Die Europäische Konvention für Menschenrechte

KONVENTION ZUM SCHUTZE DER MENSCHENRECHTE UND GRUNDFREIHEITEN IN DER FASSUNG DES PROTOKOLLS Nr. 11 Protokolle Nr. 1, 4, 6 und 7 (EMRK)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. (EGMR)

VfK REZENSION: Sehr aktuell und empfehlenswert: Cornelia Kopper-Reifenberg, Kindschaftsrechtsreform und Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK. Zur Vereinbarkeit der deutschen Reform des Kindschaftsrechts mit der Europäischen Menschenrechtskonvention - eine kritische Analyse. Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1. Auflage 2001,  ISBN 3-7890-7657-0,   651 Seiten, 99 Euro. Zugl.: Saarbrücken, Univ. Diss., 2001.

noch vor der Reform:
Irene Fahrenhorst, Familienrecht und Europäische Menschenrechtskonvention.
Das Ehe-und Familienrecht der Bundesrepublik Deutschland und seine Vereinbarkeit mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. 524 Seiten. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1994. 

Einen sehr guten Einblick in die Verfahrensweise des EGMR vermittelt der Aufsatz: Christoph Brückner, Die Überprüfung von Sorgerechtsentziehungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das Verfahren bei Einlegung einer Individualbeschwerde und der Fall Kutzner- FuR 9/2002, Seiten 385-392.
Daraus nur ein Zitat: Des weiteren bekräftigt der EGMR einen von ihm bereits in einer früheren Entscheidung aufgestellten Grundsatz von zentraler Bedeutung: Allein die Tatsache, daß ein Kind in einem für seine Erziehung günstigeren Umfeld untergebracht werden könne, rechtfertige noch nicht, daß es der Betreuung seiner biologischen Eltern gewaltsam entzogen werde." Es gelten insofern besonders strenge Anforderungen an die Angemessenheit der gewählten Mittel. Zu beachten sei, daß jede staatliche Maßnahme primär zum Ziel haben müsse, Eltern und Kinder zu vereinen bzw. bestehende Bindungen zu fördern und zu festigen. Nur in Extremfällen sei diese positive staatliche Verpflichtung durch das Kindeswohl begrenzt.

Es gibt in Deutschland unbestreitbar Tendenzen sich von der europäischen Entwicklung im Kindschaftsrecht abzukoppeln (nach Einschätzung vieler Experten sogar als Träger der roten Laterne). Unter der vorigen Bundesjustizministerin wurde wegen Entscheidungen die deutsche Menschenrechtsverletzungen feststellten zum Einspruch sogar der schon lange emeritierte Verfassungsgerichtspräsident, Prof. Benda, bemüht, wonach dem unserer Meinung nach erlesenen Richterkollegium des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im "fernen" Strassburg die Kompetenz in Kindschaftssachen abzusprechen sei etc. etc. ( ,,Kindeswohl als örtliche Angelegenheit", wie die TAZ titelte.):  Prof. Benda, ,,Verkehrtes zum Verkehrsrecht. Anmerkungen zu den EGMR-Urteilen Sommerfeld, Elsholz und Sahin gegen Bundesrepublik Deutschland." Vgl. dazu unseren Bericht über die ,,Die Einsprüche der Bundesregierung gegen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR)."

Bezeichnend, statt ein bloßes Kuriosum, mag auch sein wie Kopper-Reifenberg in ihrem Monograph feststellt (S. 29), dass die Unterlagen (Bundesdrucksachen) zur Kindschaftsrechtreform die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) an keiner Stelle erwähnen. Das Vereinigte Königreich dagegen, dem man ja oft ein eher gespaltenes Verhältnis zum "Kontinent" nachsagt, erklärt schon in der Präambel von Gesetzesentwürfen, wie dem zur jüngsten Reform des Kindschaftsrechts (Adoption and Children Act 2002), dass die Vereinbarkeit mit der EMRK sorgfältig geprüft wurde. Angesichts der zunehmenden europäischen Integration wird an einer Anpassung des deutschen Kindschaftsrechts und der Rechtspraxis an europäische Standards auf Dauer aber kein Weg vorbeiführen.

Das "Caroline Urteil" des EGMR zum Presserecht  ( CASE OF VON HANNOVER v. GERMANY) vom 24.6. 2004 und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall Görgülü  vom 14.10.2004 haben eine sehr  umfangreiche Debatte zum Status der EMRK und der Entscheidungen des EGMR in Deutschland ausgelöst.  Zum "Caroline Urteil" waren dies insbesondere Aüßerungen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, ,,dass das Urteil keine bindende Wirkung für deutsche Gerichte habe, da sie in der Normenhierarchie unter der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stünde, das in der betreffenden Sache anders entschieden habe. Die deutschen Gerichte müssten die Entscheidung zwar beachten, müssten ihr aber nicht folgen. Aus diesem Grund habe die Bundesregierung entschieden, von der Einlegung von Rechtsmitteln abzusehen, da es auch einem anderen Urteil ebenso an bindender Wirkung fehlen würde. "  (Spiegel, 1.9.2004:Bundesregierung will nicht gegen "Caroline-Urteil" vorgehen ). Das Bundesverfassungsgericht war vor der Entscheidung  gegen das "Caroline" Urteil des EGMR keine Beschwerde einzulegen, angerufen worden. Laut Pressemitteilung Nr. 84/2004 vom 01. September 2004 des BVerfG sei eine solche Beschwerde nachvollziehbar, aber ebenso sei es vertretbar zunächst die Auswirkungen des EGMR Urteils abzuwarten. Vgl. dazu eine neue Entscheidung des BGH (Aktenzeichen: VI ZR 13/06, 14/06, 50/06, 51/06, 52/06, 53/06) in dem seine frühere Entscheidung zum Fall "Caroline" entsprechend der EGMR Entscheidung  dahingehend "relativiert" wurde, dass Paparazzi-Fotos gedruckt werden dürfen, wenn sie inhaltlich von allgemeinem Interesse sind - aber bloße Befriedigung von Neugier reiche nicht. (SPIEGEL, 6.3.2007).  Ein weiterers "Caroline" BGH Urteil (Az: VI ZR 67/08 u. 243/06 vom 1. Juli 2008). erging am 1.7.2008, mit ähnlichem Ausgang, nachdem seine frühere Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26. Februar 2008 – 1 BvR 1602/07; 1 BvR 1606/07; 1 BvR 1626/07 – Pressemitteilung  Nr. 35/2008 vom 18. März 2008) aufgehoben worden war. (vgl. auch  z. B. Financial Times Deutschland, vom 1.7.2008). Das "Caroline" Urteil des EGMR  hat sich also schließlich doch weitgehend durchgesetzt (Journalistik Journal, 28.9.2007).

16.11.2004: SPIEGEL ONLINE (14. November 2004): EU-GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

Kritik für Deutschland, Lob für die Türkei

Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Luzius Wildhaber, hat die Bundesregierung und das Bundesverfassungsgericht kritisiert. Die Tatsache, dass Entscheidungen des europäischen Gerichtshofes häufig als nicht bindend für deutsche Gerichte betrachtet würden, zeuge von mangelndem europäischen Verantwortungsbewusstsein.......

Vielleicht sollte jetzt einmal die Türkei Menschenrechte in Deutschland einfordern, z. B. im Fall des türkisch stämmigen Vaters Görgülü, und nicht umgekehrt.

6.1.2006: Gerichtshof für Menschenrechte droht unter Klageflut zu ersticken

- Neuer Anlauf zur Entlastung der weltweit einmaligen Instanz

Er ist die letzte Hoffnung für gefolterte Kurden, tschetschenische Mütter auf der Suche nach ihren verschollenen Söhnen, ums Sorgerecht kämpfende Väter und zahllose andere Opfer von Grundrechtsverletzungen - doch nun droht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in der ständig wachsenden Flut von Klagen zu ersticken. Mehr als 44.100 Beschwerden wurden allein im Jahr 2005 registriert, der Berg der anhängigen Fälle ist damit auf über 82.100 angewachsen. Und bei dem derzeitigen Tempo könnte er sich innerhalb der kommenden fünf Jahre verdreifachen, warnen Experten des Europarats in einem dieser Tage veröffentlichten Bericht.........

Diese Meldung  ist auch für Deutschland sehr besorgniserregend, wo man meinte, sich sogar von den Entscheidungen dieses erlesenen europäischen Gerichtshofes weitgehend abkoppeln zu können (Vgl. Fall Görgülü und das so genannte Caroline Urteil, aber auch schon nach den Fällen Sahin, Sommerfeld und Elsholz gegen Deutschland, laut Prof. Benda wenigstens, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, EuGRZ 29 Jg. Heft 1-4, 2002, Seite 1-3.). Es ist leider auch schon derzeit vielfach so, dass man bei Sorge/Umgangsrecht Problemen, wo Zeit gerade nicht alle Wunden heilt, sondern sie nicht selten bis zum "point of no return" vertieft,  den Betroffenen die die Energie und auch finanziellen Mittel aufbringen den langen Weg durch alle nationalen Instanzen und danach bis nach Straßburg zu gehen in erster Linie dafür dankbar sein muss, dass sie für andere vielleicht eine Verbesserung der Rechtspraxis erreichen, obwohl für sie selbst die Entscheidung viel zu spät kommt.

URTEILE

Aus den Webseiten des EGMR können Pressemitteilungen über aktuelle Entscheidungen sowie, aus einer umfangreichen Datenbank, die Entscheidungen selbst abgerufen werden. (In den Sprachen Englisch und Französisch). Dabei können eine Reihe verschiedener Suchkriterien angegeben werden:
a.) Zu einem bestimmten Fall am einfachsten die Nummer der Beschwerde (Application Nr.) 
b)  Alle relevanten Fälle können aber auch sehr rasch durch Angabe des Artikel der EMRK (bei Kindschaftssachen am wichtigsten: 8, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, 6, Recht auf ein faires Verfahren) und des Staates gegen den sich die Beschwerde richtet (respondent) gefunden werden. Auch die Eingabe von Stichwörtern ist möglich.
c) Dadurch, dass fast immer auf frühere Entscheidungen Bezug genommen wird, kann man auf Grund einer Entscheidung meist weitere wichtige Entscheidungen des EGMR finden.
Das Urteil und weitere Dokumente stehen dann zumindest in einer der beiden Sprachen zur Verfügung, als Webseite oder zum Abruf als Word Dokument. Neuere Urteile werden zusätzlich aufgelistet (recent decisions). Ein Teil der Dokumente, Pressemitteilungen und Urteile des EGMR sind auch in deutscher Übersetzung vorhanden. Darunter ist auch ein  Fundstellenverzeichnis der Urteile und Entscheidungen des EGMR in deutscher Sprache, mit Angaben zu Veröffentlichungen in Rechtszeitschriften etc.

   Das Österreichische Institut für Menschenrechte (gegr. 1987) in Salzburg ist Nationaler Korrespondent des Europarats für Österreich. Es unterhält ein sehr umfangreiches Dokumentationsangebot. Der Newsletter Menschenrechte erscheint alle 2 Monate und enthält u.a. regelmäßig Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in deutscher Übersetzung, die aus dem Archiv (ab 1995) per Schnellsuche abgerufen werden können.  
   
   Auch das deutsche Bundesministerium der Justiz hat Webseiten zu Menschenrechten und insbesondere dem EGMR eingerichtet.  Darunter sind Kurzkommentare zu einigen weiteren, ausgewählten Urteilen, Deutschland betreffend, allerdings bisher, außer dem Urteil im Fall Sürmeli vom 8.6.2006 und dem bekannten "Caroline Urteil" vom 24.6.2004, nur zu solchen, bei denen die Beschwerde vom EGMR zurückgewiesen wurde, vgl. aber auch die Zusammenfassungen in den Rechtsprechungsberichten 2004, 2005 (pdf Dateien).

21.04.2011: CASE OF KUPPINGER v. GERMANY (Application no. 41599/09). Urteil vom 21.04.2011. Kurz nach der Geburt seines nichtehelichen Sohnes (Dez. 2003) verweigerte die Mutter jeden Kontakt zu ihm. Ab Mai 2005 lief dann ein Verfahren zum Umgang, mit wiederholter Anordung eines begleiteten Umgangs der nur teilweise zustande kam, Anordnung von Gutachten, nach Auffassung des Gerichthof jedoch zu späten Einsetzung eines Verfahrenspflegers, Ablehnungen und Terminverschiebungen (auch durch den Beschwerdeführer), so dass im Oktober 2010 das Verfahren noch immer nicht abgeschlossen war. Der Gerichtshof erkannte auf Verletzung des Art. 6 wegen überlanger Verfahrensdauer und des Art. 13 weil es dagegen keinen Behelf gab. Er sprach ein Schmerzensgeld von 5,200 € und 3,745.73 € für Prozesskosten aus.

10.02.2011:  AFFAIRE TSIKAKIS c. ALLEMAGNE (Requête no 1521/06). Urteil vom 10.02.2011. Der Beschwerdeführer nahm 1993 die Beziehung zu einer Frau auf, die zwar von ihrem Ehemann schon 3 Monate getrennt lebte aber auch bei der Geburt des gemeinsames Kindes in 1995 noch nicht geschieden war. Das nützte die Mutter dann aus um zu behaupten, ihr Ehemann sei der Vater (was rein rechtlich gesehen ja auch zutreffen könnte) und damit nicht nur einen Umgang sondern auch einen Vaterschaftstest ablehnte. Dennoch konnte die Vaterschaft mit lt. Experten 99.99 %er Wahrscheinlickheit festgegstellt festgestellt werden, woraus jedenfalls eine Forderung auf Kindesunterhalt ab Juli 1999 folgte. Ein Umggangsrecht wurde bis zur Einschulung des Kindes vom Gericht abgeleht. Erst dann sollte das Kind erfahren, dass der neue Ehemann der Mutter nicht sein leiblicher Vater ist. Im Beschwerdeverfahren empfahlen sowohl die psychologische Sachverständige einen unmittelbaren begleiteten Umgang. Die Mutter jedoch verzögerte und blockierte diesen Umgang, zeigte eine feindselige Haltung gegen den Vater und beeinflusste das Kind gegen ihn, mit dem "Erfolg", dass dann der inzwischen 8 jährige Sohn erklärte, seinen Vater nicht sehen zu wollen. Ein neuer Sachverständiger erklärte dann, dass der Vater (den auch das Gericht früher als sehr fürsorglich und besonnen beschrieb) zwar keinerlei Gefahr für das Kind darstelle, aber dennoch empfahl den Umgang auf 2-4 Lahre auszusetzen, bis auf eine postalischen Kontakt. Außerdem empfahl er ein Zwangsgeld gegen die Mutter, Ein im Gegensatz dazu wirksames Ordnungsgeld gibt es ja erst seit der Reform im FamFG, ab 1.9.2009, der Vorschlag wurde dementsprechen vom Gericht abgelehnt, auch der Antrag der Mutter auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit. Beschlossen (Nov. 2003) wurde dagegen eine Aussetzung des Umgang bis einschließlich Juli 2005. Das Berufungsgericht befasste sich ausführlich mit der schwierigen psychologischen Situation des Kindes durch das Fehlverhalten der Mutter, das möglicherweise, aber jetzt noch nicht, den Entzug des Aufenthaltbestimmungsrechts oder Geldstrafen rechtfertigen könne (Nov. 2003). Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich zwar zu der Beschwerde, hat ihr aber nicht abgeholfen, Beschluss 1 BvR 180/04 vom 28.7.2005.  Der Gerichtshof befand, dass die überlange Verfahrensdauer, vor allem beim OLG den Art. 6 der EMRK verletzt. Er befand auch, dass das Gericht trotz klarer Erkenntnis der Obstruktion durch die Mutter und ihrer negativen Beieinflussung des Kindes dagegen nicht ausreichend etwas unternommen hat und damit auch Artikel 8 der EMRK verletzt wurde. Schmerzensgeld 7000€, Sachkosten 3100€.
vgl. dazu auch: Jahrelanger Streit um Besuchsrecht. Vater erhält Schmerzensgeld.

20.01.2011 CASES OF KUHLEN-RAFSANDJANI v. GERMANY (Applications nos. 21980/06, 26944/07 and 36948/08) Urteil vom 20.01.2011.  Wieder die übliche Geschichte: Behinderung des Umgangs, Verzögerungstaktik und schleppende Verfahren (ab Aug. 1998), damit genügend Zeit für die Mutter und nach Angabe des Vaters auch die mütterlichen Großeltern die beiden Kinder (geb. 1992, 1996) massiv gegen ihn zu beeinflussen, bis sie selbst etwa ab 2003 den Umgang ablehnten und statt gemeinsamer Sorge der Mutter wegen des Konfliktes zwischen den Eltern und nach dem "Kontinuitätsprinzip" schon vorher die gewünschte Alleinsorge übertragen worden war, mit dem Jugendamt als Aufenthaltsbestimmungspfleger entsprechend seiner eigenen Empfehlung. Auch die Einsetzung eines Verfahrenspflegers und Anordnung von Gutachten brachte nichts. Der Gerichtshof erkannte auf eine Verletzung des Art. 6 wegen überlanger Verfahrensdauer und des Art. 13 weil es dagegen keinen Behelf gab und sprach ein Schmerzensgeld von 10.000 € aus.

21.12.2010: CASE OF ANAYO v. GERMANY (Application no. 20578/07).  Pressemitteilung (Englisch, pdf Datei).
,,In denying biological father access rights, German courts failed to consider children’s best interest"(Durch Versagen eines Umgangsrechtes für einen biologischen Vater haben es deutsche Gerichte verabsäumt das Kindeswohl zu berücksichtigen). Verletzung des Artikels 8 (Recht auf Respektierung des Privat- und Familienlebens).
Die Kinder (Zwillinge, geb. Dez, 2005) entstammen einer außerehelichen Beziehung mit dem Kläger, einem nigerianischen Staatsbürger, der bis jetzt keinen Kontakt mit ihnen hatte, weil dies die Mutter und der (wegen der Geburt innerhalb einer bestehenden Ehe) rechtliche Vater ablehnen.
Die Entscheidung bedeutet eine Stärkung des Umgangsrechtes biologischer Väter und dem Recht eines Kindes seine Abstammung zu kennen. Sie ist von besonderer Bedeutung auch deshalb, weil eine Trennung der Eltern häufig kurz vor oder nach der Geburt eines Kindes erfolgt, so dass keine soziale Bindung zwischen Vater und Kind entstehen konnte.
vgl. dazu auch: Gericht stärkt Rechte von Vätern.

07.12.2010: Reinhard SUDE against Germany (Application no. 38102/04)  Entscheidung vom 07.12.2010. Der nichteheliche Vater, der das behinderte Kind überwiegend betreut hatte, bis die Mutter wegzog und das Kind bei ihren Eltern unterbrachte begehrte 2003 das Sorgerecht auf ihn zu übertragen, damit das Kind wieder in seine fühere Normalschule integriert werden könnte, statt iner Schule für Behinderte. Diese Begehren wurde jedoch unter Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage, nach der ohne Zustimmung der Mutter ihr die Alleinsorge zukommt, abgelehnt. Der Vertreter Deutschlands
schlug eine einseitige Erklärung Deutschlands mit Bezug auf den Fall Zaunegger gegen Deutschland (2009) und eine Schmerzensgeldzahlung von 8,000€ gegen Streichung von der Liste des EGMR vor, was der Beschwerdeführer jedoch ablehnte. Der Gerichtshof strich den Fall dennoch dann von seiner Liste.
  
08.07.2010: AFFAIRE DÖRING c. ALLEMAGNE (Requête no 40014/05) Urteil vom 8.7.2010 wegen Verletzung des Artikels 6 §1 (bzgl. Verfahrensdauer zu Umgang seit 2002, Kind geb. 1995, nichtehelich, Missbrauchsvorwurf) 

24.06.2010: CASE OF AFFLERBACH v. GERMANY (Application no. 39444/08) Urteil vom 24.06.2010. Die nicht verheirateten Eltern trennten sich im Juni 1998. Im August 1999 kam es zu einer Umgangsregelung vor dem Familiengericht mit wöchentlichen Umgang zu der im Juli 1997geborene Tochter. Jedoch bereits im November 1999 verzog die Mutter mit dem Kind von Bad Berleburg nach Stralsund (647 km !), ohne den Vater zu verständigen (das ist ja anders als etwa in Frankreich, wo das unter Strafe steht, in Deutschland ohne weiteres möglich, sogar mit "Heimvorteil" bei der Gerichtszuständigkeit, und oft effektiver Umgangsverhinderung, weil der Umgangberechtigte auch in diesem Fall sämtliche Kosten zu übernehmen hat). Seither hat die Mutter jeden Kontakt abgelehnt.  Es folgten u.a. Vorwürfe eines sexuellen Kindesmissbrauchs, die sich von den psychologischen Sachverständigen nicht bestätigen ließen. Im Februar 2001 wurde vom Familiengericht ein monatlicher begleiteter Umgang angeordnet. Es folgte die Beschwerde der Mutter, die dann auch eine erneute Begutachtung und einen Kontakt mit dem Verfahrenspfleger ablehnte. Schießlich wurde Ende Januar 2004 die "Zauberformel" der Aussetzung des Umgangs auf 3 Jahre angewandt. Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung auf, weil das OLG Rostok das Kindeswohl und die elterlichen Rechte des Vaters nicht hinreichend berücksichtigt hat (9.6.2004). Es folgte eine zweite "Runde" mit der gleichen Verweigerung jeder Kooperation, Ablehnung von Sachverständigen und weiteren Umzügen seitens der Mutter. Ende Nov. 2009 schließlich das Endurteil, das dem Vater lediglich das Recht einräumte einmal monatlich einen Brief oder Fotos an die Tochter durch einen vom Verfahrenspfleger bestimmten Vermittler überbringen zu lassen.
 Der Gerichtshof wies wie so oft schon wieder darauf hin, dass eine zu lange Verfahrendauer in solchen Fällen zu einer immer weiteren Entfremdung und so faktisch den Ausgang des Verfahrens bestimme. Der Gerichtshof befand daher dass Art. 6 wegen zu langer Verfahrensdauer (über 10 Jahre!) und auch Art. 13 wegen des Fehlen einer effektiven Abhilfe dagegen durch die Bundesrepublik verletzt worden waren. Es wurden 2.933,83 € für Prozesskosten und 7000 € Schmerzensgeld zugesprochen.

Die 2 obigen Fälle zeigen wieder einmal wie einfach es hier ist das Umgangsrecht beliebig lange zu sabotieren und das ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Im Gegenteil, die Eskalation und Verfahrensdauer arbeiten für den sabotierenden Elternteil, weil es dadurch, wie auch der Gerichtshof immer wieder betont, zu einer fortschreitenden, oft nicht wieder gut zu machenden Entfremdung des Kindes vom ausgegrenztenElternteil kommt. Deutsche Gerichte helfen dabei leider immer noch häufig mit, nicht nur durch überlange Verfahrensdauer, sondern auch indem sie den Umgang aussetzen ("Kind muss zur Ruhe kommen"), obwohl erwiesen ist, dass dadurch die Entfremdung nur zementiert wird (vgl. Umgangsausschluß im Sinne des Kindeswohls?; Karle & Klosinski, ZfJ 9/2000: Ausschluss des Umgangs — und was dann?). Besonders wirksam und faktisch risikolos erweist sich immer noch der Vorwurf eines sexuellen Kindesmissbrauchs, besonders dann, wenn dazu noch die Teilnahme an der meist dann angeordneten psychologischen Begutachtung verweigert wird (und auch der dann meist angeordnete begleitete Umgang ebenfalls boykottiert wird). Das funktioniert sogar, wie Fall Döring zeigt, in den seltenen Fällen wo es zu staatsanwaltlichen Ermittlungen kommt (obwohl man eigentlich das beim Vorwurf eines von Staats wegen auch ohne Antrag zu verfolgenden Offizialdelikts immer erwarten möchte) und diese, wie meist, relativ rasch eingestellt werden. Mit dem Vorwurf (und dem immer noch fehlenden Gutachten) begründete das Gericht dessen ungeachtet weiterhin, dass keine endgültige Entscheidung zum Umgang erfolgte. Und wenn der Beschwerdeführer dann, wie in diesem Falle auch, die Untätigkeit des Gerichts anmahnt, wird das Verfahren erst recht weiter verzögert. Von den Möglichkeiten eine Befolgung von Gerichtsbeschlüssen zu erzwingen wird hier, im Vergleich zu den USA etwa (Verfahren wegen "contempt of court"=Missachtung des Gerichts) kaum Gebrauch gemacht. Im Fall Döring versuchte das Familiengericht aber immerhin die Mitwirkung an der Begutachtung durch Androhung einer Geldstrafe von 2000 € zu "fördern", was aber vom Beschwerdegericht sofort aufgehoben wurde. Im Fall Afflerbach wurde sogar notfalls der Einsatz von Gerichtsvollziehern bewilligt, um den Kontakt zwischen Ergänzungspfleger und Kind herzustellen und die Begutachtung zu ermöglichen, ebenfalls erfolgslos.        
  

3.12.2009: Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strasbourg:


Kammerurteil
 
Zaunegger gegen Deutschland (Beschwerde-Nr. 22028/04)

AUSSCHLUSS EINER GERICHTLICHEN EINZELFALLPRÜFUNG DER SORGERECHTS-REGELUNG DISKRIMINIERT VATER EINES UNEHELICHEN KINDES

Verletzung von Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Artikel 8 (Recht auf Achtung des  Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention

Das Urteil ist mit einer einsamen Gegenstimme ergangen - der des deutschen (ad hoc) Richters Bertram Schmitt -  und widerspricht auch ganz klar der Entscheidung des  Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003, das § 1626 a BGB im Wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt hatte. Der Gerichtshof weist in einem Vergleich europäischer Rechtssysteme darauf hin, dass die Mehrheit der Staaten die Beteiligung nichtehelicher Väter an der elterlichen Sorge vorsieht, entweder unabhängig vom Willen der Mutter oder wenigstens auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung nach Prüfung des Kindeswohls, wogegen nach noch geltendem deutschen Recht nichteheliche Mütter ein absolutes Vetorecht besitzen, d. h. für eine Ablehnung auch keinerlei Gründe angeben müssen. Wir hatten in unserer schriftlichen und mündlichen Stellungnahme vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes schon damals auf die nach sorgfältigen und sehr ausführlich dokumentierten Erwägungen erfolgten Reformen in Frankreich und Großbritannien hingewiesen, wobei in Großbritannien ausschlaggebend war, dass sich auch eine Regelung, die über die deutschen Gesetzeslage hinaus auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersetzung der mütterlichen Zustimmung vorsah, sich nicht bewährt hatte. Eine eigene "Erforschung" der Situation, die erst vor kurzem gemäß dem damaligen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts endlich in Gang gekommen ist, hätte sich also wenigstens unser Meinung nach schon damals erübrigt. Seither sind noch eine Reihe von Staaten dazugekommen, die gemeinsame Sorge auch bei nichtehelichen Eltern als Regelfall vorsehen (wobei ein Ausschluss wegen Kindeswohlgefährung selbstverständlich jederzeit möglich ist), was uns wenigstens hoffen läßt, dass sich ihnen Deutschland bald anschließt.  Wie schnell  das geht wird allerdings vermutlich weiter vom öffentlichen Druck, auch durch die Medien, und davon, dass möglichst viele betroffene Väter unter Berufung auf dieses Urteil jetzt ebenfalls ihr Menschenrecht einklagen, abhängen. Zu beachten ist auch, dass gemäß Artikel 43 der Konvention jede Partei (also hier wohl ev. die Bundesregierung) innerhalb von drei Monaten nach dem Datum eines Urteils der Kammer in Ausnahmefällen die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer mit siebzehn Richtern beantragen kann. In diesem Fall berät ein Ausschuss von fünf Richtern, ob die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung der Konvention oder ihrer Zusatzprotokolle, oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft; in diesem Fall entscheidet die Große Kammer durch endgültiges Urteil. Wenn keine solche Frage aufgeworfen wird, lehnt der Ausschuss den Antrag ab, womit das Urteil rechtskräftig wird. Anderenfalls werden Kammerurteile entweder nach Ablauf der Drei-Monats-Frist rechtskräftig oder früher, sobald die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer nicht beantragen werden.

Aus der Presserklärung:

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter. Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Artikel14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorgerechtsfragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gerichtsentscheidungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.

Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann,dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwerdeführer sich weiterhin regelmäßig um sein Kind kümmert.

Der Gerichtshof teilte die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichenSorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung inTrennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen sollte. 

Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Artikel 14 inVerbindung mit Artikel 8 vorlag. 

Richter Schmitt äußerte eine abweichende Meinung, die dem Urteil angefügt ist.

Der Gerichtshof vertrat außerdem einstimmig, dass die Feststellung einer Verletzung der Konvention eine ausreichende gerechte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden darstellt.

***

Das Urteil liegt nur auf Englisch vor. Diese Pressemitteilung ist von der Kanzle ierstellt und für den Gerichtshof nicht bindend. Die Urteile des Gerichtshofs stehen auf seiner Website zur Verfügung (http://www.echr.coe.int).



9.4.2009: CASE OF HUB v. GERMANY (Application no. 1182/05)  Urteil vom 9.April 2009. Leider der übliche Fall. Der Wohnelternteil (hier Mutter) be(ver)hindert den Umgang, auch einen begleiteten Umgang, alle Vermittlungsversuche scheitern, ein Umgangspfleger bleibt völlig inaktiv,  ja kann später nicht einmal kontaktiert werden. Die Verfahren ziehen sich über fast sechs Jahre hin. In deren Verlauf erklärt der zu Beginn der Verfahren  8 jährige Sohn (geb. 1990)  was eigentlich niemanden besonders überraschen sollte, zunächst, dass er seinen Vater nur gelegentlich  (und begleitet) sehen wolle, und zwei Jahre später, dass sein Vater  für ihn nicht mehr existiere. Schließlich der Weisheit letzter Schluss durch den Sachverständigen, dann durch Familengericht und OLG bestätigt: Umgangsauschluss auf 2 Jahre. Das Bundesverfasungsgericht nimmt die Beschwerde nicht zur Entscheidung an (Juli 2004).
Der Gerichtshof äußert sich leider nicht zum "Wundermittel" Umgangsauschluss, betont aber wieder sehr deutlich, wie wichtig rasches Handeln gerade in Umgangsverfahren ist, weil sonst die Aussichten auf eine Wiederanäherung erheblich verringert und schließlich ganz zerstört würden. Ein langes Verfahren nehme so praktisch die Entscheidung schon voraus. Der Gerichtshof erkennt auf eine Verletzung  des Artikel 6 §1 (überlange Verfahrensdauer), ohne dann auf die damit im Zusammenhang stehende Beschwerde nach Artilel 8 einzugehen, und spricht eine Entschädigung aus.


4.12.2008:  CASE OF ADAM v. GERMANY (Application no. 44036/02) Urteil vom 4.12.2008. Vater und väterliche Großeltern, die das Kind in den ersten 3 Jahren überwiegend betreut hatten, beantragten nach der Trennung der
Eltern jeweils Umgang. Das Verfahren des Vaters dauerte 4 Jahre 3 Monate, das der Großeltern 6 Jahre 9 Monate. Deshalb erfolgte eine Verurteilung wegen überlanger Verfahrensdauer in beiden Verfahren, gem. Art. 6 I EMRK.
Im recht komplizierten Fall GLESMANN v. GERMANY (Application no. 25706/03) zu Fremdunterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie  wurde die Beschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer zwar zugelassen aber dann mit 4:3 Mehrheit abgelehnt. Urteil vom 10.1.2008, rechtskräftig 7.7.2008. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, und das ohne Begründung, wie der EGMR hervorhebt.
Auch im Verfahren AFFAIRE SKUGOR c. ALLEMAGNE (Requête no 76680/01) hatte der Gerichtshof in seinem Urteil 10.5.2007 (rechtkräftig 24.9.2007) die Wichtigkeit eines beschleunigten Verfahrens zum Umgang betont und eine Verletzung des Art. 6 I  festgestellt.
 Die EGMR Entscheidung im Sürmeli gegen Deutschland (Application no. 75529/01) vom 8.6.2006, wonach ein effektiver Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer zu schaffen ist, wurde von Deutschland bisher allerdings noch nicht umgesetzt.
 
10.6.2008: Weitere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betreffend Deutschland.
Wir haben schon bei unserer Aktualisierung vom 30.5.2008 auf einen Fall [AFFAIRE LÜCK c. ALLEMAGNE (Requête no 58364/00) vom 15.5.2008.] hingewiesen, bei dem nach Anerkennung einer Verletzung der Menschenrechtskonvention und dem Angebot eines Schadenersatzes durch die Bundesregierung das Verfahren aus der Liste der Verfahren vor dem Gerichtshof gestrichen wurde. Dieses Muster hat jetzt offenbar System, wobei anders als in diesem Falle einer einseitigen Erklärung und Streichung nach Artikel 37 §1 der Menschenrechtskonvention, selbstverständlich auch eine gütliche Einigung nach Artikel 39 die Grundlage für diese Streichung  bieten kann. Eine solche Streichung reduziert die hohe Überlastung dieses Gerichtshofes etwas, hat jedoch auch den unübersehbaren Effekt, dass die Klage dann im Vergleich zu einer Verurteilung praktisch keinerlei Beachtung findet, ja sogar um einiges schwerer selbst mit einer gezielten Suche aufzufinden ist. Die Öffentlichkeit erfährt dann leider auch nicht, worin und mit welcher Begründung das erlesene internationale Richtergremium des EGMR eine Verletzung der Menschenrechte gesehen hätte, oder auch nicht, was natürlich ganz besonders für zukünftige Beschwerdeführer für Präzedenzfälle von größtem Interesse wäre. Rein menschlich gesehen haben wir selbstverständlich uneingeschränktes Verständnis für Kläger, die nicht selten nach einem sogar einen Jahrzehnt langen, sehr ermüdenden und kostspieligen Kampf endlich ein Ende sehen wollen, besonders dann, wenn davon der Umgang mit einem Kind betroffen war, bei dem die verlorene gemeinsame Zeit ohnehin nie mehr nachgeholt werden kann, und deshalb ein solches Angebot annehmen, selbst dann, wenn es mit keinerlei Eingeständnis einer Menschenrechtsverletzung verbunden ist.

   Ein solcher besonders extremer und tragischer Fall (aber keineswegs der einzige dieser Art, vgl. unsere Urteilssammlung) einer beharrlichen Umgangsvereitelung über mehr als ein Jahrzehnt und dem kompletten Versagen der deutschen Institutionen das Umgangsrecht des stets ausdrücklich als uneingeschränkt erziehungsfähig erklärten (amerikanischen)Vaters und der beiden Kinder (Zwillinge) durchzusetzen, ist der Fall Glenn GEBHARD against Germany (Application no. 13415/06 ), den viele unserer Leser sicher bereits aus den zahlreichen Entscheidungen deutscher Gerichte (1995-2007!!, größtenteils auch auf unseren Webseiten, obwohl z. T. noch anonymisiert), die diese Umgangsvereitelung zwar teilweise sogar in klassisch deutlicher Weise beschreiben, aber leider nicht zu unterbinden vermögen, kennen, manche sicher auch aus persönlichen Kontakten. Die Bundesregierung erklärte sich am 1.4. 2008 ex gratia (freiwillig) zu einer steuerfreien Zahlung von 25,000€ im Sinne einer gütlichen Einigung bereit, ohne jedes explizites Eingeständnis einer Menschenrechtsverletzung. Dieses Angebot wurde angenommen und damit der Fall aus der Liste des EGMR gestrichen. Eine sehr kurze Darstellung des Sachverhaltes (ohne jede sonst übliche Bewertung durch den EGMR) mit einer Liste der einzelnen nationalen Verfahren findet sich in der Entscheidung vom 13.5.2008 zur Streichung von der Liste.
Nicht mehr aufgeführt in dieser langen Liste ist die Entscheidung des AG Frankfurt / Main (Abt. Höchst) vom 4. 4.2007- 402 F 22260/06 SO mit der die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater durch das OLG Frankfurt (Beschluss vom 11.5.2005) aufgehoben wird und die alleinige elterliche Sorge für die nun fast 15 Jahre alten Zwillinge wieder der Mutter übertragen wird, nicht etwa, weil sich an der Einschätzung bzgl.  Erziehungsfähigkeit etwas geändert hätte, sondern ,,damit zunächst einmal Ruhe einkehrt, und der Ast. sich an seine Ankündigung hält, seinen Kindern nur zu schreiben". Außerdem könne der Wille der Jugendlichen nicht mehr länger unbeachtet bleiben, hieß es da, obwohl ebenso unbestritten blieb, dass sie bereits über mehr als ein Jahrzehnt von der Mutter massivst gegen den Vater beeinflusst worden waren. Die sehr lange Urteilsbegründung des AG liest sich zumindest für uns eher wie eine komplette Bankrotterklärung. Vgl. ,,Abänderungen gerichtlicher Anordnungen (Fall ,,Gebhard"). §§ 1686, 1696 Abs.1 und 2 BGB."  Mit Anmerkungen ,,Zurück zum Anfang" von PD Dr. Jörg Reichert, Berlin Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, ZKJ 12, Seite  498, 2007.
 
  Gleichermaßen wurde im Falle Małgorzata KWIATKOWSKA  against  Germany  (Application no. 16937/05) verfahren: Beschwerde wegen überlanger Verfahrendauer zu Unterhaltszahlung, Angebot von  8000 € ex gratia angenommen (EGMR Beschluss vom 13.5.2008).
Ebenso Werner POKORNY against Germany (Application no. 74664/01) ex gratia 8,000 € in einer Versicherungsangelegenheit, angenommen. Streichung von der Liste mit Entscheidung vom 1.4.2008
Ebenso Gotthard KLOSE and others against Germany (Applications nos. 12923/03, 19283/03, 24647/03, 29022/03, 29032/03, 39081/03, 24918/04, 26164/04, 7839/05, 19341/05, 33316/05 and 16219/06 ) Beschewerde wegen zu langer Verfahrendauer in einer  Rentensache.  Angebot  ex gratia von 6,000€ angenommen. Streichung von der Liste des EGMR mit Entscheidung vom 18.3.2008

Im Falle Peer GENTH against Germany (Application no. 34909/04) wurde eine überlange Dauer eines Verfahrens bzgl. Immobilien eingeräumt und ein Schadensersatz von 3,100€ gegen Streichung von der Liste des EGMR angeboten. Der Streichung wurde am 13.5. nach Artikel 37 §1 entsprochen, obwohl der Kläger einen ungleich höheren Schaden geltend machte und daher das einseitige Angebot der Bundesregierung abgelehnt hatte.

Gleichermaßen im Fall Uwe ORLOWSKI against Germany ( Application no. 35000/05), bei dem die überlange Dauer eines Verfahrens wegen Waisenrente eingeräumt, das Angebot von 10,000€ aber nicht angenommen wurde. Streichung von der Liste des EGMR am 1.4.2008.

30.5. 2008: Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Bezug auf Deutschland.
In den letzten Monaten sind  einige Entscheidungen zu Artikel 8 (Recht auf Achtung des Familienlebens), Artikel 6 §1 (angemessene Verfahrensdauer), teilweise verbunden mit  Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) gefallen, auf die wir hier kurz aufmerksam machen möchten:

   1. Zaunegger against Germany (Application no. 22028/04 ) zum Nichtehelichenrecht: Mit einstimmigen Beschluss vom 1. April 2008 wurde die Beschwerde nach Artikel 8 und Artikel 14 (Diskriminierung auf Grund des Geschlechts) gegen die Sorgerechtsregelung §1626a Abs. 2, die nichtehelichen Müttern ein absolutes Vetorecht gegen ein gemeinsames Sorgerecht gewährt, zur Entscheidung angenommen. Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung BVerfG, 1 BvL 20/99 vom 29.1.2003, Absatz-Nr. (1 - 96) zu §1626a eingeräumte Übergangsbestimmung war in diesem Fall nicht anwendar, da die Trennung etwa einen Monat nach Inkrafttreten der Reform von 1998 erfolgte, die eine gemeinsame Sorgerklärung erstmals ermöglichte. Das 1995 geborene Kind lebte bis 2001, also sogar auch nach der Trennung, mit dem Vater.
 
  2. AFFAIRE LÜCK c. ALLEMAGNE (Requête no 58364/00) vom 15.5.2008. Presseerklärung auch in Englisch. Der Beschwerdeführer ist der leibliche Vater eines 1989 in eine bestehende Ehe geborenen  Kindes. Von 1993 an wurde ihm der Umgang von der Mutter des Kindes sowie deren Ehemann und rechtlichen Vater des Kindes untersagt. In seiner Entscheidung 1 BvR 1493/96 vom 9.4.2003, Absatz-Nr. (1 - 126)  erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass es gegen Art. 6 Abs. 1 GG vertoße den so mit seinem Kind durch eine sozial-familiäre Beziehung verbundenen biologischen, aber nicht rechtlichen Vater auch dann vom Umgang mit dem Kind auszuschließen, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient und hob frühere Entscheidungen auf. Die geforderte Abänderung des §1685 BGB trat am 30.4.2004 in Kraft. Das Kind war jedoch zu  diesem Zeitpunkt über 14 und lehnte einen Umgang ab, worauf der Vater auf die Fortsetzung des Verfahrens verzichtete. Er hielt jedoch an seiner Beschwerde beim EGMR nach Art. 8, 6, 14  aus 2000 fest. Eine vorgeschlagene und von der Bundesregierung akzeptierte gütliche Einigung lehnte er am 26.7.2007 ab. Am 7.11.2007 erklärte die Bundesregierung unilateral, dass Artikel 6 §1 durch zu lange Verfahrensdauer verletzt worden sei und verwies bezüglich Art. 8 auf die Erklärungen des Bundesverfassungsgerichts. Sie erklärte sich zu einer Schadenersatzzahlung von 10.800€ bereit, wenn im Gegenzug das Verfahren beim EGMR eingestellt würde. Dem wurde vom EGMR entsprochen, mit der Erklärung, dass durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Beschwerde abgeholfen wurde, bis auf eine insgesamt zu lange Verfahrensdauer (die den Beschwerdeführer effektiv an der Fortsetzung des Umgangsverfahrens hinderte). Insbesondere sei die Verletzung des Artikels 8 zwar durch das BVerfG nicht explizit festgestellt worden, gehe aber klar aus der Formulierung des Urteils hervor. [ VfK Anmerkung: Die Europäische Menschenrechtskonvention ist in Deutschland nur einfaches Bundesgesetz, im Gegensatz etwa zu Österreich, wo sie unmittelbar Verfassungsrang besitzt.]
      Entsprechend diesem Sachverhalt, Streichung des Verfahrens beim EGMR nach einseitiger Erklärung der Bundesregierung zur Schadensersatzleistung, sind Berichte in den Medien und im Internet, die von einer Verurteilung Deutschlands durch den EGMR zu Schadensersatzzahlung sprechen so nicht korrekt, obwohl man natürlich darüber spekulieren könnte, wie wahrscheinlich eine Verurteilung ohne das einseitige Angebot der Bundesregierung gewesen wäre.
  
3. Es gab eine Reihe weiterer Beschwerden aus Deutschland, die aber nicht zugelassen wurden, allerdings anders als meist bei Beschwerden am Bundesverfassungsgericht, jeweils mit einer ausführlichen Begründung. Darunter ist der Fall Cornelia HAASE and Others against Germany, Application no. 34499/04 (12.2.2008), vgl dazu auch HAASE v. GERMANY, Application no. 11057/02, Urteil vom 8.4.2004. Ferrner Friedrich SCHUMACHER against Germany, Application no. 14029/05 wegen fehlendem Umgang (einschließlich Aussetzung des Umgangs) seit 1994 (26.2.2008).  Im Fall Ingo Hub against Germany, Application no. 1182/05, in dem es seit 1998 ebenfalls um die Durchsetzung eines Umgangsrechts ging (das Kind wird im Juli 2008 volljährig) wurde die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde wegen zu langer Verfahrensdauer vertagt, der Rest nicht zugelassen (22.4.2008). Auch im Fall Wildgruber against Germany,  Applications no. 42402/05 and no. 42423/05 wurde die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde wegen zu langer Verfahrensdauer vertagt, der Rest abgewiesen. (29.1.2008). Im Fall GLESMANN v. GERMANY Application no. 25706/03, bei dem es um Umgang, Rückführung eines Kindes aus einer Pflegefamilie und zu lange Verfahrensdauer geht, soll ein Antrag auf  Entscheidung durch die Große Kammer gestellt werden.
 
   4. Details dieser Fälle können der Datenbank des EGMR entnommen werden.
  
10.01.2008 CASE OF GLESMANN v. GERMANY (Application no. 25706/03) Urteil vom 10.01.2008. Die Beschwerdeführerin wollte für sich ein Besuchrecht für das in Pflege gegebene Kind ( ehelich geb. Sept. 1990)  und auch das alleinige Sorgerecht (Feb. 1997). Das OLG befand aber schließlich (Jan. 2004), dass der Vater mit den Pflegeeltern und dem Jugendamt kooperiere und ihm das alleinige Sorgerecht zuzusprechen sei. Das Kind habe sich von der Mutter entfremdet und wollte in der Pflegefamilie verbeiben, gleichwohl sollte die Mutter ein Besuchsrecht einmal im Monat erhalten. Der Gerichtshof erkannte auf keine Verletzung der Art. 6 (mit 3 Gegenstimmen) und keine von Art. 8 (einstimmig).

12.7.2007: Neue Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betreffend Deutschland und Familienrecht (Artikel 6, 8):
a.  Nanning v. Germany (no. 39741/02), 12.7.2007: Verletzung der Artikel 8 und 6 §1 (Verfahrensdauer)
     Presseerklärung vom 12.7.2007, Urteil in Englisch.  
Die Beschwerdeführerin schloss sich in 1987 mit ihrer damals 4 jährigen Tochter einem Ehepaar mit 4 eigenen Kindern an. Das Kind verblieb dort als die Beziehung zwischen den Erwachsenen in 1991 zerbrach. In der Folge wurden Kontakte zwischen der leiblichen Mutter und dem Kind verhindert, das schließlich Kontakte mit ihr vehement ablehnte. Anträge der leiblichen Mutter seit 1991 auf Herausgabe des Kindes und dann auf Umgang wurden von den Gerichten abgelehnt. In 2002 erfolgte die Adoption durch die Pflegeeltern.
Der Gerichtshof sah neben der Verletzung des Artikels 6 durch die lange Verfahrensdauer, bis knapp vor der Volljährigkeit des Kindes, eine Verletzung des Art. 8, wegen der Verweigerung des Umgangsrechtes.  Vgl . dazu auch:  ,,Menschenrechtsgericht verurteilt Deutschland in Familienstreit. Mutter kämpfte vergeblich um Besuchsrecht bei Tochter." (AFP, 12.7.2007)

Interessant auch:
b. CASE OF BECKER v. GERMANY  (Application no. 8722/02), 14.12.2006, betreffend Kindesunterhalt und Betreuungsunterhalt angesichts eines Ehevertrages:
Auf Vorschlag des Gerichtshofes gütliche Einigung und Einstellung des Verfahrens in Straßburg, nachdem die Bundesregierung eine Kompensationszahlung von 9500€ angeboten hatte.

c.   CASE OF SIEBERT v. GERMANY (Application no. 59008/00), 23.3.2006:  Ablehnung der Anträge des nichtehelichen Vaters auf Sorgerecht und dann Umgang mit seinem bei Pflegeeltern untergebrachten, schwer behinderten Kind (Die Mutter verstarb nach der Geburt.):
Ebenfalls gütliche Einigung und Einstellung des Verfahrens, nach einem Zahlungsangebot von 9000€ durch die Bundesregierung.

23.6.2007: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat wieder Urteile wegen Verletzung des Art. 8 der Konvention erlassen, weil Umgangsregelungen nicht mit allen gebotenen Mitteln und der nötigen Dringlichkeit durchgesetzt wurden und dadurch irreparable Folgen für die Beziehung zwischen dem Kind und dem Nichtwohnelternteil entstehen können. Der EGMR hat dazu eine sehr klare Haltung bezogen. Ob dabei die bekannten Verhaltenmuster in psychologischen Gutachten und dann von den Gerichten mit dem Begriff Parental Alienation Syndrome (syndrome d'aliénation parentale) zusammengefasst werden oder nicht, spielt dabei letztlich wenig Rolle, wenn diese Verhaltensmuster, einschließlich der Langzeitfolgen deutlich genug dargestellt werden. Der Gerichtshof scheut sich aber nicht, explizit auf das Parental Alienation Syndrome Bezug zu nehmen, trotz der (oft sinnlosen) Kontroversen, die diesen Begriff noch immer umgeben: 

a.  AFFAIRE ZAVŘEL c. RÉPUBLIQUE TCHÈQUE (Requête no 14044/05) Urteil (in Französisch) rechtskräftig 18.4.2007, Presseerklärung 19.1.2007 (auch in Englisch). Darin besonders interessant die wiederholten, explizitenHinweise in den psychologischen Gutachten und nationalen Gerichtsbeschlüssen auf das "Parental Alienation Syndrome (PAS)" (syndrome d'aliénation parentale), verursacht durch die Mutter und ihrem neuen Ehemann in dem bei der Trennung 6 jährigem Kind (geb.1995), bei bestätigter bester Erziehungsfähigkeit des Vaters. Darauf nimmt dann auch der Gerichtshof Bezug, ähnlich, wenn auch nicht ganz so ausführlich wie schon im Urteil Koudelka g. Tschechien vom 20.7.2006 (vgl. unsere damalige Teilübersetzung aus dem Französischen und die Gegenüberstellung von Urteil und psychologischen PAS Kriterien.),weil auf frühere Entscheidungen, u.a. auch gegen Tschechien, Bezug genommen wird. Der Gerichtshof stellt fest (Absatz 52) , dass es für das Kind nicht schwierig gewesen wäre, sich wieder an den Umgang mit seinem Vater zu gewöhnen, wenn zum Zeitpunkt, als laut psychologischen Gutachten die PAS Symptome noch nicht so ausgeprägt waren, adequate Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Nichtausübbarkeit des Besuchsrechts ist daher der de facto Toleranz des konstanten Widerstands der Mutter durch die Gerichte und dem Fehlen adequater Maßnahmen zur Wiederherstellung der Kontakte zuzuschreiben (Abs. 53).

b. CASE OF PAWLIK v. POLAND (Application no. 11638/02) Urteil (in Englisch) und Presseerklärunng vom 19.6.2007

c. In einem weiteren, ähnlichen Fall (die Verhaltensmuster bei Umgangsvereitelung / Entfremdung sind ja fast immer mehr oder weniger die selben),  Plasse-Bauer gegen Frankreich(no. 21324/02), über den wir schon  früher berichtet hatten, der Verurteilung (28.2.2006, rechtskräftig 28/05/2006) durch den EGMR, Verletzung des Art. 6 durch nicht ausreichendes Sorgetragen der Behörden / Gerichte, dass ein begleiteter Umgang auch tatsächlich stattfinden konnte, erging nach Berichten in verschiedenen französischen Zeitungen jetzt auch ein Strafurteil gegen den Vater des Kindes wegen Nichtbereithalten des Kindes für den Umgang. Das ist in Frankreich, anders als "natürlich" in Deutschland (vgl. deutsche Entscheidungen zum Umgangsrecht), ein Delikt (délit de non représentation d'enfant), strafbar nach Artikel 227-5 des neuen Strafgesetzbuchs (früher nach Art. 357 von 1901),  mit Gefängnis bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe bis 15000€. Im vorliegenden Fall wurde der Vater zu einer vom Berufungsgericht erhöhten Schadensersatzleistung an die umgangsberechtigte Mutter von 3000€ + 1500€ Prozesskosten verurteilt (zusätzlich zu der Zahlung von 3000€ + 4000€ Prozesskosten durch den französischen Staat, gemäß dem EGMR Urteil). Auf Seiten der Mutter wurde und wird wesentlich mit PAS argumentiert. Die 4 Kinder sind inzwischen volljährig.

Das französische Strafgesetzbuch (Code Pénal, auch in Englisch und Spanisch) enthält übrigens einen ganzen Abschnitt, der Beeinträchtigungen der Ausübung der elterlichen Sorge und des Umgangs unter Strafe stellt: Livre II, Chapitre VII, Section 3 Des atteintes à l'exercice de l'autorité parentale, Art. 227-5  - Art. 227-11.  So wird  z. B. nach  Art. 227-6  der Wohnelternteil mit 6 Mon. Gefängnis oder 7500 € bestraft, wenn ein Umzug mit dem Kind dem Umgangsberechtigten nicht innerhalb eines Monats mitgeteilt wird. Wir werden über die Anwendung dieser Gesetze  in Kürze mehr berichten. (Eine, allerdings nicht mehr ganz aktuelle französisch-deutsche Fassung des Code Pénal findet sich hier.)VfK Logo (ges. geschützt)

Zu weiteren Urteilen mit Bezug auf das Parental Alienation Syndrome vgl. unsere Zusammenstellung.


22.9.2006: Urteil des EGMR zu einer Inobhutnahme durch das Jugendamt -in Österreich:  CASE OF MOSER v. AUSTRIA (Application no. 12643/02) vom 21.9.2006: Verletzung des Art. 8, weil nicht ausreichend nach einer Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von neugeborenem Kind und Mutter (aus Serbien, zum Zeitpunkt ohne gültiges Aufenthaltsrecht) gesucht wurde. Verletzung des Artikels 14 [Verbot der Benachteiligung], weil der Mutter nicht ausreichend Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu Berichten des Jugendamtes (Amt für Jugend und Familie) und der Jugendgerichtshilfe gegeben wurde. Interessant im Vergleich mit den 3 EGMR Urteilen gegen Deutschland in Pflegefällen (Haase, Görgülü, Kutzner). 

23.7.2006: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat in den letzten Tagen in mehreren Fällen zur Verletzung der Artikel 8 und 6 der Konvention durch Nichtdurchsetzung eines Umgangsrechtes entschieden. Obwohl sich die Urteile nicht gegen Deutschland richten, sind sie von hohem prinzipiellen Interesse, weil uns die Verhaltensweisen auch hier sattsam bekannt sind, ja sogar oft weit geringere Anstrengungen unternommen werden, Gerichtsentscheidungen auch zeitnah durchzusetzen. Es handelt sich um die Fälle:

1. Koudelka v. Czech Republic (no. 1633/05) Violation of Article 8, Urteil vom 20.7.2006 (In Französisch), Presseerklärung auch in Englisch.  Dieser Fall einer hartnäckigen Umgangsvereitelung mag besonders interessant sein, weil sich der Gerichtshof wohl zum ersten Mal explizit auf eine psychologische Expertise stützt,  wonach die sorgeberechtigte Mutter im Kinde ein Parental Alienation Syndrome  verursacht hat.  

Der Gerichthof selbst spricht  in seiner Urteilsbegründung  im Zusammenhang mit der Verweigerungshaltung auch des Kindes dann noch von einer Programmierung durch die Mutter.  Das hätte  prompte Therapie erfordert, statt  durch Zeitablauf und nicht ausreichende gerichtliche Maßnahmen (Anordnung eines begleiteten Umgangs, Einsetzung eines Verfahrenspflegers für das Kind, gerichtliche Verwarnung, 2 geringfügige Zwangsgelder, Verurteilung auf Bewährung zu 3 Monaten Gefängnis wegen Missachtung eines Gerichtsbeschlusses) einen ,,point of no return" zuzulassen. (Die Tochter ist jetzt 16. Der Antrag auf eine Umgangsregelung war erstmals 1993 gestellt worden.) 

Angesichts des wahrscheinlich erheblichen Interesses besonders am "PAS-Urteil" des EGMR im Fall Koudelka g. Tschechien haben wir uns bemüht raschestmöglich eine Teilübersetzung der wesentlichen Tatsachen und Entscheidungsgründe zu erstellen und geben sie schon als vorläufige Übersetzung frei, behalten uns aber noch Verfeinerungen und Erweiterungen vor.

Wir haben noch einmal eine Zusammenstellung der wesentlichen Punkte aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Falle Koudelka gegen Tschechien gemacht, die unserer Meinung nach eine juristische Anerkennung des PAS Phenomens durch dieses hohe, übernationale Gericht bedeuten. Noch wesentlicher als die explizite Verwendung des PAS Begriffes scheint uns dabei vor allem, dass die Kriterien, die etwa in der Formulierung von
Warshak (2005) das PAS Phänomen ausmachen, tragend in die Urteilsbegründung eingeflossen sind, einschließlich des Einflusses des einen Elternteiles auf die Ablehnung des anderen Elternteils durch das Kind.   

     2. Presseerklärung vom 18.7.2006 zu Fiala v. the Czech Republic (application no. 26141/03), Pedovič v. the Czech Republic (application no. 27145/03) and Reslová v. the Czech Republic (application no. 7550/04), alle wegen Nichtdurchsetzung eines Umgangsrechtes. In allen drei Fällen erkannte der Gerichtshof wegen übermässiger Verfahrensdauer (5, 10, 3 Jahre) auf eine Verletzung des Artikels 6 §1, in den Fällen Fiala und Reslova auch auf eine Verletzung des Artikels 8 (Recht auf Respektierung des Familienlebens). Urteile nur in Französisch.

      3.  Lafargue v. Romania (application no. 37284/02). Presseerklärung und Urteil vom 13.7. 2006. Verletzung des Artikels 8, weil die rumänischen Behörden nicht genügend Anstrengungen unternommen haben das Umgangs- und Beherbergungssrecht ( Dezember 1999) des französischen Vaters durchzusetzen, auch nicht mit Hifle eines Gerichtsvollziehers und Verhängung einer geringfügigen Verwaltungsstrafe. Auf Veranlassung der französichen  Zentrale Behörde  wurde  ein Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsabkommen (entsprechend wohl Art. 21 HKÜ) zum Umgang eingeleitet (2005).  Aber erst seit die Anhängigkeit des Verfahren in Straßburg den rumänischen Behörden 2005 mitgeteilt wurde, kam es zu einigen Umgangskontakten unter Mithilfe eines Psychologen.  Urteil in Französisch.
Vgl. auch das Urteil im Fall Plasse-Bauer gegen Frankreich (no. 21324/02)  vom 28.2.2006 wegen Verletzung des Art. 6 durch Nichtsorgetragen, dass ein begleiteter Umgang auch stattfinden kann.


 8.6.2006  Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes [EGMR] im Fall Sürmeli gegen Deutschland (Application no. 75529/01) wegen Verletzung der Artikel 6 § 1  [Recht auf ein faires Verfahren] und Artikel 13 [Recht auf wirksame Beschwerde] der Konvention.
    Deutsche Fassung im Newsletter Menschenrechte 2006/3 des Österreichischen Instituts für Menschenrechte:
Sürmeli gg. Deutschland: Rechtsbehelfe gegen überlange Verfahrensdauer (aplication no. 75529/01). Urteil vom 8.6.2006.

Dieses Urteil der Großen Kammer betrifft die Frage, ob im deutschen Recht ein wirksamer Rechtsbehelf gegen die überlange Dauer eines Zivilverfahrens zur Verfügung steht. Der Beschwerdeführer wandte sich an den EGMR, nachdem ein Schadenersatzprozess nach einem Verkehrsunfall nach über 15 Jahren noch immer anhängig war. Neben einer Verletzung seines Rechts auf angemessene Verfahrensdauer machte er auch geltend, es sei ihm entgegen Art. 13 EMRK kein wirksamer Rechtsbehelf zur Beschleunigung des Verfahrens zur Verfügung gestanden. Der EGMR prüfte daher, ob Verfassungsbeschwerden, Dienstaufsichtsbeschwerden, Untätigkeitsbeschwerden und Schadenersatzklagen als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des Art. 13 EMRK angesehen werden könnten. Da der EGMR dies verneinte, ist Deutschland aufgerufen, einen neuen Rechtsbehelf gegen überlange Verfahrensdauer einzuführen.

Kurzzusammenfassung des deutschen Bundesministeriums der Justiz: 

In dem Individualbeschwerdeverfahren Sürmeli gegen Deutschland (Nr. 75529/01) hat die Große Kammer des EGMR festgestellt, dass die gegenwärtig nach dem deutschen Verfahrensrecht vorhandenen Möglichkeiten, eine überlange Verfahrensdauer zu rügen, keinen hinreichenden Rechtsbehelf im Sinne der EMRK darstellen. Zugleich hat er den Entwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Einführung einer Untätigkeitsbeschwerde ausdrücklich begrüßt ( Urteil als pdf Datei, 44 Seiten, Englisch).
 
Vgl. dazu insbesondere die Abschnitte 136-139 zu Art. 46 [Verbindlichkeit und Durchführung der Urteile] im Originaltext. Danach war der Gesetzesentwurf kurz vor den Wahlen im September 2005 "auf Eis gelegt" worden.
 
Dem
Fundstellenverzeichnis der Urteile und Entscheidungen des EGMR in deutscher Sprache kann dazu noch entnommen werden, dass eine Veröffentlichung zur EGMR Entscheidung im Fall Sürmeli auch in NJW 2006, 2389  erschienen ist.
Außerdem erschien eine kurze Zusammenfassung, mit dem Hinweis auch in kindschaftsrechtlichen Verfahren, in ZKJ 2006(9), S. 390.  
 
 Das Bundesverfassungsgericht hatte im Fall Sürmeli zwei Beschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.  Entscheidungen des BVerfG zu überlanger Verfahrensdauer ergingen aber im  Urteil vom 20. 7. 2000 - 1 BvR 352/ 00 (betr. Schadensersatz) und am 06.05.97 in 1 BvR 711/96, einem Fall in dem nach 7 (!!) Jahren noch keine Entscheidung über einen Umgangsantrag ergangen war, vgl. dazu unsere damalige Berichterstattung. Das BVerfG stellte fest, dass  sich aus  Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG unbestritten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ableiten läßt (dazu zähle auch das Umgangsrecht), seine Maßnahme beschränkte sich aber in beiden Fällen auf:
 Da eine Entscheidung im Ausgangsverfahren noch nicht ergangen ist, muß sich das Bundesverfassungsgericht auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit gemäß § 95 Abs. 1 BVerfGG beschränken. Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - ist nunmehr gehalten, unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um dem Verfahren Fortgang zu geben und auf dessen raschen Abschluß hinzuwirken (bzw. im ersten Fall an das OLG gerichtet). Man kann nur hoffen, dass sich mit dem im FAmFG vorgesehenen Beschleunigungsgebot [§ 165] und der Fristsetzung bei Begutachtung [§ 171] einiges verbessert. 
     
   Der Fall Sürmeli ist allerdings nicht die erste Verurteilung Deutschlands nach Artikel 6, wegen zu langer Verfahrensdauer. In den Fällen  KLEIN gegen DEUTSCHLAND (Individualbeschwerde Nr. 33379/96) am 27.7.2000,  sowie am 1.7.1997 in Pammel  (48/1996/667/853) und in  Probstmeier (125/1996/744/943) sah der Gerichtshof ausgerechnet das BVerfG als den Hauptverursacher der unzulässig langen Verfahrensdauer. Ferner am  26.12.2002 in BECKER c. ALLEMAGNE (Requête n° 45448/99), am  6.2.2003 in  Hesse-Anger c. Allemagne (no 45835/99) und am 8.1.2004 in Voggenreiter c. Allemagne (no 47169/99) mit einer Verfahrensdauer von 7 Jahren vor dem BVerfG. Im Urteil vom 27.5. 2003, NIEDERBÖSTER v. GERMANY, no. 39547/98, bei dem es um das Umgangsrecht eines 1915 geborenen nichtehelichen Vaters ging, wurde zwar eingeräumt, dass die Möglichkeiten des BVerfG wegen der damals gerade anstehenden Kindschaftsrechtsreform (1.7.1998) etwas eingeschränkt waren, es hätte aber vorläufige Anordnungen treffen können.
   Eine sehr aktuelle und interessante Zusammenstellung einer Reihe von Urteilen des EGMR zu Art. 6 (einschließlich Sürmeli g. Deutschland) und einiger inner-italienischer Urteile findet sich in einen Bericht (pdf Datei, 176 Seiten) über ein Seminar "IL GIUSTO PROCESSO NELLA PROSPETTIVA DELLA CONVENZIONE EUROPEA DEI DIRITTI DELL’UOMO", Crotone, 11-15 settembre 2006, (Urteile in Originalsprache, Englisch, Französisch, bzw. Italienisch).
   Auf Urteile des EGMR wegen zu langer Verfahrensdauer (Art. 6) in Kindschaftssachen haben wir bereits mehrmals hingewiesen, z. B.  auf die 3 Urteile vom 18.7.2006 g. Tschechien. Bei einer Reihe weiterer Verfahren mit Beschwerden über zu lange Verfahrensdauer stellte der EGMR fest, dass es mit einer Verurteilung nach Art. 8 [Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens] nicht noch der Festellungen nach Art. 6 bedürfe. 

09.05.2006: Urteil des  Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Falle 

C. v. Finland (application no 18249/02)   Violation of Article 8  vom 9.5.2006

Presseerklärung, Urteil in Englisch.
Die Kinder lebten nach der Trennung der Eltern mit der Mutter und deren Lebenspartnerin in Finnland, der Vater in der Schweiz. Nach dem Tod der Mutter begehrten sowohl der leibliche Vater als auch die Lebenspartnerin das Sorgerecht und der Umgang kam zum Erliegen. Die beiden Kinder sprachen sich für den Verbleib in Finnland und schließlich auch gegen weitere Kontakte mit dem Vater aus. Abgesehen vom Grade der möglichen Beeinflussung des Kindeswillens durch die Mutter und dann durch die Lebenspartnerin war also von den Gerichten der Kindeswille gegenüber den wahren Interessen der Kinder (Kindeswohl) abzuwägen. 
Der Europäische Gerichtshof fand Artikel 8 
- Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - verletzt, weil das finnische oberste Gericht
1. in seiner Entscheidung die Urteile der untergeordneten Gerichte, die dem in der Schweiz  lebenden leiblichen Vater das Sorgerecht zugesprochen hatten, aufzuheben und das Sorgerecht auf  die Lebenspartnerin zu übertragen exklusiv auf den ostensiblen Willen der Kinder (damals 12 und 14) abhob, ohne andere Gesichtspunkte und die Rechte des Vaters ausreichend zu berücksichtigen, den Kindern also faktisch ein absolutes Vetorecht eingeräumte.
2. auf eine neuerliche Anhörung verzichtet hatte. Das sei ein wesentlicher und integraler Bestandteil der Erkenntnis auf Verletzung des  Artikels 8, ohne aber neue Fragen unter Art. 6 §1 (Recht auf ein faires Verfahren) aufzuwerfen.   

28.2.2006 Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen Frankreich das Umgangsrecht betreffend:
Wenn einem Elternteil ein Recht auf begleiteten Umgang eingeräumt wird und dafür vom Gericht die ausführende Stelle und sonstigen Modalitäten festgelegt werden, dann hat der Staat auch dafür zu sorgen, dass der Umgang in der vorgesehenen Weise auch wahrgenommen werden kann. Sonst ist Artikel 6 (Recht auf einen fairen Prozess) verletzt.
So kann die Kernaussage des Gerichtshofes im Falle Plasse-Bauer v. France(no. 21324/02) zusammengefasst werden. Das vollständige Urteil liegt in französischer Sprache vor, eine kurze Pressemitteilung auch in Englisch.

Ein begleiteter Umgang war nie zustande gekommen, lediglich ein einziges Zusammentreffen  in dem die Tochter (damals 11 Jahre alt, heute fast 20) jedes Gespräch mit der Mutter verweigerte. Zu den meisten weiteren Terminen (erster und dritter Samstag im Monat, 14-17h) erschien zwar die Mutter, nicht aber die Tochter. Die Mutter hatte deswegen zahlreiche Eingaben beim Familiengericht gemacht und auch eine Strafanzeige gegen den Vater gestellt. (In Frankreich kann das Nichteinhalten einer Umgangsvereinbarung nach Article 227-5 des Strafgesetzbuches, code pénal,  verfolgt werden, mit bis zu 1 Jahr Gefängnis und 100 000 F Geldstrafe.) Weil die Kontaktstelle (point rencontre) sich außerstande gesehen hatte den Umgang in der vorgesehenen Weise zu begleiten, wurde nicht nur der Vater freigesprochen, sondern deshalb, aber auch unter Hinweis auf die äußerst konfliktreiche Situation mit der Tochter und ein psychiatrisches Gutachten, das der Mutter erhebliche psychologische Probleme bescheinigte, schließlich der Umgang vom Gericht ganz ausgesetzt, eine Methode das Problem zu "lösen", die uns auch aus Deutschland leider sattsam bekannt ist (,,Kind muss zur Ruhe kommen"). Nach Meinung des Straßburger Gerichtshofes ist dadurch die Frage offen geblieben, ob es der Mutter nicht doch gelungen wäre, ihre Beziehung zur Tochter wieder aufzubauen, wenn der begleitete Umgang wie ursprünglich vorgesehen stattgefunden hätte. Angesichts des damaligen Alters der Tochter und der schwierigen Familienverhältnisse sei es auch möglich, dass die zeitlichen Verzögerungen die Chancen für einen Wiederaufbau der Tochter-Mutter-Beziehung negativ beeinflussten. (Weitere Details zum Fall im Urteil).  

20.8.2005: Zum Thema Umgang auch wieder ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: AFFAIRE BOVE c. ITALIE,  Requête no 30595/02 vom 30.6.2005 (Urteil nur in Französisch verfügbar). Der Gerichtshof erkannte (mit einer abweichenden Stimme) auf Verletzung des Art. 8 (Recht auf Respektierung des Familienlebens) wegen, trotz des nationalen Ermessenspielraumes, mangelnder Durchsetzung des Umgangsrechts:

51.  Compte tenu des intérêts en jeu, ce qui précède ne permet pas de dire que les autorités compétentes ont consenti des efforts raisonnables pour faciliter le regroupement. Au contraire, leur inaction a forcé le requérant à user sans relâche de toute une série de recours longs et finalement inefficaces afin de faire respecter ses droits.
52.  La Cour conclut en conséquence que, nonobstant la marge d'appréciation dont jouissaient les autorités compétentes, l'inobservation du droit de visite du requérant depuis septembre 2002 s'analyse en une atteinte à son droit au respect de sa vie familiale garanti par l'article 8 de la Convention.
53.  Par conséquent, il y a eu violation de l'article 8 de la Convention concernant cette partie du grief.

Der Fall selbst bietet gegenüber den uns auch aus Deutschland leider wohlbekannten Verhaltensmustern wenig Überraschungen: Nach häufiger Umgangsvereitelung eine allerdings vergleichsweise großzügige Umgangregelung durch das Gericht: 2 Nachmittage pro Woche und jeden 2 ten Sonntag mit dem nun 1 1/2 jährigen Kind (geb. Jan. 1995), sowie Beauftragung eines Sozialdienstes zur Begleitung von Gesprächen zwischen den Eltern zum Abbau der Konflikte. 1999 Ausdehnung des Umgangsrechts auf Beherbergung jedes 2 te Wochenende und während der Ferien, entsprechend den Empfehlungen eines Sachverständigen. Bald danach Missbrauchvorwürfe, allerdings nicht gegen den Vater selbst, sondern gegen 2 seiner Freunde und den Großvater (nicht bestätigt, Strafverfahren eingestellt). Als Folge Einschränkung des Umgangs auf  2 mal /Woche begleitet. Danach eine Reihe von Anträgen des Vaters, die aber nicht zur Aufhebung dieser Massnahme führen, sondern zunächst sogar zu einer weiteren Einschränkung auf 1 Umgang/Woche. Schließlich das weitere uns so vertraute Verhaltenmuster: Betreuender Elternteil (hier Mutter) bestätigt Ablehnung des Umgangs durch das Kind, will diesen gegen des Willen des Kindes aber nicht erzwingen. Obwohl das Gericht die Wichtigkeit der Präsenz des Vaters für die Entwicklung des Kindes anerkennt und deshalb zur Wiederanbahnung der Vater-Kind auch psychologische Unterstützung anordnete, kam es seit September 2002 zu keinen weiteren Kontakten zwischen Tochter und Vater.

Die italienische Regierung betonte in ihrer Stellungnahme, dass der Umgang lediglich für 1 1/2 Jahre eingeschränkt war, wegen der im Raume stehenden Missbrauchsvorwürfe, nie aber die Rechte des Vaters  (Beaufsichtigung und Kenntnis) bzgl. der (schulischen) Erziehung und Lebensbedingungen des Kindes. In  Deutschland dagegen bedeutet Umgangsvereitelung durch einen allein sorgeberechtigten Elternteil praktisch immer auch weitgehenden Ausschluss von der Mitwirkung an der schulischen Erziehung des Kindes und Auskünften über Gesundheit etc, weil das Auskunftsrecht ausgerechnet nur über den allein sorgeberechtigten Elternteil ausgeübt werden kann. Auch die Anträge des Vaters auf Übertragung des Sorgerechtes, die zwar abgelehnt wurden, wären in Deutschland von vornherein aussichtslos gewesen, weil hier, bei nicht verheiratet gewesenen Eltern, dies immer noch nur über die praktisch unüberwindbare Hürde des $1666 BGB (akute Gefährdung des Kindes) möglich wäre, auch nicht einmal ein gemeinsames Sorgerecht ohne ausdrückliche Zustimmung (in einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung) der Mutter des Kindes. 

Zu den nachfolgenden Fällen Haase, Görgülü, Kutzner  vgl. auch  Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und das Pflegekinderwesen in Deutschland.  

Erneutes Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen Deutschland:  CASE OF HAASE v. GERMANY (Application no. 11057/02)  vom 8.4. 2004.

Die zusammenfassende Pressemitteilung und das Urteil selbst sind für heute 14h30 als von den Webseiten des Gerichtshofes, http://www.echr.coe.int, abrufbar  angekündigt. Hier vorab als Word (doc ) file (191 kB) und einige Auszüge daraus.

Über diesen Fall ist schon wiederholt in Presse und Fernsehen berichtet worden, seit sich Familie Haase an das Jugendamt um Hilfe wandte und ihr dann prompt alle 7 Kinder mit unbekannten Aufenthalt weg genommen wurden, einschließlich des jüngsten gerade 7 Tage alten Kindes im Wochenbett, oder wie es im Schreiben des Oberbürgermeisters von Münster vom 19.12. 2001 hieß:. 

Sehr geehrte Frau H.,

........für Ihre Kinder gewähre ich seit dem 18.12.2001 die o.g. Jugendhilfe durch Übernahme der Kosten in Höhe von monatlich jeweils 4000,00 Euro. Zu diesen Kosten haben Sie in zumutbaren Umfang beizutragen. Ich muss nunmehr prüfen, ob Sie nach §§ 91 ff Achtes Sozialgesetzbuch -Kinder-und Jugendhilfe zu den Kosten beitragen können. ........ (Wir berichteten.)

Unsere Teilübersetzung  und neuere Medienberichte

27.02.2004: Wir haben eine deutsche Übersetzung der §§ 44-51 (pdf Datei, 97kB) aus dem unten aufgeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofes angefertigt. Sie betreffen das Sorge- und Umgangsrecht,  insbesondere die Abwägung der Verpflichtung zur Zusammenführung leiblicher Eltern mit dem Kind, trotz einer möglichen kurzfristigen Stresssituation, gegenüber den langfristigen, oft irreparablen Folgen einer langen Trennung. Wegen ihrer Klarheit, auch zu der leider noch immer häufigen Aussetzung des Umgangs (,,Kind muss zur Ruhe kommen") sind diese Aussagen auch weit über den konkreten Fall hinaus von besonderer Bedeutung.

  Nachtrag 2005: Das Urteil vom 8.4.2004 ist auszugsweise in deutscher Sprache zu finden in den Zeitschriften: EuGRZ 2004, 715; FamRZ 2005, 585-589; NJW 2004, 3401. Der Volltext  (Nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen. Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin) ist auf den Webseiten des EGMR verfügbar, außerdem  eine Teilübersetzung/Kommentierung des Österreichischen Instituts für Menschenrechte im Newsletter NL 2004, S. 82 (NL 04/2/9). 

Nachtrag 2008: Eine weitere Beschwerde, Application no. 34499/04 by Cornelia HAASE and Others against Germany, wurde mit  Entscheidung vom 12. Februar 2008 als nicht zulässig erklärt.

26.02.2004: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Press release issued by the Registrar 

CHAMBER JUDGMENT IN THE CASE OF GÖRGÜLÜ v. GERMANY 

The European Court of Human Rights has today notified in writing a judgment[1]in the case of Görgülü v. Germany (application no. 74969/01). The Court held unanimously that there had been:

·         a violation of Article 8(right to respect for private and family life) of the European Convention on Human Rights, concerning the refusal to give the applicant custody and access rights;

·         no violation of Article 8concerning the decision-making process;

·         no violation of Article 6 § 1(right to a fair hearing). 

Under Article 41 (just satisfaction) of the Convention, the Court awarded the applicant 15,000 euros (EUR) for non-pecuniary damage and EUR 1,500 for costs and expenses. (The judgment is available only in English.)

Kurze deutsche Zusammenfassung (VfK e. V.): Der Vater, türkischer Nationalität, verheiratet mit einer Deutschen, beantragte am 10.1.2000, bald nachdem er von der Geburt seines aus einer früheren nichtehelichen Beziehung stammenden Sohnes erfahren hatte, die Übertragung des Sorgerechtes auf sich. Der Sohn war, ohne seine Zustimmung, für eine Adoption frei gegeben worden und lebt bei einer Pflegefamilie. Das alleinige Sorgerecht wurde nach einer Übergangsperiode, mit zunehmenden Kontakten zwischen Vater und Sohn gewährt. Im Beschwerdeverfahren (veranlasst von Jugendamt und Pflegefamilie) wurde die Sorgerechtszuteilung jedoch aufgehoben und zusätzlich der Umgang für ein Jahr ausgesetzt, mit der Begründung, dass sich zwischen der Pflegefamilie und dem Kind, das dort inzwischen 1J 10 Monate gelebt hatte (laut OLG ein ,,unendlicher Zeitraum" für ein Kind dieses Alters), eine enge emotionale und soziale Bindung entwickelt habe und das Kind bei einer Trennung von der Pflegefamilie schweren und irreparablen Schaden erleiden würde. Der Gerichtshof fand jedoch einstimmig, dass Deutschland unter Artikel 8 (Respektierung des privaten und Familienlebens) verpflichtet ist eine Zusammenführung von Kindern mit den leiblichen Eltern jedenfalls zu versuchen.

Wir haben eine deutsche Übersetzung der §§ 44-51 (pdf Datei, 97kB) aus dem unten aufgeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofes angefertigt.

18.2.2003: Zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei Vorwürfen von sexuellem Kindesmissbrauch.

26.2.2002: Erneutes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Deutschland in Sachen Kindschaftsrecht:

CHAMBER JUDGMENT IN THE CASE OF KUTZNER v. GERMANY

In a judgment [fn] delivered at Strasbourg on 26 February 2002 in the case of Kutzner v. Germany (application no. 46544/99), the European Court of Human Rights held unanimously that there had been a violation of Article 8 (right to respect for private and family life) of the European Convention on Human Rights.
Under Article 41 (just satisfaction) of the Convention, the Court awarded the applicants 15,000 euros (EUR) for non-pecuniary damage and EUR 8,000 (less EUR 350.63) for legal costs and expenses. (The judgment is in French only).

1.  Principal facts .........

Diesmal handelt es sich um eine Inobhutnahme (Mai 1997) von 2 Kindern, weil eine Sozialarbeiterin, Jugendamt und sehr kontrovers psychologische Sachverständige befanden, dass die Eltern nicht über die nötigen geistigen bzw. emotionalen Fähigkeiten verfügten. Anderslautende private Gutachten veranlasst durch den Kinderschutzbund etc und die von Ärzten der Familie. wurden nicht berücksichtigt, die Kinder auch nie von den Gerichten angehört. Die damals etwa 4 und 6 jährigen Kinder wurden nicht nur von den Eltern getrennt sondern sogar bei unterschiedlichen Pflegefamilien untergebracht. Den Eltern wurden für 6 Monate die Aufenthaltsorte der Kinder ganz verschwiegen, dann nur ein Besuchsrecht von einer Stunde im Monat in der Anwesenheit von 8 (in Worten acht!!) familienfremden Personen gewährt etc. etc. 

vgl. auch OLSSON v. SWEDEN (No. 1), Appl. Nr. 00010465/83 vom 24/03/1988 und 26/10/1988. und weitere in der Entscheidung angeführte Fälle, sowie:
Scozzari &Giunta vs. Italy, Appl. Nr.  39221/98 u 41963/ 98 vom 13/7/2000
BUCHBERGER v. AUSTRIA, Appl. Nr. 00032899/96 vom 20/12/2001

11.10.2001: Nach dem Elsholz Urteil heute gleich 3 Urteile gegen Deutschland wegen Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Gerichte bei Umgangskonflikten (+ 1 weiteres wegen zu langer Verfahrensdauer, 12 Jahre, in einer Rentensache):

Press release issued by the Registrar

CHAMBER JUDGMENTS IN THE CASES OF

SAHIN v. GERMANY, SOMMERFELD v. GERMANY, and HOFFMANN v. GERMANY

The European Court of Human Rights has today notified in writing judgments in the cases of: Sahin v. Germany (application no. 30943/96),  Sommerfeld v. Germany (no. 31871/96) and  Hoffmann v. Germany (no. 34045/96), none of which is final [ fn ]. (The judgments are available only in English.)

The European Court of Human Rights held, by five votes to two, that there had been:

Under Article 41 (just satisfaction) of the Convention, the applicants were awarded the following amounts in German Marks (DEM):

  Non-pecuniary damage costs and expenses
(1)  Sahin v. Germany DEM 50,000 DEM 8,000
(2)  Sommerfeld v. Germany DEM 55,000 DEM 2,500
(3)  Hoffmann v. Germany DEM 25,000 DEM 2,500

Der Sachverhalt ist in allen drei Fällen (und vielen anderen, in denen die Betroffenen nicht über die notwendige Ausdauer und finanziellen Mittel verfügen) im wesentlichen der gleiche, uns leider sattsam bekannte (vgl. z. B. den folgenden Artikel im Focus vom 7.11.2001 und unseren Kommentar). Nur wurde der Umgang zwischen den Kindern und den (nichtehelichen) Vätern diesmal nicht "nur" ungestraft vereitelt, sondern von den Gerichten sogar unterbunden, auf Grund der Expertisen des Jugendamtes, flüchtiger richterlicherAnhörung und mangelhafter psychologischer Gutachten, in denen die Vater-Kind-Beziehung überhaupt nicht (oder nicht adequat) evaluiert wurde.

13.7. 2000 Deutschland wegen Verweigerung eines Umgangsrechts vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt (Verletzung der Art. 6, 8 EMRK):

Pressemitteilung (vollständiges Urteil folgt):

JUDGMENT IN THE CASE OF ELSHOLZ v. GERMANY

The European Court of Human Rights has today notified in writing judgment in the case of Elsholz v.Germany. The Court [of Human] Rights held by thirteen votes to four that there had been a violation of Article 8 of the European Convention on Human Rights (right to respect for family life), unanimously that there had been no violation of Article 14 taken in conjunction with Article 8 of the Convention (freedom from discrimination in respect of the right to respect for family life) and by thirteen votes to four that there had been a violation of Article 6 § 1 (right to a fair hearing) of the Convention. Under Article 41 (just satisfaction) of Convention, the Court awarded the applicant 35,000 German marks (DEM) for non-pecuniary damage and DEM 12,584.26 for legal costs and expenses......

Communiqué du Greffier

ARRÊT DANS L’AFFAIRE ELSHOLZ c. ALLEMAGNE

Par un arrêt communiqué par écrit le 13 juillet 2000 dans l’affaire Elsholz c. Allemagne, la Cour européenne des Droits de l’Homme dit, par treize voix contre quatre, qu’il y a eu violation de l’article 8 (droit au respect de la vie familiale) de la Convention européenne des Droits de l’Homme, à l’unanimité, qu’il n’y a pas eu violation de l’article 14 pris avec l’article 8 (interdiction de discrimination en ce qui concerne le droit au respect de la vie familiale) et, par treize voix contre quatre, qu’il y a eu violation de l’article 6 § 1 (droit à un procès équitable). En application de l’article 41 (satisfaction équitable) de la Convention, la Cour alloue au requérant 35 000 marks allemands (DEM) pour dommage moral ainsi que 12 584,26 DEM pour frais et dépens...

Es folgt eine Darstellung des Sachverhaltes und der Urteilsbegründung. Der Sachverhalt ist uns allerdings aus ähnlichen Fällen leider sehr bekannt [vgl. dazu z. B. den erst gerade erschienen Artikel (9.7.200) aus Le Figaro, insbesondere über die unkritische Würdigung des "Kindeswillens" durch deutsche Gerichte, sowie unsere Informationen zu PAS und ,,Umgangsausschluß im Sinne des Kindeswohls?"]. Deshalb ist die Entscheidung auch für viele andere Fälle äußerst bedeutungsvoll, eheliche wie nichteheliche. (Der Beschwerde einer Diskriminierung nach Art. 14 EMRK gegen  nichteheliche Väter wurde nicht entsprochen, weil der Gerichtshof [unserer Erfahrung nach zu Recht] davon ausging, dass die deutschen Entscheidungen auch im Falle eines ehelichen Kindes ähnlich ausgefallen wären.):


Mutter zieht nach 3 Jahren mit ihrem älteren Sohn und dem gemeinsamen nichtehelichen Kind 1988 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Vater hat noch etwa 3 Jahre lang häufigen Umgang mit seinem Sohn, bis Juli 1991. Im Dezember erklärt der Sohn, gerade fünfjährig (!!) dem Jugendamt, dass er keine weiteren Kontakte mit seinem Vater wünsche. Daraufhin werden Umgangsersuchen von allen Instanzen abgelehnt, mit den bekannten Begründungen: Ein Umgang gegen den augenscheinlichen Willen des (mitten im Konflikt befindlichen und dadurch unzweifelhaft erheblich beeinflußten) Kindes, gleich welchen Alters, und bei massiver Ablehnung durch den sorgeberechtigten Elternteil würde dem Kindeswohl widersprechen. Das war auch für das Berufungsgericht (Landgericht) offenbar so selbstverständlich, dass auch dieses die Einschaltung eines psychologischen Sachverständigen für unnötig hielt (obwohl nicht nur vom Vater wiederholt gefordert, sondern auch vom Jugendamt empfohlen), und sogar von einer weiteren Anhörung der Eltern und des Kindes absah. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1994).

13.7.2000:Das Urteil im Fall Elsholz gegen Deutschland(in Französisch und Englisch ) ist nun ebenfalls vollständig verfügbar. Der Beschwerdeführer war vor dem Gericht durch Rechtsanwalt Dr. Peter Koeppel, München, und die Bundesregierung ("the Government") durch ihren "agent", Frau H. Voelskow-Thies, Ministerialdirigentin im Bundesjustizministerium vertreten.

29.8.2000: Das August Heft von DER AMTSVORMUND bringt eine deutsche Übersetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Elsholz gegen Deutschland. Es wird kommentiert von Prof. Liermann, RA. Dr. Koeppel und Dipl. Psych. Kodjoe.

Stellungnahme des Vorsitzenden von Väter für Kinder zum Urteil Elsholz v. Deutschland am European Court of Human Rights in Straßburg.

Aus FamRZ 1999, Heft 24, S. 1645-1646 (auszugsweise): Europäische Kommission für Menschenrechte zum Recht auf gerichtliche Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist. Nr. 1095 EKMR - EMRK Art. 6 I, Art. 8 I.

Entscheidungen des EGMR zu Kindesentführung sind auf unserer Webseite zu Internationaler Kindesentführung aufgeführt.