindschaftsrechtsreform und den damit geschaffenen neuen Möglichkeiten der Streit um das Kind genau so munter weiter gehen kann und dabei die Interessen des Kindes, am häufigsten, aber trotzdem vage mit dem Begriff Kindeswohl umschrieben, völlig außen vor bleiben. Dass manche Rechtsanwälte dabei eine sehr unrühmliche Rolle spielen und auch weiterhin ihrem bisherigen schlechten Ruf als "Kriegstreiber" gerecht werden, die Sorge- oder Umgangsverfahren nur kostenträchtig eskalieren, kann leider auch jetzt nicht bestritten werden. Es gibt ja auch jetzt noch genug Verfahren, in denen nicht nur dem Kindeswohl abträgliche Forderungen erhoben werden, sondern auch die denkbar übelsten Vorwürfe, einschließlich der "ultimativen Waffe" eines sexuellen Missbrauchsvorwurfs, in das Verfahren eingebracht werden, die sich dann fast immer nicht bestätigen lassen. Dadurch werden Verfahren dann nicht selten sogar solange weiter geführt, bis sie sich durch die nahende Volljährigkeit des Kindes, rein juristisch gesehen, "erledigen". Beliebt und leider meist erfolgreich bei der Eskalation und Verlängerung von Verfahren sind  sehr vage, so genannte virtuelle Anschuldigungen, wie sie Cartright (1993) zunehmend bei sexuellen Missbrauchsvorwürfen beobachtete und dann beschrieb, was sicher nicht nur dafür gilt. Eine ganz einfache, aber nicht unwirksame Möglichkeit sehr gravierende Beschuldigungen einzudämmen, die sich dann oft als falsch erweisen, wäre wahrscheinlich, dazu von den Mandanten eidesstattliche Erklärungen zu verlangen. Der Rechtsanwalt selbst, ist ja anders als das Gericht (§12 FGG), nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet. 

Es ist zumindest äußerst schwer vorstellbar, dass es irgendeinem Verfahrensbeteiligten, außer Elternteilen, die eigentlich dringend einer Psychotherapie bedürften (die aber in Deutschland vom Familiengericht nicht angeordnet werden kann), dabei nicht klar wird, welcher, meist bleibender Schaden, dabei beim Kinde angerichtet wird. Hinter dieser Eskalation stehen, aber immer auch Rechtsanwälte als Vertreter der "Interessen" ihrer Mandanten, obwohl diese ihre wahren Interessen teilweise nicht mehr wahr nehmen, wenn sie ihre Kinder im Streit mit dem früheren Partner instrumentalisieren, und das nicht "nur" aus Verletztheit, zur Befriedigung von Rachegefühlen, oder auch nur einem vermeintlichen Schutzbedürfnis für das Kind, sondern sogar nicht selten auch für die Durchsetzung rein materieller Interessen. Vgl. dazu auch eine leider immer noch aktuelle kritische, teilweise aber auch humorvolle Rede einer Richterin am Ontario Superior Court, Mary Lou Benotto, Ethics in Family Law: Is Family Law Advocacy a Contradiction in Terms? (1995).

Was Uwe Jopt, in seinem Buch, Im Namen des Kindes, Seiten 231-235: WENN DIE FEUERWEHR MIT ÖL LÖSCHT: ANWÄLTE, in 1992 dazu schrieb, trifft leider auch jetzt noch voll zu, genau so wie ein entsprechender Aufsatz von  Burkhard Schade und Anita Schmidt, Position und Verhalten von Rechtsanwälten in strittigen Sorgerechtsverfahren, FamRZ 1991, Seiten 649-652. Allerdings ist  es ganz leicht, den dort zitierten unsachlichen Formulierungen und unsubstanzierten Behauptungen in anwaltlichen Schriftsätzen noch weitere, weit unglaublichere hinzufügen. (Vielleicht sollten wir dazu eine aktuelle Sammlung solcher Zitate bringen, um dieses Problem noch deutlicher zu machen.) Natürlich gibt es "schwarze Schafe" nicht nur unter Rechtsanwälten, sondern, wie sonst im Leben auch, vereinzelt unter der Schar derer, die ihren Beruf nach besten Wissen und Gewissen ausüben wollen und zu Recht stolz auf ihre Arbeit sind. In Kindschaftssachen trifft dies in gleicher Weise auf andere Verfahrensbeteiligte, wie Gutachter, Jugendamt und Richter zu, über die wir ja auch schon oft berichtet haben, leider meist auch nur über problematische Verfahren, weil wir über solche die problemlos durchgezogen werden naturgemäß selten etwas erfahren. 

 Eine sehr hoffnungsvolle und erfreuliche Ausnahme bilden hier die Berichte über die inzwischen bundesweit bekannte, so genannte "Cochemer Praxis". Es zeigt nämlich, dass selbst strikt im Rahmen des bestehenden Kindschaftsrechts, mit allen seinen Defiziten, das Familiengericht dennoch wirksam eingreifen kann. Es allein hat ja auch die Macht  mehr oder wenigen sanften Druck auf die Eltern auszuüben, ihrer bleibenden Elternverantwortung nachzukommen. Allerdings funktioniert das nur, wenn alle professionellen Trennungs- / Scheidungsbegleiter gemeinsam von den Interessen des Kindes ausgehen, statt von den konträren der Eltern, und  Eltern auch damit rechnen müssen, dass eventuell angedrohte Sanktionen des Gerichts notfalls auch tatsächlich erfolgen würden. Die Eltern sehen sich damit einer einheitlichen Front gegenüber und sind dadurch genötigt sich im Sinne des Kindeswohls zu einigen. Das ist genau der Ansatzpunkt der "Cochemer Praxis", die mit wirklich durchschlagendem Erfolg funktioniert. Es lohnt sich sehr, sich dazu auf der Webseite des Cochemer Arbeitskreises die Stellungnahmen der einzelnen an der Trennung / Scheidung beteiligten Professionen anzusehen. Insbesondere zeigt  Rechtsanwalt Bernhard Theisen auf, dass die Vorgangsweise im "Cochemer Modell" für Rechtsanwälte durchaus auch praktische Vorteile hat, weil der Arbeitsaufwand für eine im Vergleich zu vermögensrechtlichen Fragen ohnehin weniger lukrative Tätigkeit verringert wird.  Allein an dieser Stellungnahme ist allerdings schon ersichtlich (die der anderen Professionen sind ähnlich aufschlussreich), dass das Funktionieren dieses Modells eines sehr guten Zusammenspiels aller beteiligten Professionen, und das unter Führung des Gerichts, bedarf.  Allerdings sind diese Erkenntnisse nicht neu, und das selbst in Deutschland nicht. (Zu der Notwendigkeit einer solchen engen Zusammenarbeit besonders bei hochstrittigen Fällen, vgl.. z. B. Johnston &  Roseby, In the Name of the Child. A Developmental Approach to Understanding and Helping Children of Conflicted and Violent Divorce, The Free Press, New York (1997). Kap. 8 geht speziell auf den Umgang mit PAS ein,  wo auch Ward & Harvey in "Familienkriege - die Entfremdung von Kindern" [als deutsche Übersetzung], ZfJ 6/1998, die Notwendigkeit einer solchen Koordination sehr deutlich hervorheben.).
Das Zitat aus der Arbeit von Schade & Schmidt: ,,Unerlässlich ist in jedem Fall auch eine entsprechende Änderung der Gebührenordnung für Rechtsanwälte zur Vermeidung finanzieller Verluste bei anwaltschaftlichen Bemühungen um Verständigung zwischen den Eltern in Sorgerechtsverfahren. Notwendig ist schließlich eine klare Etablierung der Zusammenarbeit zwischen den Anwälten, dem Sachverständigen und der Beratungsstelle bzw. dem Jugendamt. Das bereits 1981 formulierte "Stuttgarter Modell" hat ähnliche Überlegungen zur Grundlage.", bestätigt nicht nur diese These, sondern auch was der am "Cochemer Modell" beteiligte Richter, Jürgen Rudolph, kürzlich  betonte (3sat, 13.12.2004, Kulturzeit), nämlich, diese Arbeitsweise wäre zwar überall und im Rahmen der bestehenden Gesetzeslage möglich, wird sich aber bundesweit nur durchsetzen, wenn es entsprechende gesetzliche Regelungen gibt, die diese Vorgangsweise vorschreiben. Die seien aber leider nicht in Sicht.

Wir haben uns dazu die für Rechtsanwälte verbindliche Berufsordnung  (BORA) in der neuesten Fassung vom 1.11.2004 angesehen. Nach §6 n. F. des Teledienstegesetzes (TDG) müssen Anwälte bei einer Internetpräsenz darauf hinweisen, dass sie entsprechend dieser Berufsordnung, der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Bundesrechtsanwaltgebührenordnung (BRAGO), bzw. dem neuen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz -RVG- vom 5.5.2004, arbeiten. Außer der schon erwähnten Fachanwaltsordnung, gibt es noch Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Gemeinschaft. Alle Vorschriften können auf den Webseiten der Bundesrechtsanwaltskammer eingesehen werden. Nach einer speziellen Berufsordnung für im Kindschaftsrecht tätige Rechtsanwälte, die ja auf spezielle am langfristigen Kindeswohl orientierte Verpflichtungen, statt einseitiger Vertretung der Interessen oder Erwartungen des beauftragenden Elternteils, eingehen müsste, haben wir bisher in Deutschland vergebens gesucht, auch bei der freiwilligen Interessensvertretung vieler Anwälte, dem Deutschen Anwaltverein

Fündig wurden wir dagegen, und das schon lange zuvor, wieder allein im Ausland. Insbesondere kann dazu bei der  American Bar Association (ABA), die man, als größte freiwillige Anwaltsvereinigung mit über 400.000 Mitgliedern, als Pendant des Deutschen Anwaltsvereins betrachten könnte, eine schier unendliche Fülle von Aktivitäten und Informationen zum Thema professionelles, ethisches Verhalten von Anwälten finden, einschließlich auch der Disziplinarmaßnahmen, ohne die die schönsten Appelle natürlich bei "schwarzen Schafen" nichts fruchten. Dazu gehören selbstverständlich auch genaue Anleitungen für die Mandanten, als juristischen Laien, wie sie entsprechende Beschwerden wirkungsvoll vorbringen können und wie der gesamte Vorgang transparent bleibt. Man hat dort offensichtlich schon vor Jahrzehnten sehr deutlich erkannt, dass man damit nicht nur die Konsumenten schützt, sondern auch die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder des eigenen Berufstandes, die ihrer Arbeit gewissenhaft nachgehen und mit vollem Recht beanspruchen können, darauf auch stolz zu sein. Die in den Arbeitsgruppen (im Center for Professional Responsibility) der ABA erarbeiteten Richtlinien sind zwar nicht rechtlich verbindlich, werden aber von den gesetzlichen Rechtsanwaltskammern und den für Disziplinarmaßnahmen zuständigen obersten Gerichten (supreme courts) der einzelnen Bundesstaaten weitgehendst übernommen. Diese Berufspflichten und die entsprechenden Disziplinarmaßnahmen gelten, wie die entsprechenden Bestimmungen in Deutschland, ganz allgemein, für alle Rechtsgebiete.

Aber es gibt  ében auch spezielle Richtlinien für Familienrecht, insbesondere für den Umgang mit minderjährigen Kindern. Damit befasst sich auch die, allerdings weit kleinere, American Academy of Matrimonial Lawyers mit sehr interessanten, hochkarätigen Beiträgen. Spezielle Verhaltensregeln für im Familienrecht tätige Rechtsanwälte, zusätzlich zu den allgemein verbindlichen Berufordnungen, wie sie von die einzelnen gesetzlichen Rechtsanwaltsankammern in zumeist enger Anlehnung an die von der ABA entwickelten Richtlinien erlassen werden, findet man z. B. sehr ausführlich kommentiert in BOUNDS OF ADVOCACY, American Academy of Matrimonial Lawyers Standards of Conduct, oder bei der Los Angeles County Bar Association als  Professionalism Guidelines for Family Law Practitioners (1996). Auch der vom Chief Judge von New York in Auftrag gegebene und noch immer viel zitierte Bericht Report of the Committee on the Profession and the Courts (1995, 88 Seiten) befasst sich dem Ruf von Anwälten und mit den Anforderungen an eine Tätigkeit im Familienrecht.
Auch aus Großbritannien gibt es einen ausführlichen Code of Practice für im Familienrecht tätige Anwälte. 

Wir werden aus der Fülle der hier und anderswo vorhandenen Informationen sicher bald weiter (beispielhaft) zitieren, darunter auch aus den Statuten einzelner amerikanischer Bundesstaaten (siehe z. B. die Übersicht Professionalism Codes) und anderer Staaten. Primär interessiert uns aber natürlich die Situation in Deutschland, und wie sie eventuell verbessert werden könnte, nach einem Blick ins Ausland etwa. Bisher wenigstens gibt es dazu allerdings nicht all zu viel zu berichten. Selbstverständlich beschreibt auch die deutsche Berufsordnung (BORA) und die Bundesrechtsanwaltsanordnung (BRAGO) neben Pflichten gegenüber dem Berufsstand und dessen Standesvertretung auch die Pflichten von Rechtsanwälten gegenüber Mandanten und appelliert an ihr ethisches Verhalten, darunter hier vor allem relevant:.

 ,,seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern." (BORA,§ 1, Abs. 3)

und   ,,Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben." (BRAO, §43a, Abs. 3)

Offensichtlich genügen aber diese zwei Bestimmungen nicht, um die oben beschriebenen Missstände, besonders in Sorge- oder Umgangsrechtverfahren wirksam zu bekämpfen, zumal die meisten Mandaten, als Laien, nicht einmal wissen, dass es auch für sie Beschwerdemöglichkeiten gegen das Verhalten von Anwälten gibt, und Anwälte durch die Berufsordnung angehalten sind sich nicht über Kollegen zu äußern, vgl. § 25 BORA [Beanstandungen gegenüber Kollegen]  ,,Will ein Rechtsanwalt einen anderen Rechtsanwalt darauf hinweisen, dass er gegen Berufspflichten verstoße, so darf dies nur vertraulich geschehen, es sei denn, dass die Interessen des Mandanten oder eigene Interessen eine Reaktion in anderer Weise erfordern."

In der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ist die Funktion des Anwaltsgerichts ausführlich dargestellt, und welche Sanktionen es bei Verstößen gegen die Berufsordnung verhängen kann: Warnung, Verweis, Geldbuße, teilweises Tätigkeitsverbot, Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft (§114 BRAO).

Ganz anders als etwa in den USA, wo es dazu ausführliche offizielle Informationen und sogar eigene, z. B. im Internet abrufbare Beschwerdeformulare und Anleitungen für betroffene Mandanten gibt, ist bei uns davon nichts zu finden. Der Beschwerdeführer erfährt bei uns, nach unserer Erfahrung, auch nicht im Einzelnen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, noch  wird er am Verfahren beteiligt. Vielmehr wird dem Beschwerdeführer zunächst nur mitgeteilt, dass seine Beschwerde dem betroffenen Anwalt zur Stellungnahme übermittelt wurde. Danach wird sie von der zuständigen Abteilung des Kammervorstandes geprüft und, wenn ihr wenigstens teilweise stattgegeben wurde, erhält man eine ziemlich lapidare Mitteilung, wie etwa,,Die nach gesetzlicher Vorschrift veranlassten Maßnahmen wurden getroffen", oder manchmal auch ausführlicher:

,,Die nach Berufsrecht veranlassten Maßnahmen wurden getroffen. Weitere Mitteilungen, insbesondere über die Art der Sachbehandlung und den Inhalt der getroffenen Maßnahmen können wir Ihnen leider nicht machen, weil es an der Rechtsgrundlage für solche Bekanntgaben fehlt.

Das vorliegende Aufsichtsverfahren ist zwar aufgrund Ihrer Eingabe in Gang gesetzt worden. Sie sind jedoch nicht ,,Beteiligter" im Sinne des Verwaltungsverfahrens.

Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des §76 BRAO [unsere Anm: bezieht sich allein auf die Verschwiegenheitspflicht der Kammervorstandsmitglieder über ihre Tätigkeit] und des Datenschutzgesetzes (vgl. auch das ,,Volkszählungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983) verbieten es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer XX., Einzelheiten des Aufsichtsverfahrens an Sie weiterzugeben.

Wir bitten Sie, dafür Verständnis zu haben."

Trotzdem lohnt es sich solche Beschwerden, natürlich wirklich nur, wenn sie auch voll berechtigt sind, vorzubringen. Wir möchten dazu ausdrücklich ermutigen. Man erreicht dadurch doch  wenigstens vorübergehend meist eine merkliche Zurückhaltung des (gegnerischen) Anwalts. Allerdings,,schleunigst die Robe ausgezogen", wie es einem national sehr angesehenen Anwalt einmal spontan entfuhr (dann sich jedoch sofort für diese "standeswidrige" Äußerung entschuldigte) als er einen noch vergleichsweise harmlosen Schriftsatz sah, wurde in einem uns bekannten Fall dem betreffenden Anwalt nicht, obwohl ein und derselbe Beschwerdeführer im Laufe von ein paar Jahren gleich dreimal Beschwerden gegen dieses "Organ der Rechtspflege" (§1 BRAO) erfolgreich durchgesetzt hatte (und schließlich auch Strafanzeige erstattet hatte).

Völlig anders als bei uns sieht man in den USA die Anforderungen an die Transparenz von Beschwerdeverfahren und von Disziplinarmaßnahmen gegen Rechtsanwälte, und zwar wieder ausgehend von deren Interessenvertretung selbst, wie der American Bar Association (ABA), nicht zuletzt aus wohl verstandenem Eigeninteresse der überwiegenden Mehrheit ihrer Mitglieder. Das ist z. B. sehr ausführlich dargestellt in dem Bericht Lawyer Regulation for A New Century. Report of the Commission on Evaluation of Disciplinary Enforcement (1989-1992). Siehe insbesondere das Kapite INCREASING PUBLIC CONFIDENCE IN THE DISCIPLINARY SYSTEM (Verbesserung des öffentlichen Vertrauens in das Disziplinarsystem). Hier eine Übersetzung der Einleitung:

 Die Kommission ist überzeugt davon, dass Geheimhaltung bei Disziplinarverfahren weiterhin die größte, einzelne Quelle für das öffentliche Misstrauen in die Disziplinarsysteme für Rechtsanwälte darstellt. Die Erwartung der Öffentlichkeit an Regierung und insbesondere an rechtliche Verfahren ist, dass sie für die Öffentlichkeit  zugänglich sind, öffentlich dokumentiert sind, und dass es Öffentlichkeit und Presse möglich ist, diese Verfahren frei zu kommentieren. Die Öffentlichkeit akzeptiert nicht die Behauptung des Berufstandes, dass die Reputation von Rechtsanwälten so zerbrechlich ist, dass sie vor Falschanschuldigungen durch geheime Verfahren geschützt werden muss. Die Ironie, dass Rechtsanwälte durch geheime Verfahren geschützt sind, während sie ihr Einkommen in einem offenen Justizsystem erzielen, ist der Öffentlichkeit nicht entgangen. Im Gegenteil, es ist eine Quelle großer Abneigung gegen den Berufsstand. 

 Allerdings waren schon in 1992, entsprechend diesem Bericht, in mehr als der Hälfte der Bundesstaaten Disziplinarverfahren öffentlich, sobald eine Vorprüfung ergibt, dass begründeter Verdacht auf ein Fehlverhalten des Anwalts besteht, und nicht erst bei einer Verurteilung durch das Höchstgericht des jeweiligen Staates. In Oregon hatte man sogar schon 15 Jahre lang gute Erfahrungen mit einem völlig offenen Disziplinarverfahren, vom Eingang der Beschwerde an, gesammelt. Die Vorschläge für Disziplinarverfahren wurden von der American Bar Association weiter entwickelt, vgl. Model Rules for Lawyer Disciplinary Enforcement (2002). Nach wie vor unterscheiden sich die Disziplinarverfahren in den einzelnen Staaten in Einzelheiten, vgl. Directory of Lawyer Disciplinary Agencies, und sind auch jetzt nochVeränderungen unterworfen. So trat z. B. in Texas am 1.1.2005 eine neue Verordnung in Kraft, die den Umgang mit unbegründeten Beschwerden beschleunigen soll, Nach wie vor kann aber der Beschwerdeführer gegen eine solche Entscheidung der Unbegründetheit Einspruch erheben und es werden auch abgelehnte Beschwerden einem freiwilligen Vermittlungsverfahren zugeführt, um eine möglichst einvernehmliche Problemlösung zu erzielen.
Beschwerdeführer werden über den Fortgang von Verfahren informiert, und daran vielfach, wiederum im Detail abhängig vom jeweiligen Bundesstaat, auch direkt beteiligt, indem ihnen z. B. die Stellungnahme des betreffendes Anwaltes zu ihrer Beschwerde zugeleitet wird, sie dann zu weiteren  Stellungnahmen aufgefordert werden, oder als Zeugen geladen werden, vgl. z. B. den schon erwähnten Staat Oregon.

Erfolgte Disziplinarmaßnahmen (teilweise sogar eingestellte Verfahren) werden in speziellen Datenbanken der jeweiligen Gerichtsbezirke oder Staaten festgehalten, über die Informationen über einen bestimmten Anwalt eingeholt werden können. Die American Bar Association hat um den Zugang bundesweit zu erleichtern, darüber hinaus schon 1968 mit dem freiwilligen Aufbau einer zentralen Datenbank, National Lawyer Regulatory Data Bank, begonnen, die nicht nur Anfragen zu einem bestimmten Anwalt ermöglicht, sondern auch Statistiken liefert (vgl. ABA Survey on Lawyer Discipline Systems). Mit diesen Datenbanken will man die Öffentlichkeit schützen, auch dadurch dass man die Zulassung von bereits suspendierten Anwälten woanders zu verhindern sucht.

Selbstverständlich ist es bei entsprechend gut begründetem Anlass und guter Beweislage auch möglich Strafanzeige zu erstatten. Bei den oben erwähnten und häufig gebrauchten virtuellen Anschuldigungen wird man allerdings damit warten müssen bis der "Fehler" gemacht wird, ausreichend konkrete Falschbeschuldigungen zu erheben. Ferner ist zu beachten, dass nach dem deutschen Strafgesetz falsche Verdächtigung (§164 StGB) und auch Verleumdung (§187 StGB) den sehr schwierigen Nachweis erfordern, dass die Behauptungen ,,wider besseres Wissen" erfolgten, und andererseits Beleidigungen (§§ 185-187 StGB) Antragsdelikte sind, bei denen man wahrscheinlich auf den Weg der Privatklage (§ 374 StPO) verwiesen wird. Bei einer Privatklage trägt jedoch der Kläger (Geschädigte) das volle Kostenrisiko, selbst für den Prozessgegner (§ 379 StPO), und ist die Staatsanwaltschaft nicht zur Mitwirkung verpflichtet (§ 377 StPO). Man braucht also leider Zeit, Energie, Geld und wahrscheinlich einen sehr guten Anwalt (der noch dazu bereit sein muss gegen einen "Kollegen" vorzugehen) um gegen solche Vorwürfe erfolgreich einzuschreiten, sollten sie nicht von Staats wegen verfolgt werden. Sehr hohe Hürden sind auch zu überwinden, sollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen (z. B. nach §170 Abs. 2 StPO) und man will nach erfolglosen Beschwerden bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Klage über das Oberlandesgericht erzwingen. Die meisten Klageerzwingungsverfahren scheitern schon aus formalen Gründen.
Strafanzeigen hemmen allerdings das Disziplinarverfahren vor der Rechtsanwaltskammer bis zum Abschluss des Strafverfahren, bzw. dessen Einstellung. Selbst letzteres kann aber, ähnlich wie die Disziplinarbeschwerde, zu einer (temporären) Beruhigung der Auseinandersetzungen im eigentlichen Verfahren  beitragen.

Von anonymen Beschwerden raten wir dringend ab. Sie bringen nichts. Auch sollte man sich stets vor Augen halten, dass übergroße persönliche Betroffenheit nicht selten zu Querulantentum führt, womit dann selbst bei wohl begründeten Beschwerden die Chancen der Durchsetzung wahrscheinlich erheblich sinken. In diesem Zusammenhang sollte man es auch zu schätzen wissen, wenn der eigene Anwalt sich zwar mit aller Kraft bemüht, berechtigte und auch wesentliche Forderungen durchzusetzen, aber doch insgesamt mäßigend auf den Ton der Auseinandersetzung einwirkt.  

Wir werden bald weiter zu hier angeschnittenen Themen berichten.

Wir möchten Herrn RA Dr. Peter Koeppel für sein stetes, uns stimulierendes Interesse am Thema ,,Verhaltenskodex im Familienrecht" danken.

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